E-Book, Deutsch, 272 Seiten, EPUB
Reihe: Duden - Sachbuch
Pertsch Vielfalt
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-411-91426-5
Verlag: Duden ein Imprint von Cornelsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das andere Wörterbuch. 100 Wörter – 100 Menschen - 100 Beiträge
E-Book, Deutsch, 272 Seiten, EPUB
Reihe: Duden - Sachbuch
ISBN: 978-3-411-91426-5
Verlag: Duden ein Imprint von Cornelsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Diversität spiegelt sich inzwischen auch sprachlich in einer großen Anzahl an Begriffen wider. Aber welche davon werden im Diskurs und in den Medien wirklich verwendet, wenn es um das Thema Diversity geht? Kann man noch „Behinderte“ sagen oder ist nur noch „Menschen mit Behinderungen“ angemessen? Was wünschen sich die Betroffenen? Wie steht es um „woke“, das auf soziale Ungerechtigkeit und Rassismus hinweist, in rechten Kreisen aber fälschlich synonym für links steht? Und welche Begriffe sollten Sie als Fachleute oder Laien wirklich kennen? Dazu gehören "Ableismus", "Cis", "TERF" und auch "Klassismus". Welche Diversity-Begriffe müssten hingegen eigentlich längst bekannt sein, sind es aber noch nicht? Dazu gehören "queer", "marginalisiert", "Misogynie" und "Inklusion". Die Dudenredaktion stellt ihre Definitionen vor und lässt 100 Menschen zu Wort kommen: Expertinnen und Experten, die meinungsstark, bekannt und kompetent sind und häufig auch einen persönlichen und/oder beruflichen Bezug zum Thema haben.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
Ein solch aufwendiges Werk mit 100 Autor*innen zu schreiben, lässt unweigerlich die Frage nach dem aufkommen: Warum gibt es so viele Themen und Autor*innen — und welches Anliegen verfolgt dieses Buch? Die Antworten darauf lassen sich kaum auf einen Nenner bringen. In meinen vielen Gesprächen zu dem Sachbuch habe ich festgestellt, dass alle Beteiligten eine etwas andere Vorstellung davon haben, weshalb sie dabei sind, was sie sich davon erhoffen und wieso ihr Thema eine Relevanz für haben könnte. Auch was und eigentlich zu bedeuten haben, wird von den Autor*innen, die ihre Texte unabhängig voneinander geschrieben haben, unterschiedlich interpretiert. Das finde ich bemerkenswert: Die 100 vielfältigen Blickwinkel tragen dazu bei, dass die 100 Kapitel nicht nur thematisch vielfältig aufgestellt sind, sondern sich das ganze Buchprojekt auch nur unter einem eher unklaren Begriff wie einordnen lässt. Allein dieses scheinbar Unkonkrete stimmt schon neugierig!
und sind übrigens keine Synonyme, obwohl die Begriffe als eine Übersetzung des jeweils anderen so verstanden werden können. Bei wird der Begriff 1 mit »Fülle von verschiedenen Arten, Formen o. Ä., in denen etwas Bestimmtes vorhanden ist, vorkommt, sich manifestiert; große Mannigfaltigkeit« erklärt, wohingegen Diversität2 nur als Synonym für »Vielfalt, Vielfältigkeit« steht. Das aus dem Englischen entlehnte Wort 3, das auch im Deutschen genutzt wird, wird differenzierter als gedeutet: »(als positiv wahrgenommene) Vielfältigkeit, Individualität innerhalb einer Gruppe2 oder der Gesellschaft (z. B. hinsichtlich Alter, Herkunft, Geschlecht[sidentität], Sexualität, Weltanschauung, körperlicher und geistiger Fähigkeit)«. Während also eher »nur« als Aufzeigen dieser »Mannigfaltigkeit« zählt, wird gerade im Englischsprachigen (aber auch zunehmend im Deutschsprachigen) als wichtige Form der 4 und auch als Bildungsarbeit gesehen: ermöglicht die Teilhabe für alle Menschen. Sie schließt also nicht nur alle mit ein, sondern sie geht uns alle auch noch etwas an. Auch von diesen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen handelt dieses Buch. Und es möchte beides versuchen: und . Einerseits diese Vielfalt aufzeigen, aber andererseits auch deutlich benennen, wo es noch hakt — und dort, wo es noch zwickt, konstruktive Lösungsvorschläge einbringen.
Die Idee für dieses Buch entstand Ende 2021, als ich ein kleines Diversity-Lexikon5 mit mehreren Autor*innen für die Fachzeitschrift des entwarf. In dem Medienmagazin gebe ich seit 2015 Schreibtipps und analysiere dafür »Worte und Wörter«, mit denen Journalist*innen häufiger falschliegen oder sie Schwierigkeiten haben. Dieses Know-how gebe ich seit Jahren in Vorträgen, Workshops und Interviews weiter. Auch mit der (2014–2023) und einem Piper-Sachbuch habe ich zusammen mit meinem Kollegen Udo Stiehl die Unsauberkeiten in der deutschen Sprache — gerade im Kontext von Nachrichten — besprochen. Fragen, die mir immer wieder im Journalismus begegnen, waren ebenfalls Beweggründe für die Umsetzung dieses Buchs: Weshalb werden einige Begriffe immer wieder falsch verwendet? Manchmal aus Versehen, aber auch bewusst und manipulativ. Weshalb liest man beispielsweise noch immer von einem euphemistischen »Familiendrama«6, unterlässt zugleich aber, das Thema zu benennen? Wieso schreibt man von einer Person, die angeblich »an den Rollstuhl gefesselt« sei, statt sachlich zu formulieren: »Die Person ist auf einen Rollstuhl angewiesen« oder gar mit einem positiven Dreh: »Dank des Rollstuhls kann diese Person wieder am Leben teilhaben«? Wieso wird der Begriff gekapert und für etwas vermeintlich umgedeutet? Weshalb gibt es altbekannte Themen, die trotz einer hohen Verbreitung und Aktualität immer wieder neu erklärt werden müssen? Was bedeutet noch mal? Sollte das nicht längst bekannt sein? Da wird es beim Unterschied zwischen und schon schwieriger, obwohl diese Themen Millionen Menschen betreffen. Und dann gibt es noch scheinbar oder tatsächlich neue Begriffe, die dennoch längst bekannt sein sollten, wie , , und .
Ich beobachte aber auch, dass die Kenntnis dieser Begriffe mit einer unnötigen Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden — und dadurch viele Menschen in den Diskursen exkludiert. Zum Beispiel wissen viele nicht, was bedeutet: nämlich . Wenn über »marginalisierte Personengruppen« (siehe ) oder gesprochen wird, ist es zwar wichtig, dass diese Fachbegriffe verwendet werden. Andererseits lässt man viele Menschen ratlos zurück, anstatt zumindest in einem Nebensatz zu erklären, was die Wörter eigentlich bedeuten. Es ist dann auch deshalb eine paradoxe Rhetorik, weil man ja mit diesen Themen auch jene Menschen ansprechen und erreichen möchte, die Interesse signalisieren und bestenfalls auch die, die längst abgeschaltet haben. Eine wäre aus meiner Sicht zielführender. Denn natürlich kann man von niemandem verlangen, alle 148.000 Stichwörter des aktuellen Rechtschreibdudens7 zu kennen. Es geht weniger um pedantisches Besserwissen einzelner Schlagworte, schon gar nicht um »Sprachpolizei«, sondern eher um das Wissen, was hinter den Wörtern steckt und wie wir die Herausforderungen, die sie benennen, gesellschaftlich anpacken können. Ein gutes Beispiel ist . Der englische Begriff tritt in den USA verstärkt8 seit den 1970er-Jahren auf. Im deutschsprachigen Raum findet er erst seit wenigen Jahren Verbreitung, wie die Verlaufskurve9 des aufzeigt. Doch das Thema gibt es seit Menschengedenken: die gegenüber Menschen mit Behinderungen — und selbst diese Deutung reicht nicht aus, um das facettenreiche Thema zu erklären. Wussten Sie übrigens, dass jede zehnte Person in Deutschland eine schwere Behinderung hat und nur drei Prozent mit einer Behinderung geboren wurden?
Dieses Diversity-Wörterbuch war aus mehreren Gründen herausfordernd, denn es unterscheidet sich von regulären Wörterbüchern und es möchte trotzdem ein wörterbuchähnliches Format darstellen:
1. Obwohl 100 Kapitel viel sind, repräsentativ können sie nicht sein. Das liegt schon alleine an der großen Menge an möglichen Themen, die einen Bezug zu bzw. haben: In der Vorbereitung dieses Buchs sammelte ich mehr als tausend Stichwörter und recherchierte Hunderte potenzielle Autor*innen. Dieses Sachbuch mit »nur« einhundert Beiträgen darf daher als Auftakt verstanden werden.
2. Wir haben versucht, eine breite Palette abzubilden: Diskriminierung, Religion, Medizin, Behinderungen, Digitalisierung, Sprache, Kultur, Queer, Medien, Geschlecht, Naturwissenschaften und viele Themen, die in unserer Gesellschaft gerade besonders relevant sind und viel diskutiert werden. Das Thema Sprache kommt — und hier sind wir dem Namensgeber des Verlags, Konrad Duden, verpflichtet — in jedem Kapitel vor.
3. Jedes einzelne Thema böte Stoff für mehrere Bücher, um die gesamte Bandbreite zu erklären. In den Kapiteln wird ein Fokus gesetzt, werden Beispiele gegeben und Aspekte kompakt zusammengefasst, um das Wichtigste zu vermitteln. Mit den Quellen und Medientipps (siehe ) geben die Autor*innen aber zusätzlich Empfehlungen zu weiterer Literatur. Diese Medien sollen Sie unterstützen, wenn Sie mehr über ein Thema erfahren möchten.
4. Die Kapitel sind Einordnungen von Expert*innen, die sich zur Sache hervorragend auskennen. Manche Einschätzungen decken sich nicht unbedingt mit denen anderer kompetenter Autor*innen und manchmal auch nicht damit, wie sie im Duden stehen. Um die Qualität und den Anspruch an ein Wörterbuch zu sichern, gab es zahlreiche Vorgaben und es wurde durch Lektorat, Korrektorat und alles gründlich geprüft und einem Fakten- und...




