E-Book, Deutsch, 420 Seiten
Peter / Sonntag / Ahrens Zurück in Marrakesch
2. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-2631-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Reisen und Landschaften in Reportagen, Erzählungen und Gedichten
E-Book, Deutsch, 420 Seiten
ISBN: 978-3-7578-2631-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Türkise Träume lassen sich erkunden am Kokospalmensaum, Lagunen bestaunen. Eine Geburtstagsreise führt nach Venedig, ein Orgelkonzert in der Kirche Santa Maria della Salute gehört dazu. Im Hochland von Bolivien muss ein Rad gewechselt werden. Wie lange wird es dauern? Das Felsenkloster Orheiul Vechi in der Republik Moldau, Weltkulturerbe, ist einen Besuch wert. Eine Autorin verweist auf Spuren von Hermann Hesse und dessen Haus. Es gibt verschiedene Arten Gold zu finden, von einer lesen Sie in diesem Band. Der Erfahrungsbericht einer Extremwanderin vom Meer-Megamarsch Mallorca ist aufgezeichnet. Bereisen kann man den Kontinent der Moas und Maori. Einer Touristin kommt ihr Tuktukfahrer in Kambodscha abhanden. Wird sie die Nacht im Freien verbringen müssen, weil er den vereinbarten Termin vergessen hat? Viele Gedichte nehmen Natur und Landschaften in den Blick.
Autoren/Hrsg.
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Ingrid Peter
In der Mongolei
Neun Freunde, zu denen auch ich gehörte, hatten beschlossen, die Mongolei in Begleitung von sechs Betreuern vom Süden her bis in den Norden zu durchwandern. Unser Grüppchen war gut durchmischt, der älteste Teilnehmer war siebzig Jahre alt, der jüngste vierzig, und unsere Betreuer waren die Fahrer von drei alten Jeeps, zwei Köchinnen und ein weiblicher Guide. Wir reisten über Moskau nach Ulan Bator, wo uns Zaya, unsere junge Führerin in Empfang nahm. Es fand gerade das Naadam Fest statt, eine große Sportveranstaltung, bei der den drei traditionellen mongolischen Kampfsportarten gehuldigt wird: Reiten, Ringen und Bogenschießen. Wir wohnten der Eröffnung des feierlichen Spieles bei und sahen, wie alle im Land vertretenen Ethnien in ihrer Festtagstracht in das Stadion einzogen. Mannschaft um Mannschaft stellte sich mit ihren Fahnen vor. Die Kämpfe erstrecken sich über mehrere Tage und finden im Stadion statt, aber nicht nur. Der Wettbewerb der Ringer wird im Nationalstadion ausgetragen, jener der Bogenschießer auf einem Gelände unweit des Stadions. Leider war es uns aus Zeitgründen nicht möglich, bei diesen Kämpfen zuzusehen. Dafür waren wir bei den Reitern dabei. Diese Wettbewerbe werden an der Peripherie der Hauptstadt abgehalten. Schon kleine Kinder dürfen in dieser Disziplin in ihrer Altersklasse antreten. Es war atemberaubend, wie die Fünf- bis Siebenjährigen, den Oberkörper eng am Pferdehals, daherbrausten, natürlich ohne Helm. Im vollen Galopp preschten sie ins Ziel, wo sie von ihren Familien bejubelt wurden. Von der Hauptstadt des Landes flogen wir in die Wüste Gobi, wo die eigentliche Wanderung begann. Bei einem Picknick konnten wir uns etwas akklimatisieren. Dann aber trafen die Jeeps ein, das Gepäck wurde verstaut und es folgte die erste Tour hinein in die Steppe. Wir fuhren bis zu den hohen Sanddünen und konnten sie auf Kamelen sitzend oder auch zu Fuß erklimmen. Zaya wusste zu erzählen, dass in der Gobi immer wieder Dinosaurier-Überreste gefunden werden, die durch den Wind an die Oberfläche kommen. Wissenschaftler hätten hier bereits Eier und versteinerte Knochen entdeckt. Einen Teil dieser Funde konnten wir in einem Museum betrachten. Als weitere Sehenswürdigkeit gab es in dieser heißen Region eine Höhle mit ewigem Eis. Man musste sich etwas ducken beim Eingang in die Höhle, aber dann sah man es wirklich: Uraltes Eis mit einer dicken Schicht Schmutz darüber. Die Jeeps waren alter, russischer Machart und mussten sehr robust sein, denn wir durchquerten mit ihnen auch Wasseradern, die allerdings nach heftigem Regen auch ordentlich anschwellen konnten und zu Flüsschen wurden, mit einer Tiefe von bis zu einem Meter. In solchen Fällen wurde der Motor eines Jeeps dick eingepackt und dann versuchten wir unser Glück. Notfalls konnte der erste Jeep die beiden anderen herüberschleppen. Zwei Jeeps transportierten uns Neun plus Zaya, unsere Wasserflaschen und Tagesrucksäcke, der dritte transportierte unsere Ein- oder Zweimannzelte, das Koch- und Aufenthaltszelt, das WC-Zelt, den Esstisch und die Sessel, sowie Werkzeug zum Reparieren der Fahrzeuge, und schließlich unsere zwei Köchinnen samt deren Ausrüstung. Die Fahrer benutzten fast nie eine Landstraße, sondern Pisten, die durch die Prärie führten. Irgendwo, wo es besonders malerisch war, luden sie uns aus und verschwanden hinter den Hügeln. Zaya war per Handy jederzeit mit ihnen verbunden und konnte bei Bedarf sofort einen Jeep herbeirufen. Wir schritten langsam voran, schließlich stand uns der ganze Tag zur Verfügung. Als wir die Wüste hinter uns ließen, bewegten wir uns auf einer Hochebene, die sich riesig weit rings um uns erstreckte. Am Horizont, weit, weit weg, waren hohe, schneebedeckte Berge zu sehen, so dass wir uns wie am Grund eines enormen Tortenbodens fühlten. Diese Hochebene war aber nicht total flach, immer wieder gab es Hügelchen zu bezwingen, mitunter auch Wasseradern zu durchwaten. Während unserer Wanderungen geschah es oft, dass plötzlich ein Reiter aus dem Nichts auftauchte, mitunter auch ein Motorradfahrer. Ein Mongole hatte uns wahrgenommen und wir wurden herzlich begrüßt. In der Regel folgte eine Einladung in das Ger der Familie. Zaya hatte uns eingeschärft, dass es absolut verboten war, beim Eintreten in ein Ger die Schwelle der Türe zu berühren. Wir hielten uns natürlich peinlich genau an dieses Verbot und gelangten mit einem großen Schritt hinein in die Jurte. Unser Guide musste erklären, wer wir waren und warum wir in der Gegend herumwanderten, und dann wurden wir bewirtet. So ein Ger ist ein sehr geräumiges, rundes Zelt mit einem leicht abgeschrägten Dach. In der Mitte des Zeltes steht ein Ofen, mit dem gekocht und geheizt wird und an den Wänden sind die Liegestätten angeordnet, in der Regel drei bis fünf. Auf diesen Betten durften wir Platz nehmen während der Milchtee für uns vorbereitet wurde. Dazu gab es ‚Joghurt-Sticks‘, weiters steinharte, wenig süße, dicke Kekse und mitunter auch vergorene Stutenmilch. Dann aber wurde jeder Einzelne von uns einem kleinen Verhör unterzogen, wir mussten ausführlich Auskunft über uns geben und Zaya übersetzte alles. Speziell ich musste nicht nur mein Alter angeben, sie wollten auch wissen, weshalb mein Mann nicht mitgekommen sei, wieviele Kinder ich habe, welcher Arbeit ich nachgegangen war und dergleichen mehr. Da wir auf das Ritual des Eingeladen-Werdens vorbereitet waren, hatten wir kleine Geschenke im Rucksack, mit denen wir uns bei unseren Gastgebern bedankten: Buntstifte und Zeichenpapier, Haarspangen und -schleifen für die Kinder, Seife und Zucker für die Hausfrau. Wenn alles untersucht war, durften wir weiterziehen. Jeden zweiten oder dritten Tag übernachteten wir in einem Ger-Camp. An den Tagen dazwischen erhielten wir am Abend unsere Zelte ausgeteilt, die wir selbst aufstellen mussten. Nur ich bekam Hilfe von Munchuu, meinem Jeepfahrer, der zugleich auch Mechaniker war. Im Nirgendwo ist es besonders wichtig, einen Mann in der Gruppe zu haben, der Reparaturen an den Wägen durchführen kann. Er sang während des Fahrens mit tiefer Stimme sehr emotionale, melancholische Lieder, es waren Liebeslieder, die von einem späten, zweiten Glück handelten, wie unser Guide erklärte. Zaya war ein junges Mädchen, das gerade seine Diplomarbeit in Germanistik schrieb, und alle Mitglieder der Gruppe erklärten sich bereit, die Arbeit Korrektur zu lesen, sobald sie fertig sei. Munchuu half mir nicht nur beim Aufstellen des Zeltes, sondern er sondierte für mich auch die Umgebung sehr sorgfältig; es galt einige Quadratmeter zu finden, die möglichst eben waren und frei von Dung, und das war nicht immer leicht. Vor allem der Schafmist schien überall herumzuliegen, und bei einem abgeschrägten Boden rutschte man in der Nacht mit dem Schlafsack immer wieder nach unten und musste sich dann wieder hochrobben, was der Nachtruhe natürlich sehr abträglich war. Zaya hätte ohne Munchuu keine Führungen übernommen. Für sie war er der Garant, dass die Tour gelingen würde, dass wir alle heil ans Ziel kämen. Er war ihr Fels in der Brandung. Durch ihn lernte ich auch einige mongolische Sitten kennen: Anscheinend war es für einen Mann unschicklich, einer Frau in die Augen zu schauen. Und tatsächlich gelang es den Fahrern, die ganze Tour zu meistern, ohne uns direkt anzusehen. Munchuu blickte mir nur zweimal ins Gesicht, und zwar in Situationen, wo es absolut unvermeidbar war. Einmal rettete er mich aus einem entsetzlichen Unwetter, bei dem der Himmel sämtliche Schleusen geöffnet hatte und das zweite Mal, als ich ihm unser aller Abschiedsgeschenk überreichte, und ihm für seine zwanzigtätige Fürsorge dankte. Bei dieser Gelegenheit glückte ihm sogar ein Lächeln und er zeigte sehr große Freude an unserer Gabe. Bald gelang es mir herauszufinden, wieso alle Mongolen, die ich traf, ausgerechnet mir gegenüber so große Liebenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft und Interesse zeigten: Es lag an meinen weißen Haaren! Ich war zwar nicht die Älteste der Gruppe, aber mein Haar war nicht gefärbt. Es stellte sich heraus, dass es den Mongolen ein Bedürfnis ist, sich alten Menschen, aber speziell Weißhaarigen gegenüber stets liebevoll und zuvorkommend zu benehmen und ihnen Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Möglicherweise hat das etwas mit ihrer Religion zu tun. Viele sind Buddhisten, aber gleichzeitig sind sie auch Anhänger einer Naturreligion. Ihre Schamanen haben Kontakt zu ihren Ahnen, den Geistern und Göttern, die allesamt sehr verehrt werden und sie können sie anrufen zum Wohle aller, die ihrer Hilfe bedürfen. Diese Grundstimmung dem Alter gegenüber führte dann auch dazu, dass ich vor allen anderen in der Mongolei stets bevorzugt behandelt wurde und das genoss ich sehr! Einmal mussten wir einen Fluss überqueren. Zaya hatte in einem Ger-Camp einen Studienfreund getroffen, der dort einen Ferienjob hatte, und bat ihn, uns bei einem Ausflug zu begleiten. Während sich Acht unserer Gruppe die Schuhe auszogen, die Hosen hochkrempelten und im Morast der Tränke auf die andere Seite des...