E-Book, Deutsch, Band 116, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
Petersen Familie mit Herz 116
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-2450-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Verglüh nicht, kleiner Stern
E-Book, Deutsch, Band 116, 64 Seiten
Reihe: Familie mit Herz
ISBN: 978-3-7517-2450-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Begeistert klatschen die Kinder der kleinen Zirkusprinzessin zu. Was für gewagte Kunststücke Anouk auf dem Rücken des Ponys vollbringt!
Wer ahnt schon, was es für ein fünfjähriges Kind bedeutet, jede Stunde des Tages mit hartem Training zu verbringen? Wer sieht die Tränen, die Anouk weint, wenn ihr Vater sie mit roher Gewalt zu immer gefährlicheren Übungen zwingt? Denn Anouk ist die Hauptattraktion des verschuldeten Familienunternehmens.
Und dann kommt der Tag, an dem das überforderte Mädchen in der Manege zusammenbricht. Ein kleiner Stern droht zu verglühen - doch da ist Anouks Mutter, die endlich erkennt, dass sie um ihr Kind kämpfen muss ...
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Verglüh nicht,
kleiner Stern Zirkuskind Anouk bricht in der Manege zusammen Von Julie Petersen Begeistert klatschen die Kinder der kleinen Zirkusprinzessin zu. Was für gewagte Kunststücke Anouk auf dem Rücken des Ponys vollbringt! Wer ahnt schon, was es für ein fünfjähriges Kind bedeutet, jede Stunde des Tages mit hartem Training zu verbringen? Wer sieht die Tränen, die Anouk weint, wenn ihr Vater sie mit roher Gewalt zu immer gefährlicheren Übungen zwingt? Denn das Kind ist die Hauptattraktion des verschuldeten Familienunternehmens. Und dann kommt der Tag, an dem das überforderte Mädchen in der Manege zusammenbricht. Ein kleiner Stern droht zu verglühen – doch da ist Anouks Mutter, die endlich erkennt, dass sie um ihr Kind kämpfen muss ... In Rottach am Tegernsee herrschte unter den Kindern große Aufregung. Seit Tagen gastierte am Ortsrand ein kleiner Zirkus. Er hatte keine besonderen Sensationen zu bieten, sondern man schien sich mühsam durchzuschlagen, aber Kinder lieben nun einmal alles, was ihnen im Zirkus geboten wird. Die fünfunddreißigjährige Sarah Bohm, Frau eines Unternehmers, war mit ihren beiden Kindern Ben und Emma auch unterwegs. Der Achtjährige und seine um drei Jahre jüngere Schwester hatten nicht eher Ruhe gegeben, bis sie zum zweiten Mal den Zirkus Sarelli besuchen durften. Besonders hatte es ihnen dort ein kleines Mädchen angetan, das waghalsig ein Pony ritt. Sie war schon im ganzen Ort als die niedliche Anouk bekannt. In dem kleinen Zelt, das aussah, als könne es ein stärkerer Wind davonwehen, merkte Sarah Bohm, dass ihre kleine Emma immer zappeliger wurde. Sie beachtete die verschiedenen Nummern kaum und schien nur auf Anouks Auftritt zu warten. Endlich betrat die kleine Zirkusprinzessin die Manege mit ihrem braun-weiß gefleckten Pony. Es war richtig beängstigend, wie das gerade fünfjährige Mädchen sich auf dem Tier bewegte und sogar einen Handstand im Galopp wagte. In dem kurzen weißen Rüschenkleidchen mit der blauen Schleppe und mit dem bunten Blumenkranz im Haar sah sie wirklich besonders niedlich aus. Sarah Bohm aber, die Kinder über alles liebte und meistens mit ihnen fühlte, sah ernst und besorgt drein. Ihrer Nachbarin flüsterte sie zu: »Ich finde, dass es eine Schande ist, wenn ein so kleines, zartes Kind derart ausgebeutet und strapaziert wird. Die Kleine bräuchte erst einmal etwas mehr Speck auf den Hüften.« »Ja, diese Anouk sieht nahezu unterernährt aus«, flüsterte die Nachbarin zurück. »In ihrem lieben Gesichtchen ist nicht die geringste Freude, und der Applaus scheint Anouk nichts zu bedeuten. Auf mich macht sie den Eindruck eines unglücklichen, gequälten Kindes.« Ben und Emma machten sich darüber keine Gedanken, sie bewunderten Anouk nur und hätten sie am liebsten mehrere Male gesehen. Auf der Heimfahrt sprachen sie noch immerzu von ihr und schwärmten dann ihrem Vater vor, was sie gesehen hatten. Er sprach später mit seiner Frau darüber und fragte: »Du bist wohl nicht so begeistert, Sarah?« »Nein, das bin ich nicht, Thomas. Mir tut das kleine Mädchen nur leid. Ich glaube, dass es ein ganz unglückliches Kind ist.« »Ja, das Artistenleben ist hart«, meinte Thomas Bohm und sah seine Frau forschend an. Er kannte ihr gutes Herz und wusste, dass ihr das Zirkuskind noch lange nicht aus dem Sinn gehen würde. ??? Während sich die Kinder von Rottach noch immer an Anouks Kunststückchen begeisterten, saß sie müde und erschöpft im Wohnwagen. Sarah Bohms Vermutung stimmte: Dieses kleine Mädchen wurde jeden Tag überfordert. Nie durfte es Kind sein, immer wurde nur von der Arbeit gesprochen, stets musste es etwas Neues einüben, denn es war die Hauptattraktion des Zirkus. Er gehörte Mario Kaluza, einem vierzigjährigen Mann, der sich in vielen Berufen geübt hatte, aber in jedem gescheitert war, bis er die Idee gehabt hatte, einen kleinen Zirkus zu gründen. Mario war ein harter, zynischer Mann. Das bekam besonders seine Frau Inès zu spüren. Sie passte nicht in die Zirkuswelt und hatte schon oft bereut, Mario geheiratet zu haben. Die blonde Anouk trug zwar den Namen Kaluza, aber sie war nicht das leibliche Kind von Inès und Mario. Die beiden hatten sie adoptiert, als Inès' Schwester – Anouks Mutter – vor drei Jahren an Leukämie gestorben war. Es war niemand anderes dagewesen, der sich um Anouk hätte kümmern können, und so hatte sich schließlich Inès ihrer angenommen. Sie hing mit großer Liebe an ihrer Nichte, die nun ihr Adoptivkind geworden war. Mario empfand nichts für das kleine Mädchen. Ihm diente es nur dazu, mit ihm eine Hauptattraktion für seinen Zirkus zu haben. Immer wieder trieb er Anouk an und dachte sich neue Nummern für sie aus. Eine jede war zu schwer und zu gefährlich für das zarte Kind. Inès konnte das kaum noch mitansehen. Bei jedem Auftritt von Anouk fürchtete sie, dass ein Unglück geschehen würde, aber sie konnte sich nur selten gegen ihren herrischen Mann wehren. Heute versuchte sie es wieder einmal. »Lass Anouk doch etwas Ruhe, Mario. Du musst nicht schon wieder eine neue Nummer mit ihr einüben. Was sie kann, ist genug. Wir haben doch eine Verantwortung übernommen, als wir Anouk adoptiert haben. Dieser Verantwortung werden wir nicht gerecht, wenn wir sie so strapazieren.« Inès strich sich das blonde Haar aus der Stirn. Ihr Gesicht sah abgehärmt aus, und man hätte sie auf vierzig Jahre schätzen können, obwohl sie erst dreiunddreißig war. Mario, ein untersetzter, dunkelhaariger Mann, sah seine Frau spöttisch an. »Immer dasselbe Lied. Wann wirst du mir endlich wegen der kleinen Göre nicht mehr in den Ohren liegen? Meinst du, ich wollte ein Wohltäter sein, als ich sie adoptiert habe? Es hat dann noch lange genug gedauert, bis sie für den Zirkus zu gebrauchen war. Jetzt aber will ich es nutzen, dass sie uns zur Verfügung steht. Du solltest etwas vernünftiger sein, denn du jammerst am meisten darüber, dass wir immer so knapp bei Kasse sind. Ohne Anouk wäre das noch schlimmer.« Inès schien das alles nicht gehört zu haben. »Ich ertrage den Gedanken nicht, dass Elodies Kind so ausgenutzt wird. Was würde meine Schwester dazu sagen, wenn sie das wüsste?« Mario lachte bösartig. »Elodie hat sich von irgendeinem Mann ein Kind anhängen lassen und ...« »Aber sie hat ihr Kind geliebt!«, unterbrach ihn seine Frau heftig. »Und ich liebe Anouk auch. Sie ist mir wie ein leibliches Kind geworden. Ich bitte dich, Mario, nimm etwas mehr Rücksicht auf sie, sonst bricht sie uns eines Tages zusammen. Sie ist doch nur mehr ein Häufchen Elend!« »Hör endlich mit diesem Rumgezicke auf. Ich habe anderes im Sinn, als dir zuzuhören.« Mario warf die Hände hoch. »Ich bin ein gebeutelter Mann. Zuerst habe ich solch einen Fehlgriff mit dir getan und nun das Theater um das Kind. Wann wirst du endlich begreifen, dass man in einem Zirkus aus etwas härterem Holz geschnitzt sein muss? Wenn du weiter so zimperlich bleibst, werde ich mich nach einer anderen Frau umsehen müssen, die besser zu mir passt.« Schon wollte Inès darauf erwidern, dass es wohl das Beste wäre, sich zu trennen, denn sie traute sich zu, sich auch mit anderer Arbeit durchschlagen und für Anouk sorgen zu können, aber sie hatte wieder einmal nicht den Mut dazu. Zu stark stand sie unter dem Einfluss ihres Mannes. Mario setzte sie seit jeher derart psychisch unter Druck, dass er immer seinen Willen bekam. Und von Tag zu Tag spürte sie mehr, dass sie kaum noch einen Funken Selbstbewusstsein besaß. So ließ sie auch heute das Thema auf sich beruhen, weil sie fürchtete, dass ihr Mann sonst wieder aus der Haut fahren würde. Schon mehrere Male hatten sie und Anouk zu spüren bekommen, was das bedeutete. Er scheute sich nicht zuzuschlagen, wenn er in Wut geriet. Als Mario sich entfernt hatte, holte sie Anouk aus dem Wohnwagen und forderte sie auf: »Komm, wir machen einen kleinen Spaziergang. Ich habe gerade etwas Zeit.« Sofort kam Anouk gelaufen und schmiegte ihre kleine Hand fest in die ihre. Ihre blauen Augen hatten sich etwas aufgehellt, und sie sah nicht mehr ganz so mitgenommen aus. »Am liebsten bin ich mit dir allein, Mama«, sagte sie mit ihrer hellen Kinderstimme. Da sie Inès seit ihrem zweiten Lebensjahr Mama nannte, wusste sie gar nicht, dass sie eigentlich nur ihre Tante war. Noch niemand hatte ihr erzählt, dass ihre leibliche Mutter gestorben war. Sie hielt auch Mario für ihren Vater. Inès ging mit Anouk aus dem Ort hinaus, bis sie ins Grüne kamen. Anouk konnte sich über alles freuen, was sie zu sehen bekam. Plötzlich war sie ein anderes Kind, aber sie konnte dennoch nicht ganz vergessen, wie schwer ihr Leben sonst war. Zaghaft fragte sie: »Mama, werden wir immer im Zirkus sein müssen? Ich muss doch auch bald in die Schule gehen.« »Das hat noch etwas Zeit, Anouk«, antwortete Inès. »Vielleicht wird es bis dahin leichter für...