E-Book, Deutsch, 379 Seiten
Politycki Ein Mann von 40 Jahren
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-455-81175-9
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 379 Seiten
ISBN: 978-3-455-81175-9
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Matthias Politycki gilt als großer Stilist und ist einer der klügsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Er schreibt Romane, Erzählungen und Gedichte; als Essayist äußert er sich seit Jahrzehnten mit vieldiskutierten Debattenbeiträgen zu den Fragen der Gegenwart. Zuletzt erschienen der Roman Alles wird gut - Chronik eines vermeidbaren Todes sowie das Debattenbuch Mann gegen Mann.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Cover
Titelseite
Marietta
Anhang
Anmerkungen
Über Matthias Politycki
Impressum
Anhang
1. Nachtrag des Herausgebers
Nach Publikation der ersten drei Teile seiner Autobiographie unter dem Titel »Weiberroman« hat man sich im Verlag entschlossen, aus der Nachlaß- oder besser: Konkursmasse Gregor Schattschneiders ein weiteres Kapitel zu veröffentlichen, zu dessen Edition es seinerzeit unter Prof. Beinhofer nicht mehr gekommen ist.
Schattschneider hat es uns mit seinen literarischen Hinterlassenschaften freilich nicht gerade leichtgemacht, sind sie doch in einer Form auf uns gekommen, die der Spekulation Tür und Tor öffnen – als eine in seiner Frauenchiemseer »Bauernmöbelstube« vorgefundene Ansammlung von Notaten, für die der Begriff Loseblattsammlung noch schmeichelhaft wäre. Dieser chaotisch anmutenden Ausgangslage ist nur durch strengste Editionskriterien gegenzusteuern, wie sie bereits Eckart Beinhofer in seiner Nachbemerkung zum »Weiberroman« formuliert hat. Wenn wir uns denselben auch weiterhin gern verpflichtet fühlen, so nicht zuletzt deshalb, weil wir (als damaliger Assistent am Lehrstuhl Beinhofer) an deren Aufstellung zumindest maßgeblich beteiligt waren: Der geneigte Leser mag nach Lektüre des einst als vierter »Weiberroman«-Teil geplanten, inzwischen allerdings zu einem eigenen Roman gewordenen Buchs selbst entscheiden, ob Beinhofer überhaupt weiterhin als Herausgeber der ersten drei Teile gelten darf.
Im Laufe der Editionsarbeiten ergaben sich allerdings auch einige gewichtige Abweichungen von den ursprünglich aufgestellten Leitlinien, insbesondere im Umgang mit lückenhaft überlieferten, mannigfaltig überschriebenen, gestrichenen oder sonstwie verderbten Stellen: Auf eine vergleichende Einsichtnahme in Schattschneiders (ebenfalls auf Frauenchiemsee vorgefundene) Tagebücher mußte nämlich verzichtet werden, hatten sie sich doch mittlerweile als Fälschungen im Umfeld der sogenannten »Mainzer Kladde« (s.u.) herausgestellt. Zum Glück waren wir in der Lage, diesen editorischen Nachteil durch aktiv wahrgenommene Zeitgenossenschaft auszugleichen, sprich, durch eigene Beobachtungen wie durch sachdienliche Hinweise aus Schattschneiders engerem Umfeld: Aufgrund zahlreich geführter Gespräche, z.B. mit Nachbarn, konnten dessen Darstellungen behutsam berichtigt werden; selbst für seinen Aufenthalt auf Frauenchiemsee fanden wir in Prof. Beinhofer – der sich, von Schattschneider offensichtlich unbemerkt, zum Jahreswechsel 96/97 ebenfalls dort aufhielt – einen glaubwürdigen Gewährsmann. Ob es im übrigen trotz S. 301f. zu einer Begegnung zwischen den beiden Exfreunden kam (aufgrund deren Schattschneiders überstürzte Abreise einen völlig anderen Hintergrund erhielte), geht aus den überlieferten Textbruchstücken bedauerlicherweise nicht hervor. Bis einer der beiden wieder auftaucht – seit Jänner ’97 gibt es von ihnen keinerlei Lebenszeichen –, sind wir zu mancherlei Vermutung berechtigt.
Im Unterschied zur damaligen Arbeit am »Weiberroman« haben wir uns entschlossen, den fragmentarisch auf uns gekommenen Text grundsätzlich umzuschreiben, selbst in Passagen, wo Schattschneider ganz offensichtlich falsches Zeugnis ablegt, sondern ihn als Dokument eines, gelinde gesagt, kreativen Umgangs mit historischer Wahrheit zu belassen – sowohl bei der Schilderung von Details (Frau Prof. Beinhofer eine Brille), von Personen (des Wegensteiner Poldis, mit Verlaub) wie auch ganzer Szenen: Die Beinhofersche Eisenbahnanlage, zum Beispiel, wurde gegen Ende des 96er-Jahres zwar nicht, wie ursprünglich geplant, auf angrenzende Nachbarappartements ausgeweitet, immerhin jedoch auf die Wohnung! Seither muß man sich bereits beim Betreten derselben unter die Preßspanplatte begeben, um der zentralen Schalt- und Trafostation (nach wie vor »mitten im Starnberger See« gelegen) auf allen Vieren näher zu kommen.
Auch offensichtliche stilistische Mängel wurden belassen, desgleichen Schattschneiders problematische Thesen über »männliche Wechseljahre« und dergleichen, die wir uns bestenfalls als Parodien zuzumuten wußten. Trotzdem – oder gerade deshalb – erschien uns die nachträgliche Betitelung dieser eigenständigen Sonderedition als »Ein Mann von vierzig Jahren« nicht unpassend. Bei Schattschneider, der die Darstellung seiner »Fastaffäre« mit Frau Prof. Beinhofer schlichtweg als vierten Teil des geplanten »Weiberromans« verstanden wissen wollte, wäre dieser Titel vermutlich auf einigen Widerstand gestoßen – sei’s drum: Wenn ein Autor nicht in der Lage ist, seinen Verlagsvertrag selbst zu erfüllen, muß er es auch hinnehmen, daß sich andere, die seine Arbeit tun, mit einer ironischen Etikettierung an ihm bzw. seinem Werk schadlos halten.
Trotz jener in mehrerlei Hinsicht diffizilen Ausgangslage darf es jedoch nicht den geringsten Zweifel an der Urheberschaft vorliegenden »Romans« geben: Die von Schattschneider in Teil I–III permanent eingestreute These, an seiner Statt habe in Wirklichkeit Prof. Beinhofer geschrieben, wurde bereits in dessen damaliger »Editorischer Notiz« zurückgewiesen. Und nun gar die in Teil IV breit angelegte Unterstellung, wir selber seien Verfasser des Romans! Fehlte nur noch, daß auch Herr Schmedt auf der Günne in irgendeiner Weise beteiligt gewesen sein sollte, dann hielten wir ja ein feines Gemeinschaftsprojekt in Händen! Der Leser möge sich bitte nicht täuschen lassen: Text bleibt Text, auch im Falle Schattschneiders, und wir haben uns als Herausgeber im wesentlichen darauf beschränkt, ebenjenen Text durch einen kritischen Apparat der Öffentlichkeit zugänglich, wo nicht erst verständlich zu machen.
Freilich galt es dabei, nach bestem Wissen und Gewissen zu sichten, abzuwägen, auszusondern. Denn auch der umgekehrte Fall mußte stets bedacht werden: Nicht alles, was unter dem Namen Schattschneiders mittlerweile publiziert oder, aus welchen Gründen auch immer, dem Archiv des Luchterhand Verlags überstellt wurde, ist authentisch, ist tatsächlicher Teil jenes Frauenchiemseer Textkonvoluts, das Prof. Beinhofer in insgesamt 16 Mappen (»Ein Mann von vierzig Jahren« findet sich – im wesentlichen – in Mappe G4) eingeteilt hat.
Zu einiger zweifelhafter Berühmtheit gelangte in den letzten Jahren vor allem die sogenannte »Mainzer Kladde«, ein Tagebuch zum 96er-Jahr mit türkisem Einband und eingedrückten Ecken, das kurz nach Erscheinen des »Weiberromans« am Deutschen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz auftauchte und von der Forschung bereitwillig als Schlüsseltext zur Mappe G4 diskutiert wurde. Der größte Teil des Tagebuchs wurde Laura Adametz zugeschrieben, der (im August 1979 geborenen) unehelichen Tochter von Tania Adametz, die darin recht anschaulich von ihrer Reise nach Feldafing berichtet und von ihrer Absicht, sich dort inkognito, als »Servierzofe« im Salon der Villa Hasenpusch, ein eigenes Bild von ihrem »Erzeuger« zu machen. Der restliche Teil, meist Korrekturen und Ergänzungen der ursprünglichen Aufzeichnungen, wurde aufgrund der Handschrift wie auch des sehr speziellen Umgangs mit Orthographie, Interpunktion und Logik bislang als »ein echter Schattschneider« gelesen.
Nachforschungen haben indes ergeben, daß es sich bei der Verfasserin des Tagebuchs zwar in der Tat um Laura Adametz handelt, eine Vaterschaft Schattschneiders jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Nach eingängiger Befragung des durch seine Publikationen für Aufmerksamkeit sorgenden Lehrbeauftragten, dessen Name hier nicht auch noch ein weiteres Mal genannt werden soll, gestand dieser ein, Laura Adametz während eines Forschungsfreisemesters »kennengelernt« und ihr Tagebuch eigenhändig bzw. unter tätiger Mithilfe mehrerer Vertreter des Mainzer Literaturbüros bearbeitet zu haben. Trotz einiger – von der rheinland-pfälzischen Schattschneider-Forschung gern zitierter – Anspielungen in den Textfragmenten des »Manns von vierzig Jahren« (S. 54, 84, 273), muß also die Tagebuchkladde, und das heißt in unserem Fall vor allem: müssen deren Ergänzungen und Korrekturen, die bislang aus der Feder von Schattschneider stammend gelesen wurden, den Apokryphen zugeordnet werden.
Ähnliches gilt auch für ein Projekt des ZDF, das auf den Versuch hinauslief, die vielfältigen Studien, Skizzen und sonstigen Vorarbeiten des nunmehr der Öffentlichkeit als Buch übergebenen Teils des Frauenchiemseer Textkonvoluts bereits vorab zu publizieren: auf der Homepage von »Aspekte«. Daß dabei auch eine recht beachtliche Anzahl an authentischen Materialien ins Netz gestellt wurde, räumen wir gern ein; der Leser kann sich jedoch unter http://novel.zdf.de/relativ rasch davon überzeugen, daß bei dieser Internet-Edition nicht die notwendige Sorgfalt waltete: So tragen manche der zentralen Figuren falsche Namen (Mascha/Alicja, Frau Gschnitzer/Ernestine, Hundsnurscher/Schlammerl), die Handlung weicht in entscheidenden Punkten von derjenigen ab, die wir in gedruckter Fassung jetzt vorlegen dürfen, von stilistischen Insuffizienzen ganz zu schweigen. Solange der verantwortliche Online-Redakteur, ein gewisser Gerald G. Giesecke aus Wiesbaden, in seinen begleitenden Kommentaren (s. Bibliographie) die wichtigsten Fragen offenläßt – wie kam er überhaupt ans Luchterhand-Archiv? –, muß dessen Rolle als recht zweifelhaft gelten.
Damit freilich nicht genug....