E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: marixwissen
Peters Die Azteken
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8438-0582-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mythos und Wirklichkeit
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: marixwissen
ISBN: 978-3-8438-0582-7
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Azteken oder Mexica, wie sich selbst nannten, gehören zu den bekanntesten vorspanischen Kulturen Amerikas. Meist denkt man dabei zuerst an Menschenopfer und Kriege. Weniger bekannt ist, dass diese Hochkultur sich zum Beispiel durch Schrift und Kalender sowie Philosophie, Theologie und Dichtung auszeichnete.
Als kleine, unbedeutende Gruppe von Einwanderern im Hochtal von Mexiko passten sich die Azteken schnell ihren Nachbarvölkern an und stiegen ab 1430 zur mächtigsten Herrschaftsmacht in Mittelamerika auf. Die spanische Eroberung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán unter Hernan Cortés 1521 beendete diese kurze Herrschaftszeit. Die Azteken überlebten Unterdrückung und Ausbeutung während der Kolonialzeit und bilden heute als Nahua die größte indianische Ethnie in Mexiko.
Der vorliegende Band befasst sich mit der Geschichte der Azteken, der ihrer Vorgänger- und Nachbarkulturen, schildert die Eroberung durch die Spanier sowie die sich anschließende Kolonialzeit bis in die Gegenwart. Den Leser erwartet eine spannende Begegnung mit einer der faszinierendsten Hochkulturen der Geschichte.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
DAS TAL VON ANÁHUAC – GEOGRAFISCHER UND KULTURELLER KONTEXT
Der geografische Schauplatz der aztekischen Geschichte
Von dort aus sahen wir alle zum erstenmal die
große Zahl der Städte und Dörfer, die mitten
in den See gebaut waren, und die noch weitaus
größere Zahl der Ortschaften an den Ufern,
und schließlich die sehr gepflegte, kerzengerade
Straße, die in die Stadt Mexiko führte.4 Anáhuac (= »Land nahe dem Wasser«) wird die Heimat der Azteken, das Hochtal von Mexiko, auch genannt und ihre Hauptstadt lag, wie es Bernal Díaz del Castillo (1490–1584) in dem angeführten Zitat als erster europäischer Augenzeuge beschreibt, in einem See. Dieses Hochtal liegt 2240 m über dem Meeresspiegel, im Westen, Osten und Süden umgeben von den höchsten, schneebedeckten Vulkanbergen des heutigen Staates Mexikos, dem Pico de Orizaba bzw. Citlaltépetl (5636 m), dem Popocatépetl (= »rauchender Berg«, 5462 m) und dem Itzaccíhuatl (= »liegende Jungfrau«, 5230 m). Die Länge des Hochtals von Norden nach Süden beträgt ca. 100 km, von Osten nach Westen ca. 60 km. Insgesamt bedeckt es eine Fläche von ca. 650 km2. Das Zentrum des Hochtales war von fünf miteinander verbundenen Seen geprägt und zwar dem See von Zumpango, von Xaltocan, Xochimilco, Chalco und von Texcoco. Heute sind davon nur noch minimale Reste übrig. Die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán lag auf einer Insel im See von Texcoco, der sein Wasser durch Quellen im Süden erhielt, aber abflusslos war. Entsprechend bestand der südliche Teil des Sees aus Süßwasser, der nördliche aus Salzwasser. Die Spanier führten das Wasser des Seengebietes durch einen Kanal in den Pánuco-Fluss ab, der in Veracruz in den Atlantik mündet. Schon Anfang des 17. Jh.s waren die Seen infolgedessen mehr oder weniger trockengelegt. Im 20. Jh. wurde dem Texcoco-See nochmals Wasser abgeführt, um noch mehr Landfläche zu gewinnen. Das Hochtal von Mexiko ist in Vegetation und Klima den Alpen ähnlich. Die Jahreszeiten von Sommer und Winter sind nicht so entscheidend wie die Trocken- und Regenzeit. Die Trockenzeit dauert von Oktober bis Mai, die Regenzeit von Juni bis September. Auch die Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten sind nicht so stark wie die zwischen Tag und Nacht, die vor allem im Winter durchaus 16–20 °C betragen können. Die Tageshöchsttemperaturen liegen im Sommer bei 25–30 °C, im Winter bei 20–25 °C. Im Winter können die Nachttemperaturen unter 10 °C absinken, und manchmal kann es sogar Frost oder Schnee geben. Geografisch gehört Mexiko-Stadt wie auch der größte Teil des Staates Mexiko zu Nordamerika. Nur der südliche Teil des heutigen Staates gehört ab der Höhe des Isthmus’ von Tehuantepec zu Zentralamerika, der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika, die bis Panama bzw. Kolumbien reicht. Zählt man die Westindischen Inseln dazu, so spricht man statt von Zentralamerika auch von Mittelamerika. Die Gesamtfläche des Staates Mexiko beträgt mit 31 Bundesstaaten und der Hauptstadt Mexiko-Stadt, dem Distrito Federal, 1 972 550 km2 – Mexiko ist somit sechsmal größer als Deutschland (357 340 km2). Die aztekische Kultur war nicht die einzige, sondern eine von vielen mesoamerikanischen Kulturen: Unter dem Begriff Mesoamerika werden in der Altamerikanistik die Vorläufer- sowie Nachbarkulturen der Azteken zusammengefasst. Dazu gehören vor allem die Kulturen der Olmeken, die von Teotihuacán, die der Zapoteken, Mixteken, Totonaken, Tolteken und der Maya. Der Altamerikanist Paul Kirchhoff führte diesen Begriff 1943 ein, um damit unabhängig von den modernen Staatsgrenzen das Ausbreitungsgebiet bzw. Kulturareal der vorspanischen Hochkulturen zu bezeichnen. Die Grenze Mesoamerikas in Nordmexiko entspricht ungefähr dem Verlauf der Flüsse Rió Pánuco und Rió Lerma. Im Süden gehörten neben Mexiko die heutigen Staaten Guatemala, Belize, El Salvador und Honduras, zu gewissen Zeiten auch Nicaragua und Costa Rica zu Mesoamerika. Mesoamerika bezeichnet also kein geografisches Gebiet mit festen Grenzen, sondern eines, das von den jeweiligen Kulturen der verschiedenen Zeiten abhängig ist. Das aztekische Reich reichte vom Atlantik bzw. der Golfküste im Osten bis zum Pazifik zwischen Acapulco und Tehuantepec im Westen. Es umfasste Gebiete der heutigen Bundesstaaten Veracruz, Morelos, Puebla, Hidalgo, Guerrero und Oaxaca. Mexiko und die mittelamerikanischen Nachbarstaaten sind geografisch ein Gebiet voller Gegensätze – vor allem im Hinblick auf Landschaft, Klima und Vegetation. Während der Norden durch Wüsten und Steppen mit entsprechend trockenem, heißem Klima geprägt ist, herrscht an der Atlantik- und Pazifikküste sowie in den Regenwäldern im Süden feuchtheißes, tropisches Klima. Diese Vielfalt ist vor allem auf die ungleichmäßigen Niederschläge zurückzuführen. Man teilt die verschiedenen Klimazonen ähnlich wie in Südamerika ein in eine Tierra Caliente (heiße Zone) bis 800 m über dem Meeresspiegel mit Regenwaldvegetation und Kakaoanbau, eine Tierra Templada (gemäßigte Zone) von 800–1800 m mit Mischwäldern aus Laub- und Nadelbäumen, Kaffee-, Baumwoll-, Zuckerrohr- und Agavenanbau und eine Tierra Fría (kühle Zone) über 1800 m Höhe mit einer den Alpen ähnlichen Vegetation mit Mischwäldern aus Nadel- und Laubbäumen sowie Graslandschaft. Geografisch prägend für Mexiko sind zum einen die Küstenebenen des Atlantiks und Pazifiks, zum anderen die Gebirgszüge im Landesinneren. Das Landesinnere wird in der Landesmitte der Länge nach von Norden nach Süden von den Gebirgszügen der Sierra Madre Occidental und der Sierra Madre Oriental durchzogen. Im Hochtal von Mexiko wird die Sierra Madre von einer zu ihr quer von Westen nach Osten verlaufenden Vulkankette, der Cordillera Neovolcánica, gekreuzt, zu der alle gegenwärtig noch aktiven und wie erwähnt die höchsten Vulkane Mexikos gehören. In diesen Gebirgen befinden sich eine Reihe von Ebenen bzw. Hochtälern: Neben dem Hochtal von Mexiko sind das westlich von diesem das Hochtal von Toluca und östlich davon das Hochtal von Puebla. Die Pflanzen- und Tierwelt und ihre Bedeutung in der aztekischen Kultur
Aufgrund der geografischen Vielfalt ist auch die mexikanische Tier- und Pflanzenwelt sehr vielfältig. Mexiko gehört mit insgesamt 200 000 Tier- und Pflanzenarten zu den artenreichsten Ländern. Es ist unter anderem das Land mit den meisten Reptilienarten (707) und den meisten Schlangenarten (750). Im Folgenden soll auf einige für die aztekische Kultur wichtige Pflanzen- und Tierarten näher eingegangen werden: Als Pflanzenarten, die wir als Erbe der Azteken übernommen haben sind Mais, Bohnen, Kürbis, Tomate, Kakao oder Avocado zu nennen. Auch die Bezeichnungen mancher dieser Pflanzen haben wir aus dem Nahuatl, der Sprache der Azteken übernommen, wie z. B. Tomate (tomatl), Avocado (ahuacatl) oder Schokolade (chocolatl) sowie ferner auch die Tierbezeichnungen Kojote (coyotl) und Ozelot (ozelotl). Für die Azteken waren folgende Pflanzen von besonderer Bedeutung: Mais (Zea mays), das tägliche Brot in Mexiko bis heute, gehört zur Familie der Süßgräser. Schon Kolumbus brachte erstmals Mais nach Europa und bereits 1525 gab es in Spanien die ersten Maisfelder. Ursprünglich auf wärmeres Klima angewiesen, wird der Mais heute in entsprechend klimatisch resistenten Sorten weltweit angebaut, 60 % davon als Futtermittel für Tiere. In Mexiko dagegen ist der Mais bis heute die wichtigste menschliche Nahrungsgrundlage. Der kultivierte Mais stammt von dem Wildgras Teosinte aus dem Becken des Río Balsas in Zentralmexiko ab. Die Ähre der Teosinte mit zwei Reihen von Körnern ist dem Aussehen nach eher den Ähren von Weizen oder Gerste vergleichbar als den großen Kolben mit mehreren Körnerreihen heutiger Maispflanzen, die ohne menschliche Hilfe nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Der Beginn der Kultivierung des Maises um 5000 v. Chr. war eine der frühesten und bedeutendsten Domestikationen in der Menschheitsgeschichte und kam einer kulturellen Revolution gleich, weil damit die sesshafte Lebensweise verbunden ist.5 Die Agave, die bis zu einer Höhe knapp über 2000 m vorkommt, ist seit der vorspanischen Zeit eine wichtige Nutzpflanze: Aus den Blättern stellte man früher Kleidung her, die Dornen benutzte man als Nadeln sowie für das Blutopfer und aus dem Saft der Agave wird nach wie vor Pulque, Alkohol in gegorener Form (vergleichbar unserem Federweißen) gewonnen. Heute stellt man aus Agaven auch Tequila, gebrannten Schnaps, der im vorspanischen Mexiko unbekannt war, her. Über den Kakao bzw. die Schokolade schrieb der Italiener Girolamo Benzoni Ende des 16. Jh.s: »Sie schien eher ein Getränk für Schweine zu sein als für die Menschheit«. Die Wörter...