E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Pfeifer Der letzte Sterz
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96041-405-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-96041-405-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein skurriler Kriminalroman aus der steirischen Idylle.
'Nicht Johann sollst du ehren, sondern Leuthold!' – Eigentlich ein schöner Satz. Aber mit Blut auf einen Sockel geschmiert wirkt er gleich etwas weniger schön. Und wenn auf dem Sockel statt der Statue des Erzherzogs Johann eine künstlerisch fragwürdige Betonfigur steht, ist das überhaupt nicht mehr schön. Und wenn in dieser Figur die Leiche eines Mannes steckt, dann gefriert einem leicht das Blut in den Adern. Hawelka und Schierhuber ermitteln und müssen bald auf einer steirischen 'Huabm' um ihr eigenes Leben fürchten.
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Prolog 7. Dezember »Der Erzherzog«, sagte der Erzherzog, »hat ja die Steiermark geliebt.« Er warf einen Blick in die Runde. Niemand wagte es, wegzusehen. Wie die Kaninchen vor der Schlange, dachte Hawelka. »Der Erzherzog«, fuhr der Erzherzog fort, »hat sich um die schöne Steiermark auch sehr verdient gemacht.« Wieder schienen seine stechenden Augen jeden Einzelnen zu fixieren. Obwohl das gar nicht geht, dachte Hawelka. Zumindest nicht alle gleichzeitig. »Der Erzherzog«, hob der Erzherzog jetzt die Stimme, »ist für die Steirer ein Heiliger!« Niemand verzog eine Miene. Obwohl es eine tödliche Gefahr bedeutet hätte, Hofrat Zauner mit seinem Spitznamen anzureden, wusste dieser mit Sicherheit, dass er seit gut zwanzig Jahren hinterrücks nur »Erzherzog« genannt wurde. »Den Erzherzog-Johann-Jodler singen dort schon die Kinder«, behauptete jetzt der Erzherzog, der mit Vornamen Johann hieß. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Wenn einer, nur ein Einziger der Beamten ein leises Schnaufen vor unterdrücktem Lachen hätte hören lassen, wäre die ganze Versammlung in hysterisches Gelächter ausgebrochen, wie ein Haufen pubertierender Knaben. Und dann … Aber das passierte nicht. »Und jetzt ist er gestohlen worden, der gute Erzherzog«, setzte der Erzherzog fort. »Nicht er persönlich, aber seine Statue vor einer Kapelle bei Stainz. Und damit der Sockel nicht so leer ist, haben die Raubersbuben einen anderen draufgestellt. Der ist aber nicht aus Stein, und aus Bronze ist er auch nicht. Der ist aus Fleisch. Aber weil das Fleisch schwach ist, hat man ihn ein bisserl mit Gips verziert. Einem Wanderer ist das trotzdem aufgefallen, dass sich der Erzherzog so verändert hat, und da hat der Wanderer dann die Kollegen angerufen. Und siehe da, wie die den Gips herunten gehabt haben, ist es dem Mann darunter gar nicht so gut gegangen, weil der doch schon ein paar Tage tot war. Und das ist kein Wunder, weil wenn man kein Blut mehr im Körper hat, dann ist das nicht g’sund. Der Amtsarzt hat gemeint, dass man ihm die Kehle durchgeschnitten hat und dann mit dem Kopf nach unten aufgehängt, damit er schön ausblutet wie eine Sau. Oder sagen wir, wie ein Saubär – weil’s ja ein Mann war. Vorher zumindest. Nachher nicht mehr, weil sie ihm da was weggeschnitten haben, vielleicht weil er es eh nicht mehr gebraucht hat, vielleicht aber auch, weil die Gipsfigur dann so komisch ausgeschaut hätt. Wie dem auch sei, der Erzherzog ist weg, und die Leich ist da. Und auf den Sockel haben die noch einen schönen Spruch gemalt – irgendeine Sauerei.« »Aber das ist doch was für die Grazer Kripo«, warf Henk ein. Die anderen atmeten auf. Endlich durfte man sich wieder bewegen, ohne sofort die Aufmerksamkeit des Alten auf sich zu ziehen. Übrigens war der Einwurf keine Heldentat von Henk, als Dienstältester und einer der erfolgreichsten Ermittler bei der Wiener Kriminalpolizei konnte er es schon einmal wagen, eine dienstliche Frage zu stellen. Auch wenn grundsätzlich niemand vor den Launen von Hofrat Johann P. Zauner gefeit war. Und tatsächlich … »Halten Sie mich für einen Polizeischüler, der die Zuständigkeitsbereiche nicht weiß?«, raunzte er Henk an. »Glauben S’, dass ich mit dem ganzen Club da nur plaudern will, weil mir so fad ist? Dass ich in der Nacht z’ Haus sitz und mir überleg, welche Raubersg’schichten aus die Bundesländer ich erzählen soll, damit meine Leut froh und munter bleiben?« Jüngere Beamte, die den Erzherzog noch nicht so gut kannten, hätten jetzt den Fehler gemacht, das Gesagte für eine Art Witz zu halten und pflichtschuldig zu lachen, um sich anzubiedern. Das wäre grundfalsch gewesen. »Und vom steirischen Tourismusverband bin ich auch nicht, dass ich Werbung mach für Stainz. Aber da gibt es die …« Hawelka schaffte es, den Monolog des Alten kurz auszublenden und die Möglichkeiten abzuwägen. Er kannte Zauner und hatte sofort durchschaut, worum es hier ging. Irgendeine Personalknappheit in der Steiermark, irgendeine ministerielle Weisung in Wien, irgendeine Unvereinbarkeit … es war ja auch ganz egal, hier ging es darum, dass sich in Kürze ein oder zwei Beamte in die Steiermark aufmachen mussten, und der Erzherzog traf gerade die Auswahl. »… weil wenn der Landeshauptmann mit der Ministerin telefonieren muss, dann beneidet ihn niemand. Ich sag Ihnen etwas, mich werden Sie nicht schlecht über Frauen reden hören. Das ist nicht meine Manier. Ich hab den größten Respekt vor die Frauen. Gehabt. Bis ich die kennengelernt hab. Ich hab mich gefürchtet, wenn die gegrinst hat. Obwohl ich mich sonst nicht fürchte, weil ich war im Krieg1, und da …« Hawelka rechnete sich gute Chancen aus, davonzukommen. Normalerweise veranstaltete Zauner nämlich kein Casting, sondern schickte einfach ihn und seinen Partner Schierhuber dorthin, wo es ungemütlich war. Aber dass er diesmal alle versammelt hatte, ließ hoffen. Außerdem hatte sich soeben Henk unabsichtlich empfohlen. »… ist mir wurscht, weil die Politiker mir im Mondschein begegnen können, und im Mondschein kriegen sie dann einen wunderbaren Eindruck von meinen edleren Körperteilen, und den Eindruck, den haben s’ dann noch lange im Gesicht. Und wenn es so schön heißt: ›Dann halte auch die andere Backe hin‹, dann zier ich mich nicht, und das ist dann wieder ein neuer Eindruck.« Die Tatsache, dass Hawelka und Schierhuber nicht automatisch ausgesucht worden waren, deutete auf einen wichtigen Fall hin, wo es nicht nur darum ging, wegen eines personellen Engpasses auszuhelfen, sondern darum, einen Fall von großem öffentlichen Interesse prestigeträchtig zu lösen. Hawelka atmete auf. Da kamen sie ohnehin nicht in Frage. Nicht weil er und sein Partner so schlechte Kriminalisten waren, sondern weil ihr Chef ihnen das nicht zutraute. Die Rangordnung beim Dezernat für Gewaltverbrechen und Mord in Wien war vom Erzherzog, bereits kurz nachdem er die Welt erschaffen hatte, in Stein gemeißelt worden, und keinem vernünftigen Wesen wäre es eingefallen, sie anzuzweifeln. »Aber da gibt es noch etwas. Befehle. Und ein Befehl ist ein Befehl, und auch wenn das bei der Frau Ministerin Weisung heißt, ist es trotzdem ein Befehl. Auch wenn sie sonst keine Ahnung von irgendwas hat – was ein Befehl ist, weiß sie schon, das hat sie gleich als Erstes gelernt, und jetzt hamma den Befehl …« Der Erzherzog war die Nummer eins, dann kam lange nichts und dann Gott, das war klar. Dann folgten die gewöhnlichen Sterblichen, und da war Henk der Erste unter Gleichen. Ein ruhiger Mann mit natürlicher Autorität, intelligent, erfahren und abgebrüht. Außerdem einer der wenigen, der den beiden spätberufenen Kriminalpolizisten Hawelka und Schierhuber von Anfang an korrekt und kollegial begegnet war, während die meisten anderen die zwei eher belächelt hatten, als sie, die als uniformierte Polizisten am Land Dienst gemacht hatten, sich nach Kursen und Prüfungen zur Wiener Kriminalpolizei versetzen ließen. »… aber so nicht! Ich bin ein seelensguter Mensch, der jeden Spaß mitmacht, aber bei so was mach ich nicht mit, weil das gegen die Menschenwürde ist.« Der Erzherzog hatte sich warmgeredet. Die Befehlsausgabe würde sich also noch hinziehen. Hawelka schaltete wieder auf Stand-by und betete zum hundertsten Mal die interne Rangordnung herunter. Eine Art masochistische Meditation. Also Henks Stellung war klar, und daran gab es ja auch nichts auszusetzen, weil Henk okay war. Nimmervoll, ein junger Offizier, der gleich nach Henk gereiht war und dem der Erzherzog erstaunlich selten die Leviten las, war auch zu Recht ganz vorne mit dabei. Aber die anderen? Sojka, der allgemein nur »Cowboy« genannt wurde und ständig selbst mit einem Bein im Kriminal stand? Dienstaufsichtsbeschwerden, Untersuchungsverfahren, Zwangsurlaube, ständige Versetzungen von einem Dezernat zum anderen, ewig lange Krankenstände – trotzdem war er nicht loszubekommen. Er betrachtete den Polizeidienst nur als Zweitjob zu seinen eigentlichen Geschäften, von denen er offensichtlich gut leben konnte. Schütz hingegen war ein junger, übereifriger Kollege, der hervorragend im Internet recherchieren konnte. Leider betrachtete er aber die Ermittlungen im Außendienst als eine Art Computerspiel, und da kam es schon einmal vor, dass die Projektile der Warnschüsse nur so durch die Gegend flogen. Außerdem liebte er vorläufige Festnahmen, die meistens nicht gerechtfertigt waren, wodurch er den Anwälten der Verdächtigen geradezu perfekt in die Hände spielte. »Und da sag ich dann: ›Ziehen S’ sich warm an, weil die Nacht wird immer kälter und die Nacht in der Weststeiermark besonders. Aber damit das kein Polizeiausflug wird, mit Haussulzjausen und Kernöl und einer Schilcherverkostung, werden mir nicht alle ins Deutschlandsbergische reisen, sondern nur zwei von Ihnen, weil die anderen braucht unser schönes Wien, damit die Pülcher da nicht übermütig werden und sich jetzt im Winter schon einen Lenz machen.‹« Gleich würde es so weit sein, gleich würden die Namen genannt werden. Hawelka ging die Liste weiter durch. Pollmann hatte hundertfünfzig Kilo (bei einer Körpergröße von eins siebenundsiebzig), Gerlitz war ein Prolet, wie er im Buche stand, und stellte sich bei den Ermittlungen so blöd an, dass die Fälle regelmäßig durch andere nachbearbeitet werden mussten. Hohlstein dagegen...