Phillips / Martins | Handwerk hat blutigen Boden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Phillips / Martins Handwerk hat blutigen Boden

Kriminalgeschichten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95441-341-6
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalgeschichten

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-95441-341-6
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein guter Mörder versteht sein Handwerk

Kriminalgeschichten über Maurer, Schreiner und Tapezierer für Architekten, Schlosser und für Häuslebauer, die selbst vielleicht nicht nur den Schwamm im Keller haben.
Ob Rohrzange, Kreissäge, Vorschlaghammer, oder Spannungsprüfer – die Mordwerkzeuge werden in diesen mörderisch-munteren Geschichten so vielfältig wie raffiniert eingesetzt.

Da fährt der Bauunternehmer in die Grube, den Elektriker trifft der Schlag, und der Dachdecker wird ein Fall für den Abdecker. Meister, Gesellen, Lehrlinge und Kunden morden in der Tischlerei, im Malerbetrieb, im Architekturbüro und überall sonst, wo man noch auf solides Handwerk bauen kann.

Deutschlands fantasievollste Krimiautorinnen und -autoren haben sich, angeleitet von Mirjam Phillips und Toby Martins, alt-ehrwürdiger Handwerksberufe angenommen und eine blutige Spur zwischen Hobelspänen, Zementsäcken und Kabelsalat hinterlassen. Mit dabei sind unter anderem Reinhard Jahn, Manfred C. Schmidt, Regine Kölpin, Jürgen und Marita Alberts, Tatjana Kruse, Jürgen Ehlers, Sandra Lüpkes, Ralf Kramp, Nadine Buranaseda, Gunter Gerlach und Peter Godazgar.

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Der böse Blick des Bööggs
von Christoph Badertscher Waldmanns neuster Coup: die Expat-Kugel. Mietwohnungen der Luxusklasse mitten in Zürich, mit Seeanstoß und unverstellter Sicht – für Topmanager aus dem Ausland, die nur für ein paar Jährchen in die Schweiz kamen und nicht gleich eine Villa kauften. Oben und unten Appartements mit vier oder fünf Zimmern für Singles, in der Mitte Suiten für hochbezahlte Führungskräfte, die ihre Familie gleich mitbrachten. Neider behaupteten, die Wohnlandschaften seien ausladend genug, um darin Ehefrau und Geliebte unterzubringen, ohne dass diese Gefahr liefen, voneinander auch nur zu erfahren. Der Kugelform verdankte das Prachtstück auch seinen Übernamen. Die einen meinten mit »Blase« den kulturellen Hohlraum, in dem die des Deutschen nicht mächtigen »expatriates« sich bewegten. Die andern die Immobilienspekulation, welche die Preise in der Metropole in so schwindelerregende Höhen trieb, dass Einheimische sie sich kaum mehr leisten konnten. Die Dritten die vesica urinaria, an deren Farbe der spiegelnde Neubau erinnerte, wenn er das Morgenlicht auf die Schifflände warf: ein Organ mit geringem Prestige, aber umso höherem Nutzen, das selbst bei Millionären, die sich nur caffè macchiato und Grenache noire gönnten, gelegentlich geleert sein wollte. Der Spott kümmerte Waldmann wenig, denn der Bau versprach phänomenale Renditen. Ohnehin war er ganz damit beschäftigt, sein Wirkungsfeld an die Nordsee auszudehnen, wo er einen aufsehenerregenden Sitz für die größte Bremer Schifffahrtsgesellschaft bauen wollte. Um die Chancen auf den Zuschlag zu erhöhen, galt es, deren Besitzer an das Sechseläuten zu lotsen und bei einem gehörigen Gelage die geschäftlichen Beziehungen zu festigen. Die Bande in die Hansestadt war schon geknüpft, denn im Vorjahr wurde der Präsident des Zentralkomitees der Zürcher Zünfte zu der dortigen Schaffermahlzeit geladen, bei der das Haus Seefahrt um Spenden zugunsten Bedürftiger warb. Mit seiner generösen Gabe bereitete er unfreiwillig den Boden für Waldmanns Expansion. Dieser musste einzig noch dafür sorgen, dass an die Limmat nicht der offizielle Gast kam, nämlich der Vorsteher der Stiftung, welche den Bremer Traditionsanlass durchführte, sondern dessen Stellvertreter, Kapitän Smidt, der Besitzer ebenjener Reederei. Zu diesem Zweck sandte er in seiner Eigenschaft als Ehrenmeister der Zunft zum Leu dem Vorsteher als Vorgeschmack auf Zürcher Gaumenfreuden eine Schachtel leicht verderblichen Mandel-Eiweiß-Gebäcks mit Buttercreme-Füllung. Äußerlich überstand die nach einem mitteleuropäischen Großherzogtum benannte lokale Spezialität die Reise bei unüblich warmen Temperaturen gut. Der Beschenkte, ein Feinschmecker, der nach eigenen Worten weniger auf »deftig« als auf »dolce« stand, ließ niemanden daran teilhaben, sondern verschlang die Delikatesse trotz empfindlichem Magen ganz allein. Nach seinem Hinscheiden hielt sich hartnäckig das Gerücht, die Lebensmittelintoxikation sei die fatale Spätfolge des letzten tonnenschweren Sechsgängers mit Seefahrtsbier in der rauchgeschwängerten Oberen Rathaushalle. So saß beim Mittagessen vor dem Festzug durch die Zürcher Altstadt neben Waldmann denn ein kleiner, schweigsamer Kerl in Kapitänsuniform. Von der Unterhaltung verstand er nicht eben viel – zu dialektal war das Deutsch, zu hoch der Lärmpegel, zu gering seine Kenntnis der lokalen Sitten. Misstrauisch stocherte er im Geschnetzelten, als fürchte er, auf der kurzen Reise von der Küche bis zur Tafel sei das Kalb verdorben. Waldmann entschuldigte sich für das im Vergleich zum Bremer Schmaus frugale Mahl, zu dem nicht einmal Wein gereicht wurde; schließlich sollten die Reiter den Pferden nicht im Übermut die Sporen geben, noch ehe sie im Finale den Böögg umkreisten. Immerhin konnte er den Kapitän auf den Abend vertrösten, denn standen die Tiere erst einmal im Stall, floss für den Herrn so reichlich Rebensaft wie Wasser für den Hengst. Auch das Geschäftliche musste bis nach der Dämmerung warten. Der Gastgeber zählte fest darauf, dass beim Zuprosten nach überstandenem Ritt selbst der spröde Reeder etwas auftaute und die Nacht mit einem Handschlag endete. Vorläufig aber galt die Plauderei den seltsamen Zürcher Bräuchen. Waldmann machte Smidt mit der Stadtlegende vertraut, nach der Zürich nur ein schöner Sommer bevorstand, wenn der Kopf des Bööggs nach kurzer Zeit explodierte. Heftig stritten sich seine Mitzünftler darüber, woher die Bezeichnung für den Schneemann rührte, den man als Symbol für die kalte Jahreszeit verbrannte. Von »bogeyman« leiteten sie die Expats ab, von »Bösmann« die seriösen Sprachwissenschaftler, von »Buhmann« die Volksetymologen, von »Waldmann« seine zunftinternen Gegner. Für einmal war der Ehrenmeister froh, dass sein aufgedunsener Leib und sein kugelförmiger Kopf unübersehbare Ähnlichkeit zu der mit Holzwolle und Knallkörpern vollgestopften Winterfigur hatten. So ließ sich der Scherz mit einem gutmütigen, wenn auch etwas gezwungenen Lachen abtun. Damit das Gespräch nicht etwa auf die Zeitungsmeldungen kam, die seine Kontrahenten beflügelten, zählte er dem Kapitän mit lauter Stimme auf, was dem Böögg im Lauf der Jahrzehnte schon widerfahren war: zu früh angezündet, vom Holzstapel gefallen, in den See gekippt, von Aktivistinnen entführt. Überhaupt: die Frauenfrage – ein gefundenes Fressen. Obwohl er sich insgeheim viel lieber mit dreihundert Weibern in den Sattel geschwungen hätte, gab er sich vor Smidt als unnachgiebiger Verfechter der Zunft als Männerbund. »Wären wir doch so konsequent wie ihr in Bremen: ein paar weibliche Gäste nur im Nebenraum.« »Die Damen«, bestätigte Smidt trocken, »mögen eben keinen S-tockfisch und Pinkel.« »Wenigstens steht der Gesellschaft zu Fraumünster keine Reiterinnengruppe zu«, höhnte Waldmann. »Zwar tragen sie Kostüme aus der Zeit, als die Äbtissin der Stadt vorstand, doch durchqueren sie diese zu Fuß.« Als man die Pferde bestieg, blieb der Kapitän an Waldmanns Seite. Die Auszeichnung, den Ehrengast mitzuführen, kam der Zunft zum Leu zu, als der ältesten, die auf eine Handwerkervereinigung zurückging, jene der Ofensetzer. Faktisch bestand allerdings seit dem Vorletzten Jahrhundert keine Bindung mehr zu den Berufsleuten, die einst auch Fliesen und Mosaike Verlegten. Heute zählten zu den Mitgliedern Baulöwen, ein Konzertmeister, ein Zoo- und ein Gefängnisdirektor – alle in historischem Gewand. Da fiel eine Schiffsuniform, so exotisch sie sich zu Pferde ausnahm, nicht weiter auf. Kaum war der Tross gestartet, zum flotten Rhythmus des einst aus Preußen eingeführten »Marsches der freiwilligen Jäger«, hob sich Waldmanns Stimmung. Die ganze Stadt in Festlaune. Auch hatte das sich am Straßenrand drängende Volk bei der gestrigen Abstimmung in seinem Sinn entschieden: Künftig erhielten Expats auch ohne Vertrautheit mit einer Landessprache die Niederlassungsbewilligung, wenn sie zu den guten Steuerzahlern gehörten. Damit war die Vollbelegung der Kugel auf Jahrzehnte gesichert. Passend dazu marschierte hinter ihm der Finanzdirektor des Gastkantons Zug, der die Ausnahme ersonnen hatte. Während dem Regierungsrat jedoch keinerlei Aufmerksamkeit zuteilwurde, liefen zu den Reitern in Waldmanns Gruppe strahlende Frauen hin. Sie kredenzten Sträuße und erhielten dafür einen Kuss. Waldmann hingegen flog einer der Weißfische ins Gesicht, welche die Stubengesellen der Zunft zur Schiffleuten zuvor mit schlüpfrigem Lachen ins Publikum schmissen. Der schuppige Kadaver landete unter den Hufen seines Pferdes, das ausrutschte und um ein Haar zu Boden ging. Einen zweiten Fisch, der sein Ziel verfehlte, bekam Smidt ab. Er deutete ihn als zum Umzug gehörendes Brauchtum und nahm ihn so klaglos hin wie einen Wurf über die Reling aus stürmischer See. Waldmann wusste sehr wohl, aus welcher politischen Ecke der Angriff kam. Zum dritten Mal schon reichte eine kämpferische Gewerkschaft beim Staatsanwalt Klage gegen ihn ein, bloß weil ein indirekter Auftragnehmer, mit dem er nie etwas zu tun hatte, auf seiner Baustelle die Minimallöhne leicht unterbot und wegen Zeitnot ein paar unbezahlte Überstunden forderte. Zum Glück ahnte niemand, dass die Verspätung noch nicht aufgeholt und in der Kugel ein gutes Dutzend portugiesischer Plattenleger am Werk war – auch am heutigen Ruhetag, auch nach sechs Uhr. Das hätte Schlagzeilen gegeben! Hoffentlich erinnerte sich kein Zeitungsfritze daran, dass der Anlass auf das Frühjahrsfest zurückging, mit dem man bei der Tagundnachtgleiche den Arbeitsschluss zur sechsten Stunde feierte. Beim Kontermarsch...


Mirjam Phillips, 1958 in Bremen-Findorff geboren und aufgewachsen. Sie studierte Hispanistik und Amerikanistik in Großbritannien und verbrachte ein Jahr als Fremdsprachenassistentin und Lehrerin in Madrid, Spanien. Nach ihrer Lehrerausbildung in Großbritannien arbeitete sie fast zehn Jahre lang als Dozentin an einer Hochschule in Cambridge. 1993 kehrte sie nach Bremen zurück und unterrichtet seitdem Englisch und Spanisch am Gymnasium. Mirjam Phillips lebt heute im Bremer Süden und hat zwei erwachsene Kinder. Durch einen englischen Workshop vor drei Jahren entdeckte sie ihre Freude am Schreiben neu und kann nicht mehr damit aufhören.

Toby Martins, arbeitete als Journalist und hat sich durch zahlreiche Fach-Publikationen einen Namen gemacht.

Unter dem Pseudonym Brian Abercrombie veröffentlichte er Anfang der neunziger Jahre im Neuen Malik Verlag eine Thriller-Trilogie. Der erste Band "HOFFMANN" erschien 1991 auch in russischer Übersetzung beim Quadrat-Verlag in Moskau. Toby Martins lebt in Bremen und ist Mitglied der Krimi-Autorenvereinigung DAS SYNDIKAT. Im Buchfink-Verlag erschienen zwei Kriminalromane: "Die Trachtenpuppe" und "Tod einer Wahrsagerin"



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