Pohl | Mord am Haarstrang | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Pohl Mord am Haarstrang

Tod eines Ortsgruppenleiters
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-9046-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Tod eines Ortsgruppenleiters

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-7519-9046-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Dorf am Haarstrang im Dezember 1945. Der ehemalige Ortsgruppenleiter der NSDAP wird in seinem Pferdestall brutal erschlagen. Die Ermittlungen leitet ein mehrfach vorbestrafter, ehemaliger KZ-Häftling. Kann er den Mörder finden?

Heinz Pohl, geboren 1963 in Bochum, Journalist und Historiker, lebt im Ruhrgebiet und in Berlin. Er liest finnische Krimis, geht zum VfL Bochum, mag schottischen Whiskey, Punk-Rock und rothaarige Frauen. Er hat den Fall rekonstruiert.

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Wucht
Montag, 10. Dezember 1945
Abends, kurz nach halb neun. Drei junge Männer trafen sich am Spritzenhaus von Homborn. Der Anführer sah verwegen aus. Unter einer ärmellosen braunen Lederweste trug er einen graugrünen Wollpullover. Seinen Kopf bedeckte eine sogenannte »Schweizerkappe«, eine Art Hut ohne Rand. Er war nervös und zitterte. Es war nasskalt, die Temperaturen bewegten sich um den Gefrierpunkt. Der zweite Mann stand links neben dem Anführer. Er trug einen grünen Strickpullover mit Fischgrätmuster – einen »Stutzer«. Der Dritte, an der rechten Seite, hatte einen grünen Motorradmantel übergezogen. Er band sich ein Taschentuch vors Gesicht und zog seine helle Wehrmachtsskimütze nach unten, tief über die Stirn. Das war zu viel. Er sah nichts mehr, weil er die Mütze über die Augen gezogen hatte. Die anderen schüttelten den Kopf. Wenn die Sache nicht so ernst gewesen wäre, hätten sie über den Trottel gelacht. Der Wortführer band sich ebenfalls ein Tuch vors Gesicht und beobachtete die Vorbereitungen seiner Komplizen. Der Mann links von ihm wühlte in seinen Taschen. Einmal, zweimal, dreimal. Er hatte seine Maske vergessen. Als seine zwei Kumpel ihn fragend anblickten, zuckte er wortlos mit den Schultern. Der Wortführer wurde wütend. Leicht lallend zischte er: »Binde dir gefälligst irgendwas vors Gesicht!« Sein vergesslicher Kumpel blieb gelassen. Er war leicht beschwipst, schüttelte den Kopf und flüsterte: »Hier kennt mich doch sowieso keiner.« Dabei grinste er breit. Er hielt es nicht mehr für nötig, sich zu maskieren. Immerhin hatte er seine Militärskimütze auf. Er zog sie runter, über die Stirn, aber nicht über die Augen. Und er klappte den Kragen der Jacke hoch. Die drei Männer sahen aus wie eine Bande von Bankräubern. Sie hatten noch Zeit genug, um mehr Schnaps zu trinken. Das kleine »Spritzenhäuschen« befand sich leicht abgelegen, an einer dunkeln Ecke des Dorfes. Damit war der Treffpunkt günstig, denn er lag abseits der Hauptstraße. Ihr Zielort lag schräg gegenüber. Freiwillige Feuerwehren hatten seinerzeit noch keine Gerätehäuser und Löschfahrzeuge. Damals hieß das Feuerwehrhaus »Spritzenhaus«. Darin stand die Löschspritze. Sie war auf einem Wagen befestigt, der von Hand oder von einem Pferd gezogen wurde. Die Hauptstraße führte vom Hellweg im Norden kommend durchs Dorf. Sie ging weiter bis an die Ruhr im Süden. Aber was hieß das schon. Hauptstraße – 1945 hieß sie offiziell »Hauptverkehrsstraße«, das war übertrieben. Es fuhr kaum ein Auto, und so gab es fast keinen Durchgangsverkehr. Der Volkswagen war zwar erfunden, aber das Volk hatte ihn nicht bekommen. Männer mit Führerschein fehlten. Viele von ihnen würden nie mehr in die Heimat zurückkehren. Sie waren tot, vermisst oder in Kriegsgefangenschaft. Andere waren verstümmelt worden. Kriegsversehrte. Dem einen fehlte ein Bein, dem anderen ein Arm. Wenige Frauen fuhren Auto. Asphaltierte Straßen waren rar. Kutscher und Autofahrer rumpelten auf Kopfsteinpflaster durch die Gegend. Das war aber immer noch besser als Lehmpisten, die sich im Winter, trotz Befüllung mit Schotter oder Kies, in knöcheltiefe Matschwüsten verwandelten. Ohne Gummistiefel ging hier im Herbst und Winter gar nichts. Wenn es Bürgersteige gegeben hätte, hätte man sie hochklappen können. Namen hatten die Straßen im Dorf damals noch nicht. Die Häuser waren nach irgendeinem System nummeriert. Keiner wusste, welches es war. Die drei Männer waren zu Fuß zum Spritzenhaus gegangen und hatten darauf geachtet, dass niemand sie sah. Sie waren Anfang bis Mitte 20 Jahre alt und hatten kein Gramm Fett zu viel. Unmittelbar nach dem Krieg gab es keine Lebensmittel im Überfluss. Schnaps konnte man selber brennen, auch wenn es verboten war. Die drei ließen eine Schnapsflasche kreisen und flüsterten. Sie tranken sich Mut an. Das war nötig. Sie hatten ein schlechtes Gewissen, denn sie waren eigentlich keine Gewalttäter. Aber sie waren wütend auf einen Mann. Sie wollten ihm eine ordentliche Abreibung verpassen. »Eine Wucht«, wie es in Westfalen heißt. Vor allem der Wortführer wollte sich an dem Mann rächen. »Er hat es verdient.« Sie waren nervös, weil sie noch nie einen Menschen überfallen hatten. Wenn es hell gewesen wäre, hätte man gesehen, wie unwohl sie sich in ihrer Haut fühlten. Sie wussten, dass sie sich strafbar machten. Aber der selbstgebrannte Hochprozentige wärmte auch von innen und löste Hemmungen. Die feuchte Kälte drang in ihre Körper ein. Als sie die Flasche geleert hatten, machten sie sich auf den Weg. Ihre Anspannung stieg. Der Himmel war klar, der Mond gab etwas Licht, aber es war dunkel genug, um einigermaßen unerkannt zu bleiben. Sie wollten zum Hof der Familie Bertram. Es war ein imposantes, rund 250 Morgen großes Anwesen mit Wohnhaus und Stallanbauten aus massivem rotem Backstein. Passend zum Ortsbild. Der Nachbarhof stand zwar nur zehn Meter westlich, trotzdem waren beide Höfe voneinander getrennt. Der Hof Bertram war wie eine Burg angelegt, nach Westen, Norden und Süden durch Gebäude und Mauern abgeschlossen und nur nach Osten hin offen. Die Qualitätsziegel wurden in einer Ziegelei gebrannt, die nur wenige hundert Meter vom Dorf entfernt an der Straße nach Stromberg lag. Am Hof angekommen, stapften die drei durch den weichen, tiefen Misthaufen bis zur Außentür des Pferdestalls. Es stank nach Pferdeäpfeln. Der Dung haftete an ihren Schuhen. Sie öffneten die Tür und betraten den Stall. Es war stockdunkel. Sie tasteten sich langsam weiter durch eine mehrere Meter lange Stallgasse, bogen links in den Gang zum Kuhstall ein, an dessen Ende sich eine Schiebetür befand. Hier machten sie halt. Sie schalteten kurz das Licht ein, um sich zurechtzufinden. Dann stellten sie sich links und rechts neben die Schiebetür und warteten. Zur gleichen Zeit machte sich Landwirt Theo Bertram bereit für seine allabendliche Runde. Bertram war 50 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei hübschen Töchtern. Eva war 20 und Gertrud 16 Jahre alt. Er und seine 45-jährige Ehefrau Magdalene, genannt Magda, hatten sich im Laufe der Jahre auseinandergelebt. Gerade hatte er in der gut beheizten Wohnküche das Abendessen genossen, ohne seine Familie, die ihm lästig war. Danach hatte er ein Linden-Pils getrunken. Es wurde in Unna gebraut. Er freute sich sehr auf den Feierabend und auf die Ruhe. Außer den beiden Hausgehilfinnen und ihm war niemand in der Küche. Er und »seine« Frauen legten auf ein gemeinsames Abendessen keinen Wert, die anderen hatten schon vor ihm gegessen. Er stand auf, rülpste und räkelte sich. Die 50 Jahre sah man ihm nicht an. Er war ein kräftiger Mann. Jeden Abend drehte er seine Kontrollrunde über den Hof, zu Fuß in Holzpantoffeln. Dabei sah er in den Ställen nach dem Rechten. Er verließ die Küche durch eine Tür, die in einen Gang führte, der das Bauernhaus mit den Ställen verband. Im Kuhstall angekommen, schaltete er das Licht an. Es schien alles in Ordnung zu sein. Das Vieh war ruhig. Er ging die Stallgasse entlang. Es war etwa 9 Uhr, als er sich dem Pferdestall näherte. Dort angekommen, zog er die Schiebetür auf und tastete nach dem Lichtschalter. Plötzlich hörte er hinter seinem Rücken ein klirrendes Geräusch. Er drehte sich um. Schon packten ihn kräftige Hände und rissen ihn zu Boden. Zwei Männer hielten seine Arme fest, ein dritter machte sich an seinen Beinen zu schaffen. Bertram versuchte, sich loszureißen, aber er schaffte es nicht. Schnell zogen sie ihn durch den Gang zur Box von Liebchen, einer unberechenbaren Stute. Es war dunkel, er konnte fast nichts sehen und schrie: »Was soll das? Was habt ihr vor?« Sie antworteten nicht. Es roch stark nach Schnaps, ein vertrauter Duft. Er brüllte sie an: »Ihr verdammten Schweinehunde, lasst mich los!«, aber sie sagten nichts. Dann schlugen sie auf ihn ein. Bertram wehrte sich, so gut es ging. Er war für sein Alter nicht nur kräftig, sondern auch zäh. Aber seine Gegner waren stark, und vor allem waren sie zu dritt. Als er merkte, dass er gegen die Übermacht nicht ankam, rief er um Hilfe. Einer der Männer packte ihn mit kräftigen Händen am Hals, drückte zu und würgte ihn, um die Schreie zu unterdrücken. Jetzt brachte der Bauer nur noch krächzende Laute heraus. Dann spürte er heftige Schläge. Ein harter Gegenstand traf ihn an Kopf und Körper. Er trat um sich und versuchte aufzustehen, aber er kam nicht hoch. Einer der Männer sagte: »Nun haut doch zu!« Bertram erkannte die Stimme, er wollte etwas sagen, aber er bekam keinen Ton mehr heraus. Seine Kräfte schwanden. Er hatte keine Chance gegen die Angreifer. Ihm wurde schwarz vor Augen, alles drehte sich. Er hörte noch, wie ein Metallgegenstand klirrend zu Boden fiel. Ein Angreifer schaltete das...



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