E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Petitcollin Ich passe nicht in diese Welt
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-641-29538-7
Verlag: Arkana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rettende Kommunikationsstrategien für Menschen, die zu viel denken
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-641-29538-7
Verlag: Arkana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gelungenes Miteinander statt sozialer Burn-out – das unverzichtbare Kommunikations-Coaching für mental hocheffiziente Menschen von der Autorin des Erfolgsbuchs: »Ich denke zu viel«.
Menschen, die zu viel denken und grübeln, stehen sich oft selbst im Weg, verheddern sich in ihren Gedankenschleifen und stoßen in ihrem Umfeld auf Unverständnis. Dabei besitzen gerade diese hochsensiblen Grüblernaturen enorme Fähigkeiten: ob den Sinn fürs Detail, ein überragendes Vermögen der Mustererkennung oder die Begabung zu einzigartigen kreativen Lösungen. Die Kehrseite dieser Disposition: Sie empfinden es als herausfordernd, wenn im sozialen Miteinander Small Talk oder Dresscodes gefragt sind. So gelten sie denn auch bei ihren Mitmenschen als schwierig, überernst und prätentiös. Umgekehrt haben sie oft das Gefühl, als ob sie einfach nicht in diese Welt passten. Hier schafft Christel Petitcollin mit ihrem Verständigungs-Guide Abhilfe, indem sie eine Brücke zwischen den Welten der »Normdenker« baut und jenen, die zu viel denken: Durch anschauliche Fallgeschichten, ermutigende Leitsätze und gezielte Techniken hilft sie den Betroffenen, die eigene Kommunikation in konstruktive Bahnen zu lenken. So entsteht ein wertschätzendes Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen, ohne sich verstellen oder verstecken zu müssen.
Christel Petitcollin ist Psychotherapeutin, Kommunikationstrainerin und Coach für zwischenmenschliche Beziehungen. Sie ist ausgebildet in NLP, Transaktionsanalyse und Hypnotherapie nach Erickson. Mit ihrem erfolgreichen Longseller und Grundlagenwerk zur mentalen Hocheffizienz »Ich denke zu viel« hat sich Petitcollin auch in Deutschland einen Namen gemacht. Die Autorin lebt und arbeitet in Montpellier, Frankreich.
Weitere Infos & Material
1.
Die Segnungen des Small Talk
Als ich meine kleine Umfrage durchführte, um herauszufinden, welche Aspekte der Neurotypikerwelt Sie gern verstehen würden, kehrte ein Punkt regelmäßig wieder: endlich zu begreifen, warum die üblichen Unterhaltungen immer derart langweilig sind!
Sie haben mir geschildert, was Ihnen am meisten auf die Nerven geht und was Sie am allerwenigsten begreifen: warum manche Menschen so viel Zeit mit ödem Gequatsche zubringen, mit hohlem Geplapper über triste Themen. Diese ebenso fruchtlosen wie klischeehaften Gespräche über Nichtigkeiten schienen Ihnen unerträglich. Sie haben mir geschrieben: »Ich kann einfach nicht reden, ohne etwas zu sagen. Mir ist so sterbenslangweilig dabei, dass ich am liebsten schreien würde.« Daher schien es mir angemessen, unseren Ausflug in die Welt der Normdenker mit diesem Aspekt der Kommunikation zu beginnen.
Die Vokabeln, die Sie am häufigsten verwendeten, um solche Gespräche zu beschreiben, waren: langweilig, nervtötend, ermüdend, sinnlos, hohl und vor allem unerträglich! Ich möchte Sie einladen, das mal anders zu sehen, nämlich als: ruhig, friedlich, beruhigend, entspannend und vor allem harmlos! Von allem und jedem zu reden und stets an der Oberfläche zu bleiben, erspart so manchen Kummer. Lassen Sie mich im Folgenden die Vorteile einer solchen unverbindlichen Gesprächskultur aufzählen.
Man vermeidet Streit
Anlässlich eines Abendessens bei Freunden fing ein normalerweise ganz leidlicher Zeitgenosse an, einen bekannten Chansonnier zu kritisieren, weil er zwar schon sehr reich war, aber immer noch damit »Kohle machte«, dass er unglaublich schmalzige Chansons sang. Dieses süßliche Geträller sei doch nichts anderes als »Publikumsverarsche«. Dummerweise berücksichtigte ich nicht, wie hoch der Alkoholspiegel bei meinem Gesprächspartner schon war, und ließ mich auf eine Diskussion ein: Chansons seien doch schließlich dafür da, angenehme Gefühle zu erzeugen. Er beharrte auf seinem Standpunkt: Das Ganze sei nur kommerzieller Mist. Je mehr Argumente ich vorbrachte, desto mehr redete er sich in Rage. Schließlich ging unser Gastgeber mit einem Witz dazwischen, um die aufgeladene Stimmung zu entschärfen. Dann wechselte er geschickt das Thema. Mein Gegenüber beruhigte sich sofort wieder, während ich ihn immer nur weiter auf die Palme getrieben hatte. Diese Lektion habe ich gelernt: Es bringt gar nichts, recht zu haben.
Nun überlegen Sie mal, wie so ein Gespräch über ein wichtigeres Thema enden könnte: Bildung, Politik, Klimawandel, Verteilung von Reichtümern etc. Können Sie sich vorstellen, wozu das führt? Jeder von uns hat seine persönliche Meinung und steht den meisten Fragen eher emotional als rational gegenüber. Natürlich bestehe ich auf meiner Ansicht. Es ist schließlich meine Meinung! Aber die anderen haben nun einmal auch ein Recht auf die ihre! Da müssen nur wenige Worte hin- und herfliegen, und schon steht man vor einem Faustkampf. Glauben Sie tatsächlich, dass wir uns so gegenseitig überzeugen können? Falls ja, dann täuschen Sie sich: Die Wissenschaft hat bewiesen, dass jeglicher Widerspruch die Menschen nur in ihrer ursprünglichen Meinung bestärkt.3 Was für einen Sinn hat eine solche Debatte dann? Außer natürlich, Sie wollen Ihrer Umwelt ordentlich die Meinung sagen und die Bande zwischen den Menschen zerreißen. Also ist es durchaus sinnvoll, in seichten Gewässern zu plätschern und kontroverse Themen zu vermeiden. Es ist ja nichts Verwerfliches daran, dass jener Chansonnier mit seinen schmalzigen Songs jede Menge Geld verdient hat!
Abgesehen davon: Wer regt sich denn als Erster auf über Hatespeech im Internet? Wenn man nur hübsche Kätzchen und andere süße Bildchen postet, dann sind die Besucher Ihrer Seite schnell ein Herz und eine Seele, und Sie treten niemandem auf die Füße. Genau das ist der Sinn und Zweck von Gesprächen über neutrale Themen.
Man vermiest niemandem die Stimmung
Da Menschen, die zu viel denken, triviale Unterhaltungen verschmähen, bringen sie immer Themen aufs Tapet, die wirklich »sehr wichtig« sind, um eine »echte« Debatte über das Ende des Lebens, den Umweltschutz oder die Korruption der Eliten loszutreten … Und schon ziehen Wolken am Himmel auf. Wer einfach nur gekommen ist, um Spaß auf einer Grillparty zu haben, dem ist nun die Stimmung verhagelt.
Wenn man mich fragt, was ich beruflich denn so mache, und ich ehrlich antworte, dann macht mich das unweigerlich zur Spaßbremse: Das Gespräch wird sich nur noch um Manipulatoren drehen und um das Leid, das sie ihrer Umwelt verursachen. Ich muss dann den lieben langen Abend den anderen Partygästen kostenlose Ratschläge erteilen, denn jeder von uns kennt ja mindestens einen Manipulator, der uns das Leben vergällt: Also mache ich Überstunden!
Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Mittlerweile gehe ich dem Thema aus dem Weg: »Ach, aber ich habe so gar keine Lust, jetzt über die Arbeit zu reden! Schließlich sind wir doch hier, um uns zu entspannen!« Und dann wechsle ich ganz schnell das Thema. Eine Freundin hat mir einmal einen anderen Rat erteilt: »Du musst nur sagen, dass du Buchhalterin bist. Damit ist das Thema todsicher vom Tisch.« Ausprobiert habe ich es aber noch nicht.
Man entgeht der emotionalen Ansteckung
Einige Jahre lang hielt ich Seminare für Führungskräfte. Ich gab Kurse in ganz Frankreich, und immer für Menschen, die sich bereits kannten und gut verstanden. Diese Managerseminare mochte ich wirklich gern. Erstens, weil die Teilnehmer einen gemeinsamen Wertekanon teilten – sie fühlten sich einem humanistischen Managementstil verpflichtet. Und sie waren zweitens auch persönlich ganz honette Menschen. Was mich aber am meisten verblüffte, war der Zusammenhalt, der diese Gruppen verband. Ich habe sie während der Kaffeepausen beobachtet, weil ich hoffte, das Geheimnis dieses sozialen Zusammenhalts zu lüften. Die Gespräche schienen mir banal, uninteressant, aber freundlich. Ein absolutes Rätsel!
In einer dieser eng verflochtenen Gruppierungen bat man einmal eine Teilnehmerin zu berichten, was es Neues gäbe von ihrem politischen Engagement. Am Wochenende zuvor hatten die Kommunalwahlen stattgefunden, und sie hatte sich in ihrem Ort um das Amt der Bürgermeisterin beworben. Sie erzählte, dass sie verloren hatte und dass der Wahlkampf ihres Gegners vor allem in einer gegen sie gerichteten Schmutzkampagne bestanden habe. Offensichtlich hatte sie eine wirklich schwere Erfahrung hinter sich und war davon ehrlich erschüttert. Doch die Gruppe kommentierte die ganze Angelegenheit mit ein paar flüchtigen Bemerkungen, wünschte ihr mehr Glück für das nächste Mal und ging dann zu einem anderen Thema über. Ich konnte sehen, wie die Frau mit ihren Gefühlen kämpfte, ihre Tränen hinunterschluckte und sich bald wieder ins Gespräch mischte, trotz dieser schwierigen persönlichen Erfahrung.
Ich fand es damals von den Beteiligten grausam, die Arme einfach so ihrem Schicksal zu überlassen. Sie hätten es vermutlich genauso empfunden! Wären Sie dabei gewesen, hätten Sie sich aufopfernd um die Ärmste gekümmert, sie getröstet, sie ermutigt, sich das Erlebnis von der Seele zu reden. Sie hätten ihr den Rücken gestärkt und vermutlich einige höchst kritische Worte über den unverschämten Wahlkampfgegner verloren … Aber dafür war das Seminar nicht der richtige Ort. So ein Verhalten hätte den ganzen Seminartag scheitern lassen. Aber das habe ich erst später verstanden. Es gehörte zu den Stärken dieser Managergruppen, dass sie persönliche Sorgen außen vor ließen und berufliche Probleme auf das beschränkten, was sie »die Werkstatt der Lösungen« nannten. Tatsächlich achteten alle sehr genau darauf, dass das Seminar in einer ruhigen, heiteren und entspannten Atmosphäre stattfand.
Christophe Maé, ein französischer Chansonnier, singt in seinem wunderbaren Lied :
»Das Leben ist eine Bühne, daher spiele ich Theater.
Sage, alles sei super, trotz aller Hindernisse.
Mama hat mir immer gesagt, Junge, du darfst nicht alles erzählen.
Nicht weinen, das heißt Manieren zeigen.
Also lächelt man, um nicht mehr traurig zu sein.
Man kann sich verstecken, wir sind ja alle Künstler …«4
In die gleiche Kategorie fällt die Frage: »Na, wie geht’s denn?« Das ist einer der klassischen Stolpersteine zwischen Normdenkern und Hocheffizienten. Letztere kritisieren an den Normdenkern gern, dass sie auf diese Frage hin nicht mal die Antwort abwarten, vor allem, wenn es eben nicht läuft. Tatsächlich muss man sich klarmachen, dass dies keine ernst gemeinte Frage ist, wie Christophe Maé dies tut. Es ist eher eine Redensart, mit der man ein Gespräch einleitet. Man fällt ja schließlich nicht einfach mit der Tür ins Haus. Nein, es ist keine Heuchelei, sondern schlicht und einfach Höflichkeit. Und diese verlangt, dass wir darauf mit einem »Gut, danke der Nachfrage!« antworten. Und nicht die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und vor dem anderen unser ganzes Leben ausbreiten.
Da jeder Mensch schließlich Probleme hat, sollten wir andere nicht mit unseren persönlichen Sorgen belasten. Christophe Maés Mama hat absolut recht: Man kann nicht immer große Wäsche machen. Es ist durchaus angebracht, seine Tränen zurückzuhalten. Das ist eine Frage des Takts. Wenn man Sie also das nächste Mal fragt: »Na, wie geht’s denn?«, dann nehmen Sie das als Zauberwort und Anstoß, um sich zu sagen: »Ich kann durchatmen, mich strecken, meine Seelenzustände...