E-Book, Deutsch, 544 Seiten
Pitkäkangas Die Gabe des Schattenkriegers
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-32656-2
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein epischer Fantasyroman über Liebe und Macht in einem fiktionalen Asien der Zukunft
E-Book, Deutsch, 544 Seiten
ISBN: 978-3-641-32656-2
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Nachdem die Welt von einem schrecklichen Krieg verwüstet wurde, nutzt der Staat Fusang seine Bürger eiskalt aus, um wieder auf die Beine zu kommen. Der 16-jährige Kong Dawei lebt in einem armen kleinen Bergdorf und versucht, die Bürgerschulden seiner Adoptivgeschwister zu bezahlen, indem er nachts Schmuggelware transportiert. Dies gelingt ihm mithilfe seines magischen Falkens Qiu. Doch dadurch gerät Dawei auch ins Visier des grausamen White Tiger Clans, der über Fusang regiert. Kurzerhand wird er in die Hauptstadt verschleppt, wo er zum Elitesoldaten ausgebildet werden soll. Dawei wird bald klar, dass er nichts mehr zu verlieren hat, und setzt deswegen alles daran, zurück zu seinen Lieben, seinem Bruder Ren und zu seiner großen Liebe Dray zu gelangen – koste es, was es wolle.
Ein fesselnder Fantasyroman, der durch kalte Berge und schwülwarme Städte, lärmende Basare, opulente Hallen und die Welt nach einem Krieg führt, in der der Wert eines Menschen in Geld gemessen wird.
Elina Pitkäkangas stammt aus Nokia, Finnland, und setzt sich aktiv für YA-Literatur ein. Sie hat Kreatives Schreiben studiert und ihren Master an der Universität Helsinki mit dem Schwerpunkt Literatur gemacht. In ihren Werken verbindet sie nahtlos Elemente aus der Fantasy mit Sozialkritik und moralischen Fragen. Sie wurde unter anderem mit dem Topelius-Preis, dem Literaturpreis der Stadt Tampere und dem Kuvastaja-Preis ausgezeichnet. Bisher hat sie fünf Romane veröffentlicht und postet regelmäßig Videos auf TikTok und Instagram unter @elinapitkakangas.
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2. Kapitel
Ich dachte noch immer über das hoffnungslose Ausmaß meiner Schulden nach, als ich Stunden später allein den steilen Bergpfad des Aachalendra hinaufging. Ich hatte Dray in Madang nach Hause begleitet, war aber bald darauf schon wieder in die Nacht entschwunden. Er hatte mir besorgt nachgeblickt. Dray hatte die bemerkenswerte Gabe, meinen wahren Gemütszustand zu erkennen, auch wenn ich mir alle Mühe gab, ihn zu verheimlichen.
Es war nie der Plan gewesen, in dieser Nacht etwas zu schmuggeln – Ren und ich arbeiteten zusammen, und während seiner Abwesenheit hatte auch ich mich von den Bergen ferngehalten –, aber was ich im Büro des Gouverneurs erfahren hatte, ließ mir keine andere Wahl.
Ich brauchte Geld. Und dafür wiederum Aufträge, die auf einen Schlag viel einbrachten. Ich würde mir die Hände wund schuften, um für Tantchen so viel wie nur möglich zusammenzuraffen, ehe meine eigene Frist ablief. Freie Tage konnte ich mir jetzt nicht mehr leisten.
Auf den kiefernbewachsenen Hängen herrschte nachts eine erbarmungslose Dunkelheit. Meiner Erinnerung folgend hangelte ich mich den immer steiler ansteigenden Bergpfad hinauf. Dort, wo es besonders unwegsam war, suchte ich Halt an stabilen Ästen und Felsbrocken. Mein Ziel war eine Pagode mit einer Reihe goldener Lampions an den Dachtraufen, durch die sich das Gebäude von der steil aufragenden Bergwand dahinter deutlich abhob. Ganz oben auf dem First sah ich drei Falken sitzen, die aussahen wie kleine Skulpturen aus Stein. Sie hatten die Schwungfedern im Schlaf angelegt und öffneten die Augen einen Spalt breit, als sie meine Schritte hörten.
Die Gebirgspagode hatte einst den Luohan gehört. Sie war ein beeindruckender Holzbau mit sechs Stockwerken, die je ein eigenes Dach hatten. Die grüne Farbe auf den tönernen Dachziegeln war im Laufe der Jahre grau geworden, und der Lack auf den roten Säulen war ebenfalls nicht mehr das, was er einmal gewesen war. Der Weg, der zur Pagode führte, war einst durch einen verheerenden Erdrutsch unpassierbar geworden, und so hatte man das Gebäude dem Verfall preisgegeben. Doch die Bianfu hatten es als perfekten Ort für ihre Versammlungen auserkoren. Die Pagode lag hoch genug, um die Behörden auf Abstand zu halten, denn selbst die trittsicheren Bianfu mussten an den Steilhängen Vorsicht walten lassen. Ohne die Seile, die als Kletterhilfe an den Ästen der Kiefern befestigt waren, wäre der Aufstieg reiner Selbstmord gewesen.
Das Wort »« bedeutete in der Sprache Fusangs Fledermaus. Damit bezeichnete man Namlas gefürchtete Drogenkuriere, denn genau wie Fledermäuse waren sie schnell und unauffällig, am nächtlichen Himmel fast unmöglich zu entdecken. Ihrem düsteren Erscheinungsbild zum Trotz waren Fledermäuse aber auch ein Symbol für Glück. Daher stellte man ihre Flügel oft mit roter Farbe in Form eines Rúyì-Zeichens dar, das für Glück und Stärke stand, denn in und steckte dieselbe Silbe. Das waren Ren und ich, glückbringende Fledermäuse.
Obwohl die Bianfu gefürchtet waren, genossen sie in Namla großen Respekt. Kleinere Lieferungen, so hieß es, brachte man jetzt, wo Kraftfahrzeuge verboten waren, am schnellsten ans Ziel, indem man junge Menschen mit flinken Beinen beauftragte. Anfangs waren die Taschen der Kuriere voller Briefe und anderer Botschaften gewesen. Später hatte sich das Volumen der Taschen vergrößert. Nun transportierten die Kuriere vorwiegend Rauschmittel, aber auch andere illegale Waren, wie zum Beispiel Waffen, was sie wiederum dazu zwang, ein Khukri mit sich zu führen. Die Straßen wurden strenger überwacht, und die Kuriere verlegten sich auf die Dächer. Sie verwendeten Routen, die andere nicht zu nehmen wagten, huschten des Nachts so flink und geräuschlos dahin, dass es ihnen den Spitznamen Fledermäuse eingebracht hatte. Wann immer eine Sendung etwas Heikles beinhaltete – etwas, das man vor dem staatlichen Himmelsnetz geheim halten wollte –, ließ man sie einen Bianfu überbringen.
Ich erinnerte mich, dass ich anfangs begierig darauf gewesen war, zu erfahren, was die Taschen enthielten, die ich überbrachte. Einmal hatte ich der Neugier nachgegeben und ein in Leinen gewickeltes Heilkraut genauer inspiziert, als Ren mich ertappte. Nie zuvor hatte ich ihn so wütend erlebt. Obwohl er ein Hitzkopf war, der schnell in die Luft ging, hatte er mich noch nie geschlagen. Ich hatte beobachtet, wie Eltern ihre Kinder mit dem Stock züchtigten. Hatte gesehen, wie ein Bianfu einem Rivalen sein Khukri tief in den Bauch gestoßen hatte. Rens Schlag auf meiner Wange jedoch war das Schlimmste, was mir nach dem Tod meiner Mutter widerfahren war.
Ich spürte die Scham immer noch auf der Haut brennen, obwohl seitdem mehr als drei Jahre vergangen waren.
Ren hatte mir beigebracht, mich um den Inhalt der Sendungen nicht zu scheren. Mir war bewusst, dass ich jede Woche illegale Waren schmuggelte. Dray und Tantchen zuliebe war ich jedoch verantwortungsbewusster als viele andere Bianfu. Zum Beispiel weigerte ich mich, Dinge zu transportieren, die das Leben der Menschen in Namla gefährden könnten. Darunter fielen auch Schusswaffen. Ren wäre durchaus für lukrativere Aufträge zu haben gewesen, aber da er mit mir zusammenarbeitete, musste er meine Bedingungen akzeptieren.
dachte ich.
Ich kam als einer der Letzten an der Bergpagode an. Sechs Personen in dunklen Gewändern saßen auf dem Holzboden und wärmten sich am Feuer. Sie tranken Buttertee und unterhielten sich in vertrautem Ton, teilweise in Gebärdensprache. Eine von ihnen, eine Frau, war deutlich älter als die anderen. Sie saß ein wenig abseits des Grüppchens und rauchte Pfeife. Ihre Augen waren trüb vom Grauen Star, die Haut im Gesicht faltig und schlaff. Trotz ihres Alters hatte sie die Beine mühelos zu einem Lotussitz verschränkt. Sie war eine ehemalige Bianfu, unser derzeitiger Kontakt. Wir nannten sie Frau Trizin.
»Dawei!«, rief ein junges Mädchen. »Dawei, setz dich hierher.«
Sie winkte mich heran. Sie trug einen cremeweißen Kaftan und einen Umhang aus Fuchspelz. Ihr pechschwarzes Haar war wie bei den meisten jungen Frauen in Namla zu zwei Zöpfen geflochten. Ihre Wimpern waren lang und dicht, und der warme Ton ihres Gesichts im Feuerschein erinnerte mich an die herbstlichen Weizenfelder kurz vor der Ernte, wenn sie die Terrassen goldbraun färbten. Das Mädchen war zart wie ein Vogel, sie war kleiner als die anderen Bianfu um sie herum, aber sie strotzte vor Selbstvertrauen, wie sie so breitbeinig dasaß.
Freyal Rawal war die Freundin meines Bruders und gehörte damit zur Familie. Sie war, im Vergleich zu uns, schon lange im Geschäft, obwohl sie nur drei Jahre älter war als ich. In meinen frühen Erinnerungen hatte Freyal auf dem Aachalendra-Bergfest für Aufruhr gesorgt, nachdem ihr einer der Männer aus dem Dorf einen Klaps auf den Hintern verpasst hatte. Der Alte hatte Glück gehabt, nicht sofort mit ihrem Khukri Bekanntschaft zu machen. Nach der Massenschlägerei hatte Freyal einen Schwall Blut ausgespuckt und mit fliegenden Zöpfen weitergetanzt, als wäre nichts geschehen. Ich glaube, das war der Augenblick, in dem Ren ihr mit Haut und Haaren verfallen war. Freyal Rawal war eine Klasse für sich.
»Taucht also doch noch einer von euch auf«, sagte sie, als ich mich neben ihr niederließ. »Ich hätte beinahe gewettet, ihr Kong-Brüder seid für immer von der Erdoberfläche verschwunden.«
, verbesserte ich sie.
»Ah ja … na, das erklärt dann wohl, warum du so spät dran bist«, kicherte Freyal und goss Buttertee in eine Tasse.
Ich schnaubte zur Antwort. Drays Vorliebe für die Verlockungen der Stadt war allgemein bekannt, und weil ich ihn ein paar Mal dort in Spielhallen begleitet hatte, wurde mir diese Neigung nun ebenfalls nachgesagt. Das war allerdings Unsinn. In Wirklichkeit war das einzige Spiel, das ich regelmäßig spielte, »Fingerraten« – und auch das nur ohne Geldeinsatz. Die kleinsten von Tantchens Kindern liebten dieses simple Spiel, bei dem sie erraten mussten, wie viele Finger ich hinter dem Rücken hochhielt.
Freyal hielt mir die Teetasse hin und fuhr fort: »Du weißt also nicht, wo sich dein großer Bruder herumtreibt?«
Ich nippte an dem heißen Getränk und antwortete ihr nicht. Tatsächlich hatte ich gehofft, Freyal die gleiche Frage stellen zu können.
»Hmm«, machte sie und legte die Stirn in Falten. Funken glühten in ihren großen dunkelbraunen Augen, als sie in die tanzenden Flammen der Feuerstelle starrte. »Eigentlich ist das gut. Ich hatte schon den Verdacht, Qiren wäre abgehauen, ohne mir etwas zu sagen, aber dir würde er das niemals antun. Wenn er sich von dir nicht verabschiedet hat, kommt er auf jeden Fall zurück.«
Freyal lächelte. »Sei nicht albern, Dawei. Qiren würde nie im Leben seinen lieben kleinen im Stich lassen.«
Bei den letzten Worten klang ihre Stimme zuckersüß und sie betonte jenes Wort besonders stark, das »kleiner Bruder« bedeutete und das Ren verwendete, wenn er über mich sprach. Ich verdrehte die Augen. Wie die Menschen mich behandelten, hätte unterschiedlicher nicht sein können. Wildfremde sahen mich als furchterregenden Bianfu, für Bekannte war ich Rens ernstes kleines Brüderchen. Freyal liebte es, meine...