E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Plagg Smart bis zum Sarg
1. Auflage 2024
ISBN: 978-88-7283-937-9
Verlag: Edition Raetia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gesundes Gehirn, starkes Gedächtnis
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-88-7283-937-9
Verlag: Edition Raetia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit flotter Schreibe erklärt die junge Wissenschaftlerin, warum wir am besten früh anfangen, um Vergesslichkeit und letztlich Demenz vorzubeugen.
Ob und wie lange man fit im Gehirn bleibt, ist auch das Ergebnis unseres Lebensstils und einiger Umweltfaktoren – beide lassen sich beeinflussen! Dr. Barbara Plagg erklärt, wie unser Gehirn funktioniert, warum Denken neuronale Teamarbeit ist und dass Prävention möglich ist. Dazu gibt es jede Menge Tipps für den Alltag und medizinische Infos, die die Gesundheitskompetenz der Leser*innen stärken.
Weitere Infos & Material
Ich turne bis zur Urne (Bewegung)
Ich schmatze bis ich abkratze (Ernährung)
Ich bleibe hydriert, bis nichts mehr funktioniert (Trinken)
Ich lese bis ich verwese (Kognitive Reserve)
Ich tippe bis zum Gerippe (Digitale Demenz)
Ich bin voll amore bis ich im Krematorium schmore (Liebe, Sex, Freundschaft und Ehrenamt)
Ich bleibe gechillt, bis es mich killt (Akuter und chronischer Stress)
Ich lache, bis ich die Grätsche mache (Humor)
Ich schlaf gut ein bis zum Schrein (Schlaf)
Ich bleibe an der frischen Luft bis zur Gruft (Umweltfaktoren)
Ich halte die Dosis bis zur Nekrosis (Vorerkrankungen)
Kennen Sie die Zeichentrickserie „Es war einmal … das Leben“a, die den Kindern der 80er und 90er die menschliche Anatomie näherbrachte? Das ist die Serie, in der der Mensch aus lauter vermenschlichten kleinen Zellen besteht: Die kleinen Männchen, die auf ihrem Rücken einen durchsichtigen Rucksack herumtragen, sind die roten Blutkörperchen mit dem geschulterten Sauerstoff, die uniformierten Polizisten mit Schlagstock, die auf die Bakterien eindreschen, sind die weißen Blutkörperchen, die Reinigungskolonne, die sich durch den Kreislauf putzt, sind die Fresszellen und das Gehirn ist – wie könnte es anders sein? – ein alter, weißer Mann. In Wirklichkeit ist das Hirn aber natürlich kein Mann, sondern eine Mannschaft. Einer allein ist nix, zusammen ist man mehr als die Summe seiner Hirnstrukturen: ein denkendes Wesen, das sich meist mehr oder minder vernünftig durchs Leben schlägt. „Steht nicht so rum wie die Kohlköpfe, die Lage ist ernst!“ Hirn an Leukozyten in: „Es war einmal … das Leben“ Apropos denken: Wo denkt man eigentlich was? Und ist die Kartierung vom Kontinent Hirn eigentlich schon vollständig abgeschlossen? Kurze Antwort: Nein, noch nicht. Als Wissenschaftlerinnen entdeckten, dass durch Verletzungen in bestimmten Hirnregionen bestimmte Fähigkeiten ausfallen, lag der Schluss nahe: Das Hirn ist eine Landkarte und unsere Fähigkeiten liegen in bestimmten Arealen. Ein Klassiker in der Medizingeschichte ist übrigens die Läsionsstudie an Phineas Gage, einem Eisenbahnarbeiter, der am 13. September 1848 zwecks Sprengung mit Schießpulver und einem Eisenrohr hantierte, dabei allerdings nicht ganz bei der Sache war. Bewährt sich ja eher selten, mit Schießpulver zu hantieren und nicht bei der Sache zu sein, und so auch in diesem Fall: Phineas jagte sich die Eisenstange versehentlich einmal quer durch den Kopf. Die drei Zentimeter dicke Eisenstange trat unter seinem linken Wangenknochen ein, oben aus der Schädeldecke wieder aus und landete zwanzig Meter weiter im Gebüsch. Ein glatter Durchschuss. Das war’s dann auch mit Phineas, würde man meinen und meinten auch die anderen Eisenbahnbauerkollegen – er aber stand auf und sprach, obwohl man die halbe Faust in seinen Kopf hätte reinstecken können. Und er lebte weiter. Allerdings verlor Phineas sein linkes Auge und Teile seiner Persönlichkeit: Weil die Verbindungen zum präfrontalen Kortex geschädigt waren, wurde aus dem stillen, verlässlichen und pünktlichen Zeitgenossen ein cholerischer, impulsiver und kindischer Mann. Zunächst wegen Gages Kopf und noch anderen Köpfen, die durch Verletzungen verändert wurden, später dann durch elektrische Stimulation von Hirnarealen kamen Wissenschaftlerinnen zum Schluss: Dort sitzt dies und dort sitzt jenes. Die Entwicklung der bildgebenden Verfahren (wie zum Beispiel der Magnetresonanztomographie, kurz MRT) brachte in den letzten Dekaden dann weitere Vorteile: Zum einen muss man jetzt zur Identifikation von Hirnfunktionen nicht mehr darauf warten, dass sich jemand eine Eisenstange durch den Kopf schießt, und zum anderen zeigen diese Methoden deutlich, dass bestimmte Hirnareale zwar besonders gut in einer Sache sind, aber auch noch viele andere Aufgaben übernehmen und insgesamt alles mit allem zusammenhängt. Lokalisierungen von bestimmten Gebieten im Gehirn und die Zuschreibung bestimmter Fähigkeiten sind daher zwar verlockend, aber zumeist vereinfachend, weil sie die Komplexität der Interaktionen zwischen den Arealen vernachlässigen. Gerade was das Gedächtnis angeht, das so viele unterschiedliche Funktionen hat, können zwar bestimmte Areale für bestimmte Funktionen ausgemacht werden, sie kriegen das Denken aber nur in Zusammenarbeit mit anderen auf die Reihe. „Das Gedächtnis ist kein Ort, sondern ein Vorgang“, bringt der Neurobiologe Martin Korte das Problem rund um die Suche nach Gedächtnisfunktionen und Gedächtnisinhalten im Gehirn auf den Punkt. Die wichtigsten Player bei diesem Vorgang wollen wir uns nun in einem kleinen Kopfspaziergang genauer anschauen.b Dabei hangeln wir uns von Hirnareal zu Hirnareal. Wir blicken auf die größeren, spezialisierten Hirnbereiche (zum Beispiel Neokortex und Hippocampus) und zoomen auch in die zellulären Bestandteile (zum Beispiel Neurone und Synapsen) dieses Gewebes rein. Unseren Spaziergang beginnen wir dort, wo man hinschaut, wenn man von außen auf das Gehirn schaut. Dieser äußere Bereich wird Hirnrinde genannt oder auch … Neokortex
Manche Dinge sind zu Unrecht in Verruf geraten. Das Konzept Nächstenliebe zum Beispiel oder das Konzept Falten. Dabei sind Falten phänomenale Bauelemente, ohne die wir wenig Raum für Ratio hätten. Aber der Reihe nach! „Lernst du heute wieder aus dem Buch mit der komischen Nuss?“, fragte meine fünfjährige Tochter immer, wenn ich das Neurobiologiebuch anschleppte. Mit der „komischen Nuss“ meinte sie den Neokortex. Das typische Oberflächenrelief unseres Oberstübchens eben, das man von außen sehen könnte, wenn man die Schädeldecke gelüftet und das Hirn in Formaldehyd getaucht hätte, damit es nicht wegsuppt. Die komische Nuss haben wir relativ neu im Sortiment, sie ist quasi das Hirn-Upgrade wegen zu wenig Speicherplatz in den Vorgängerversionen. Als es unseren Vorläufermodellen nicht mehr reichte, ab und zu an einem Schachtelhalm zu kauen und wahlweise abzuhauen oder sich tot zu stellen, wenn ein Säbelzahntiger um die Ecke bog, rüstete das Hirn für Blockflöte, Quantenphysik und Spitzentanz auf. Dafür brauchte es mehr Speicherfläche. Allerdings ist anzumerken, dass beim Hirn die Größe nichts über Performance aussagt – wie auch bei anderen (weniger intelligenten) Körperteilen. Denn dann wäre der Pottwal mit seinem 8-kg-Hirn der beste Quantenphysiker unter den Erdenwesen und wir wären mit unseren 1,3-kg-Hirnen nur ein Kilo schlauer als ein Schwein. Auch Männer mit ihren etwas schwereren Hirnen wären intelligenter als Frauen. Sind sie aber nicht,8 weil es nicht die Masse ist, sondern die Kombination aus Hirngröße, (Neo-)Kortexdicke, Hirnwindungen, Zahl der Nervenzellen und Synapsen, die uns zur „Krone der Schöpfung“ mit Hang zu niederen Trieben macht. Vielleicht nicht das schönste, aber definitiv unser schlaustes Organ: unser Hirn mit seinem Neokortex Ob der Neokortex jetzt aber 300 oder 500 Millionen Jahre alt ist und in welchen genauen Etappen er und der Rest des Hirns sich entwickelten, ist noch nicht so hundertprozentig klar, weil unsere Vorfahren ihre Hirne nicht kurz nach dem Abdanken in Formaldehyd eingetunkt haben und weiche Gewebeteile wie unser Gehirn zwar auch, aber nicht ganz so leicht fossilisieren wie beispielsweise Knochen.9 Man geht aber relativ geschlossen davon aus, dass sich der sechsschichtige Neokortex aus dem dreischichtigen Kortex, wie ihn Reptilien haben, entwickelte und dass das irgendwann zwischen Trias und Juras passiert sein muss. Man sieht: Gut Ding braucht Weile. Und man sieht auch: Wir tragen alle immer noch ein bisschen „Jurassic Park“ in uns, weil etwa der Hippocampus dreilagig (geblieben) ist. Aber zurück zu den Falten: Unsere Entwicklung von der Empfängnis bis zur artgemäßen Endgestalt kann man sich (unter anderem) wie ein hochkomplexes Origami der Organe vorstellen. Da werden wir einmal ordentlich durchgefaltet, bis mehrere Meter Darm und mehrere Kilometer Nerven in 175 cm Mensch reinpassen. Wenn allein der Darm gestreckt in uns stecken würde, wären wir mindestens so groß wie ein Brachiosaurus und die Wohnungsnot in den Großstädten noch akuter. Aber wir sind von perfekter Größe, um nicht von einer Kuh zertreten zu werden oder täglich mehrere Exemplare davon verspeisen zu müssen, um auf die notwendigen Kalorien zu kommen. Evolutionsmäßig also alles richtig gemacht, vor allem im Hirn. Denn dass darin unsere ganze Welt Platz hat, die Gesichter und Namen von zig Menschen, das Aussehen und Erkennen von zig Objekten, alle unsere Erfahrungen, unsere Emotionen und unsere Persönlichkeitszüge, ist unter anderem den Falten zu verdanken, die wir auch „Hirnwindungen“ oder „Gyri“ nennen. Jede Falte ist ein kleiner Berg und zwischen den Bergen liegen bekanntlich Täler. Diese Hirntäler nennen wir „Sulci“. Das kann man sich leicht merken, meine Tochter sagte immer „Gyros mit Sauce“. Aber weder Sauce noch Suppe, sondern Synapsen und Neurone sind das Fundament unserer Hirnlandschaft. Diese kleinen Zellen sind die genialen Datenträger, die alle Gedächtnisinhalte für uns speichern und bei Anfrage in Echtzeit servieren. Farblich gesehen stimmt das mit den „grauen Zellen“ übrigens, der Neokortex ist grau von den Neuronen und deren Zellkörpern, die er beherbergt. Die grauen Zellen wären allerdings nichts ohne die weißen Nervenfasern, die wie Kabel im Inneren des Gehirns durch millionenfache Verbindungen die Neuronen verschalten. Deswegen...