Pötzsch | Der Totengräber und die Pratermorde | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 496 Seiten

Reihe: Die Totengräber-Serie

Pötzsch Der Totengräber und die Pratermorde

Ein neuer Fall für Leopold von Herzfeldt | Der neue Spiegel-Bestseller-Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3545-2
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein neuer Fall für Leopold von Herzfeldt | Der neue Spiegel-Bestseller-Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende

E-Book, Deutsch, Band 4, 496 Seiten

Reihe: Die Totengräber-Serie

ISBN: 978-3-8437-3545-2
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hinter Wiener Schmäh und Zauberkunst lauert ein grausamer Mörder Wien, 1896: Ausgerechnet bei dem Zaubertrick »Die zersägte Jungfrau« stirbt die junge Bühnendarstellerin vor dem schockierten Publikum. Inspektor Leopold von Herzfeldt ermittelt, ihm dicht auf den Fersen ist die Reporterin Julia Wolf, seine unglückliche große Liebe. Rund um den Prater werden weitere Frauen getötet. Junge Dirnen und Dienstmädchen, die keiner groß vermisst. Jede der Toten ist anders verkleidet. Ist es ein und derselbe Mörder? Leo braucht Unterstützung und wendet sich an seinen Freund Augustin Rothmayer. Der Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs schreibt an einem neuen Buch, »Was uns die Toten erzählen«, und ist in Experimente vertieft. Doch nur gemeinsam können Leo, Julia und Augustin das grausame Spiel des Mörders aufhalten.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
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Kapitel 1


Über ganz Wien lag ein Zauber.

Eben noch hatte es wie aus Kübeln geregnet, die Menschen in der Himmelpfortgasse hatten in Hausnischen und unter den Vordächern der umliegenden Geschäfte Zuflucht gesucht. Junge Männer in Frack und Zylinder boten herbeieilenden Damen ihren Schirm an, teure Frisuren sanken zu nassen Haarknäueln zusammen, Fiaker preschten durch das Wasser des Rinnsteins und bespritzten knöchellange Röcke, gestreifte Hosen, aufwendig drapierte Blumenhüte und bauschige Ballkleider.

Doch so abrupt, wie der Regen gekommen war, hörte er auch wieder auf. Fast im gleichen Moment flammten im 1. Bezirk die zahlreichen elektrifizierten Kohlebogenlampen auf, ihr heller Schein spiegelte sich in den Pfützen und ließ ausgelaufenes Schmieröl in bunten Farben schimmern. Im Nebel der aufsteigenden Feuchtigkeit sahen die herabhängenden milchigen Glaskolben aus wie monströse Leuchtkäfer.

Julia blickte hinüber zu einer der Lampen, lauschte dem Brizzeln der darin gefangenen Elektrizität. Verträumt schloss sie die Augen.

, dachte sie.

Noch vor ein paar Jahren waren nur der Wiener Volksgarten und einige ausgesuchte Plätze elektrisch beleuchtet gewesen, mittlerweile strahlte die ganze Innere Stadt. Auch der sie umgebende Ring mit Oper, Burgtheater, Rathaus und Parlament war elektrifiziert. Und selbst in den Vororten und Vorstädten war der Vormarsch einer neuen, helleren Zeit nicht mehr aufzuhalten. Für Julia, die aus dem düsteren Innviertel stammte und die ersten Jahre ihres Lebens noch im Schein von Glimmspänen und rußigen Petroleumlampen verbracht hatte, war das immer noch ein Wunder, eine Form von Magie. So wie auch die von den Kutschern verfluchten Automobile, die man jetzt vereinzelt in Wien sah, die Grammophone mit ihren laut krächzenden Trichtern in den Tanzlokalen oder die komischen Segelapparate, mit denen sich dieser verrückte Deutsche namens Lilienthal von den Hängen rund um Berlin stürzte.

»Bereit, dich verzaubern zu lassen?«, ertönte eine Stimme neben ihr.

Julia zuckte zusammen. Für ein paar Sekunden hatte sie völlig vergessen, dass sie nicht allein auf dem Gehsteig stand. Sie sah hinüber zu dem jungen Mann mit den buschigen Augenbrauen und den weichen, gutmütigen Augen, der ihr eben die Hand reichte. Es waren Augen, die sie in manchen Momenten an einen treuen Cockerspaniel erinnerten. Und tatsächlich wusste sie, dass sie sich auf Fritz hundertprozentig verlassen konnte.

.

Sie lächelte. »Solange mich dieser Amerikaner nicht mit seinem Säbel in Stücke schneidet, gerne!«

»Oh, keine Sorge, er bevorzugt wohl Jungfrauen, was man so hört.« Fritz grinste und hob die Augenbraue. »Oder bist du etwa …?«

»Das solltest du eigentlich wissen«, gab Julia zurück. Nebeneinander gingen sie über das nasse Trottoir auf das Theater zu, wo sich bereits eine größere Traube von Menschen gebildet hatte. Offenbar versuchten noch etliche Verzweifelte, eine Karte zu ergattern, dabei war die Premiere seit Wochen ausverkauft, ebenso wie alle weiteren Vorstellungen im Mai und im Juni.

Julia betrachtete das Plakat über dem Eingang, von dem ein streng blickender Herr mit hohem Zylinder auf die Menge herunterblickte. Darunter stand in altertümlichen, geschwungenen Buchstaben:

Tatsächlich war Bantons Show schon Wochen vor der ersten Aufführung Tagesgespräch in Wien gewesen. Sein Ruf war ihm vorausgeeilt. Charles Banton hatte bereits in London, Rom und eben erst in Paris gastiert. Die Zeitungen überschlugen sich mit Sensationsmeldungen, zumal derzeit neben dem Amerikaner auch noch ein weiterer bekannter Zauberer in Wien gastierte: der Große Bellini, der »Meister der Illusionen«. Auf den Straßen und in den einschlägigen Blättern sprach man bereits von einem »Duell der Zauberer«.

Dass Julia überhaupt Karten für die Premiere hatte, lag an ihrer neuen Tätigkeit. Vor einem halben Jahr erst hatte sie ihre Anstellung als Tatortfotografin beim Wiener Polizeipräsidium gekündigt und war zur Zeitung gewechselt. Ihr alter Freund Harry Sommer hatte ihr einen Posten als Fotografin beim beschafft. Seitdem war Julia voll und ganz damit beschäftigt, ihre Bilder von beleibten Operettensängerinnen, bleichen Choleraopfern, entführten Rassepudeln, Kaufhauseröffnungen und Verkehrsunfällen zu entwickeln. Erst gestern war eines dieser neuen Automobile in eine voll besetzte Pferdetramway gerauscht. Es hatte drei Schwerverletzte gegeben, die Pferde musste man notschlachten – kein schöner Anblick, aber Harry hatte ihr eingetrichtert, dass Verkehrsunfälle sich nun mal besonders gut verkauften.

, dachte sie.

»Was verschafft mir eigentlich die Ehre dieses außergewöhnlichen Ereignisses?«, fragte Fritz, während sie sich in die Schlange vor dem Theatereingang einreihten. »Ich meine, ich hab ja nichts gegen Kaninchen aus dem Hut und solche Sachen, aber …«

»Charles Banton ist derzeit der bekannteste Zauberer der Welt«, unterbrach ihn Julia. »Und er kommt aus Amerika. Mit Kaninchen hält der sich nicht auf. Dort ist alles eben eine Nummer größer als bei uns in Europa.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber wenn du es genau wissen willst: Eigentlich wollte Harry mitgehen, er ist immerhin der Chefreporter vom . Doch der Verleger hat ihn kurzfristig nach Budapest geschickt, wo eben eine Untergrundbahn eröffnet werden soll. Eine Untergrundbahn, wie in London!« Julia seufzte. »Da können wir in Wien wohl noch lange drauf warten! Vermutlich liegen hier überall so viele alte Knochen im Boden, dass man gar nicht tief genug graben kann.«

»Ich bin also wieder mal nur eine Verlegenheitslösung«, sagte Fritz stirnrunzelnd.

»Ach, Fritz, nun sei doch nicht gleich beleidigt!« Julia wies auf die vielen Menschen um sie herum. »Sieh’s doch mal so. Ganz Wien will sehen, wie dieser Banton Menschen verschwinden lässt, verbrennt und durchlöchert. Und du darfst dabei sein.«

»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen«, brummelte Fritz und reichte ihr sein Taschentuch. »Dein Hut tropft übrigens, Frau Reporterin.«

Julia nahm das Tuch und trocknete sich Hut und Haare. Es war rührend, wie Fritz sich um sie kümmerte. Seit gut zwei Monaten waren sie jetzt ein Paar, was bedeutete, dass sie miteinander ausgingen, Fritz sie gelegentlich zum Essen einlud und sie einmal jede Woche gemeinsam Tango tanzten. Ja, im Bett waren sie ein paar Mal gewesen, und auch dort hatte Fritz sich als … nun ja … besonders liebevoll herausgestellt. Das Ganze hatte mehr einem geschwisterlichen Gekuschel geähnelt.

, dachte Julia. Doch im Grunde hatte sie auch nicht mehr gewollt.

Fritz Hartkämper war der Pianist in der , jener Spelunke im 16. Bezirk, wo Julia gelegentlich auftrat, tanzte und sang. In den letzten Monaten nach Julias Trennung von Leo waren Fritz und sie sich nähergekommen. Noch immer konnte sie es nicht fassen, dass sie sich tatsächlich von Leo gelöst hatte. Manchmal wachte sie nachts auf und glaubte, Leo liege neben ihr, doch da war nur ihre schlafende Tochter. Die wenigen Male, die sie bei Fritz übernachtet hatte, fürchtete sie, im Schlaf vielleicht Leos Namen zu murmeln. Sie kam noch immer nicht von ihm los! Auch wenn sie wusste, dass es besser für sie beide wäre. Die Jahre mit Leo waren zwar aufregend gewesen, aber er hatte sich nie so ganz auf sie eingelassen. Wie ein Spuk war er durch ihr Leben gegeistert, ein ständiges Kommen und Gehen. Leo hatte ihr … nicht gutgetan. Außerdem entstammten sie völlig unterschiedlichen Welten, sie ein armes Mädchen aus dem Innviertel, er der Sohn eines Grazer Bankers mit einem »von« im Namen und einem mit seinem Monogramm bestickten Taschentuch in der gebügelten Westentasche.

Es war Julia, die schließlich auf eine Trennung gedrungen hatte. Und da sie auch nicht mehr im Polizeipräsidium arbeitete, waren sie einander seitdem kaum mehr begegnet. Manchmal wünschte sie sich, er würde nach ihr fragen, sich erkundigen, wie es ihr ging. Doch außer zwei, drei larmoyanten Briefen zu Anfang, in denen er vornehmlich sein eigenes Schicksal beklagte, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Fritz half ihr über die Trennung hinweg, aber er spürte wohl, dass er nur ein Lückenbüßer war. Es tat Julia leid, denn Fritz war wirklich nett, zuvorkommend und noch dazu gut aussehend. Auch mit ihrer Tochter Sisi verstand er sich blendend. Eigentlich ein Traum von einem Mann.

, dachte sie, während sie noch immer in der Schlange warteten.

Endlich kamen sie zum Eingang, wo ein Billeteur in roter Pagenuniform ihre Karten abriss und sie mit wichtiger Geste durchwinkte.

»Hast du den Sanitätswagen...



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