E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Politycki Weiberroman
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-455-81177-3
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-455-81177-3
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Matthias Politycki gilt als großer Stilist und ist einer der klügsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Er schreibt Romane, Erzählungen und Gedichte; als Essayist äußert er sich seit Jahrzehnten mit vieldiskutierten Debattenbeiträgen zu den Fragen der Gegenwart. Zuletzt erschienen der Roman Alles wird gut - Chronik eines vermeidbaren Todes sowie das Debattenbuch Mann gegen Mann.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Cover
Titelseite
I Kristina
II Tania
III Katarina
IV Anhang
Anmerkungen
Über Matthias Politycki
Impressum
3. Texte und Zeugnisse
Unter den von Schattschneider zurückgelassnen Papieren finden sich nicht nur Fragmente, die als Teile des »Weiberromans« konzipiert wurden, sondern auch jede Menge privater Notizen bis hin zu Einkaufszetteln, Telephonnummern, kleinen Zeichnungen etc. Sie alle wurden in der Mappe »Texte und Zeugnisse«, Fragmentnummer TuZ/[laufende Nummer 1–917], zusammengefaßt, aus der im folgenden nur ein geringer Ausschnitt geboten werden kann. Ausgewählt wurden Schattschneiders handschriftliche Fassungen seiner Gedichte und die von den gedruckten Fassungen erheblich abweichen, Schattschneiders eigner für seinen Roman wie auch sein schließlich, als Kuriosa, eine völlig von ihm selbst (bzw. deren Rückseite) und seine Liste
Unter allen Brücken
Schnarchst du dort auch.
Wahrscheinlich entstand das Gedicht in Schattschneiders früher Stuttgarter Zeit, etwa 1979/80; vgl. seine mehrfache Erwähnung von Pennern in »Katarina«. – Erstveröffentlichung (unter dem Titel »Brunnenwirts Nachtlied«) in: Nachtcafé (Sarzbüttel) Nr. 26, Herbst/Winter 86/87. – Wortlaut der publizierten Fassung: »Hinter all den Brücken/Gibt’s Bier,/’nen Haufen Dosen/fändet ihr/Dort für den Bauch:/Die Penner saufen im Walde./Wartet nur, balde/Sauft ihr dort auch.«
Du ißt vom selben Brot wie wir.
Auch du liest oft im Regenbogen
und wirfst dich fort als Glitzerwelle in dem Meer
von Leidenshoffnung. Und so sehr
ich auch dies alles weiß und mir beständig sage –
und nichts bleibt mehr von allem, was ich je gedacht, getan.
Auch dies ein typisches Jugendgedicht, entstanden vor 1977, wahrscheinlich wie »Aber draußen in Feldern oder so« im Zusammenhang der Geschehnisse um Kristina. – Erstveröffentlichung in: Wespennest. Zeitschrift für brauchbare Texte und Bilder (Wien) Nr. 71/1990.
München, 12. 3. 1992
Sehr geehrter Herr Schattschneider,
haben Sie vielen Dank für die Zusendung Ihrer Dichtung »Sommersänge«. Eine Veröffentlichung im Verlag C. H. Beck kann aus zwei Gründen leider nicht in Frage kommen. Zum einen ist C. H. Beck ein Sachbuchverlag, der keine zeitgenössische Lyrik herausbringt. Zum anderen scheint uns Ihr lyrisches Œuvre zu schmal, als daß man einen eignen Band damit füllen könnte. Drei kurze Gedichte (Gesamtumfang etwa vier Seiten) sind für eine Buchveröffentlichung entschieden zu wenig. Zudem handelt es sich bei zweien der drei Texte nicht um Erstveröffentlichungen; gewiß verfügt mancher interessierte Leser bereits über die Zeitschriften, in denen Ihre Gedichte zum ersten Mal erschienen sind. Das ohnehin begrenzte Lesepublikum könnte durch diesen Umstand auf ein Drittel schrumpfen. Es mag sein, daß es Ihnen deshalb nicht leichtfallen wird, einen Verlag zu finden, der Ihr dichterisches Werk als Buch herausbringt.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß wir aus diesen Gründen auf Ihr Angebot verzichten müssen.
Mit allen guten Wünschen für Ihre weitere Arbeit und mit besten Grüßen
Dr. Raimund Bezold
Verlag C. H. Beck
Lektorat
München, 15. Januar 1996
Lieber Gregor, ich bin Deine Verwirrspiele allmählich leid – und Autoren, die sich ständig selbst erfinden müssen, gibt es auch mehr als genug. Deine persönlichen Dinge sind Deine Sache, behellige also bitte nicht das ganze Haus damit. Ich will das Manuskript, bittesehr, und zwar zum vereinbarten Termin.
Nichts für ungut!
C.
Luchterhand Literaturverlag
Verlagsleitung
Was tun, wenn sich eine ganze Kleinstadt in das Mädchen verliebt hat, das man selber anhimmelt? Und was, wenn man mit einer Frau befreundet ist, von der man Tag & Nacht träumt, für die man sich aber vor seinen Freunden schämt, weil sie anders spricht, denkt, als man selbst? Und was schließlich, wenn man mit einer Frau zusammenwohnt, die man zwar von ganzem Herzen verehrt, bewundert, liebt, aber vielleicht nur noch mit einem Viertel Herzen »begehrt«?
Drei Fragen im Leben des Gregor Schattschneider, drei Liebesgeschichten, die er als Teenager, als Twen, als Über-Dreißigjähriger durchlebt und die sich lediglich in einem einzigen Punkt ähneln: Sie gehen übler aus, als es Schattschneider im tiefsten Innern befürchtet hat, setzen jede eine gewaltige Zäsur, über die ihm nur eines hinweghilft: die Niederschrift ebenjener Geschichten, ebenjener Kapitel seines Weiber- und Lebensromans.
Drei Fragen, drei Frauen, drei Städte, drei Lebensalter – Schattschneider erzählt die Geschichte einer Generation, der 78er-Generation, die nichts mit den 68ern zu tun haben will und dafür auch irgendwann mal die Quittung kriegt. Erzählt, von Ostpolitik bis Mauerfall, von Schlaghosen bis Designerbrille, »was so los war« während der goldnen 70er und 80er Jahre. Erzählt, und zwar völlig unbeleckt von Political Correctness, »was so los ist« mit Männern & Frauen – und er das tut, mal witzig, ironisch, verspielt, mal melancholisch-lapidar, bestätigt aufs wunderbarste unsre Vermutung, daß gerade die klassischen Liebesgeschichten von jeder Generation immer wieder neu erzählt werden müssen, und zwar dringend.
Schattschneider hat – unter dem äußerst irreführenden Titel »Weiberroman« – ein Buch geschrieben, das es doppelt in sich hat: als Lebenspanorama einer gerade erst versunkenen Zeit, entworfen mit dem leidenschaftlich langen Atem der europäischen Tradition, die ihren Figuren erst einmal in aller Ausführlichkeit bei ihren alltäglichen Verrichtungen zusieht, ehe sie diese in den Strudel der Ereignisse und schließlich in den Abgrund reißt. Und, nicht zuletzt, als Hohelied auf die Frauen, als frappierend scharf konturierte Antwort auf die Frage, die nicht erst seit »Romeo und Julia« die Gemüter aller Liebenden und Geliebten (und mit ihnen aller Leser) bewegt, irritiert, fasziniert: die Frage, warum es so aberwitzig wunderbar und schrecklich zugeht zwischen den Männern und Frauen.
Aus der Fülle an geschwärzten Fragmenten, deren inhaltlicher Bezug zur erzählten Geschichte des »Weiberromans« offen bis fragwürdig ist (vgl. S. 376f. und meinen Exkurs in Anm. 32 zu »Kristina«), sticht eines hervor, das aus einer mit verschiednen Kugelschreibern, Blei- und Faserstiften wild übermalten und demzufolge schwarzen Seite besteht. Aus naheliegenden Gründen gibt das für den Abdruck nichts her; wer sich trotzdem einen Eindruck davon verschaffen will, möge dies beispielsweise anhand des Ersten Buchs von Sternes »Tristram Shandy« (12. Kap.) tun, eines unsrer Lieblingsbücher übrigens, damals, in Wien. – Auf der Rückseite von schwarzer Seite findet sich die folgende Notiz:
Cappuccino-Beutel ungesüßt
2 x Fanta
Dusch-Wisch-Ding
Burti oder so
Bretzel
KloPa
Erdnußglück
W-Bier
Miracoli
Schuhspr.
Diese Liste, obwohl undatiert, ist in ihren Urspüngen sehr genau dem 12. Januar 1979 zuzuordnen, dem Abend unsres letzten Playmate-Seminars, vgl. S. 220. Selbstverständlich umfaßte unsre damalige Liste nur einen Bruchteil der im folgenden wiedergegebnen Namen; Schattschneider muß die Liste über Jahre hinweg weitergeführt und ergänzt, geradezu »aktualisiert« haben: Nicht wenige der von ihm aufgelisteten Frauennamen finden sich in mehreren Sparten, immer wieder aufs neue durchgestrichen und neu bewertet – allen voran der Name der, mit Ausnahme der Sparten –1 und +1 in allen andren Sparten auftaucht. – Wiedergabe der Liste nach dem letztgültigen Stand, also (aufgrund der Signifikanz einiger mit Bleistift bzw. Kugelschreiber zusätzlich eingetragener Namen) mindestens Ende ’95. Eine Kommentierung derselben, insbesondere die Korrektur einiger besonders eklatanter Fehlurteile (Uma +3! Josephine –4! usw.), wie auch eine weitere Ergänzung und Aktualisierung bleibt ein Desiderat der zukünftigen Schattschneider-Forschung.