Persson | Mordshitze am Ammersee | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 240 Seiten

Reihe: Carola Witt

Persson Mordshitze am Ammersee

Oberbayern Krimi
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98707-322-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Oberbayern Krimi

E-Book, Deutsch, Band 6, 240 Seiten

Reihe: Carola Witt

ISBN: 978-3-98707-322-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Humorvolle Spannung vor atemberaubender Alpenkulisse. Hitze plagt das Ammertal, und das sinkende Wasser des Sees gibt die Überreste eines lange vermissten Toten frei. Kommissar Lenz Meisinger ermittelt, dass der Mann vor seinem Verschwinden mit der Gemeinde um ein Grundstück rang. Ist es Zufall, dass genau dieses Stück Land auch heute wieder für Zündstoff sorgt? Dass dort gebaut werden soll, gefällt längst nicht jedem, und während Meisingers Freundin Carola Witt noch versucht, die Gemüter zu beruhigen, wird ein toter Gemeinderat entdeckt ...

Inga Persson hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, 1994 promovierte sie. Anschließend schrieb sie jahrelang im Auftrag anderer: erst für Bundestagsabgeordnete, später für ihre Agenturkunden. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn am westlichen Ammersee und betreibt dort die traditionsreiche Pension »Schatzbergalm«.
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2


Hauptkommissar Laurentius Meisinger verschränkte die Arme hinter dem Rücken, reckte sich ein wenig und angelte nach dem Saum seines Hemdes. Schlimm genug, dass er nur ein kurzärmeliges Sportshirt trug. Noch schlimmer, dass es an ihm klebte. Festgepappt an seinem verschwitzten Rücken, der von der Halskrause abwärts über seine Schulterblätter bis zum Hosenbund reichte. Von den Pfützen unter seinen Achseln gar nicht zu reden. Unangenehm. Sehr, sehr unangenehm. Und sehr unangemessen. So sah er sich nicht, im Freizeitlook mit Rändern unter den Armen am Ufer stehend. Sondern souverän, gut gekleidet und trocken. Kontrolliert. Sowohl intellektuell als auch emotional. Und ganz besonders in Bezug auf seine Körpersäfte.

Sein Blick ging über den See und blieb an der weißen Andechser Wallfahrtskirche auf dem Moränenrücken am gegenüberliegenden Ufer hängen. Da thronte sie auf der Anhöhe und sah seit sechshundert Jahren dabei zu, wie die Menschen unter ihr am Ufer lebten. Hocherhobenen Hauptes, kühl, distanziert. Und was machte er? Aus jeder Pore schwitzen.

Im Gegensatz zu ihm hatte die Mehrheit seiner Mitbürger heute einen schönen Tag. Sonntag, Sonnenschein, Sommer, und das am Ammersee. Direkt vor seiner Nase breitete es sich aus, das pralle Leben, in voller Blüte. Hunderte, womöglich Tausende paddelten, ruderten, segelten kreuz und quer über den See. Ab und zu schaufelte auch einer dieser großen Raddampfer vorbei. Die Passagiere auf dem Oberdeck winkten ihm fröhlich zu.

Wenn die wüssten. Vorsichtig schnappte er einen Hemdzipfel und wedelte sich etwas Luft auf die feuchte Haut. Alle hatten einen schönen Sonntag. Und was hatte er? Ein einsames Frühstück am großen Esstisch in der Küche seines Elternhauses, des Secklerhofs. Der seit Generationen die Heimat der Familie Meisinger war, hoch über dem Dorf, am Waldrand, weit weg vom Gewusel unten am See.

Er hatte die Ruhe immer sehr geschätzt, aber heute Morgen war die Stille erdrückend gewesen. Denn es war niemand da, der mit ihm diese kostbaren Sonntagsstunden teilte. Carola, sein Herzensmensch, hatte zwar ihren Hauptstadtaufenthalt beendet, leitete nun nicht mehr das Büro des Bundestagsabgeordneten Johannes Ludwig im Berliner Reichstag, sondern wieder dessen Wahlkreisbüro in Weilheim. Sie war zurück in Bayern, endlich, aber nicht bei ihm auf dem Hof. Sondern hatte sich eine Wohnung genommen. In Riederau. Ihre eigene Wohnung wohlgemerkt, nur für sich allein. Ihn hatte sie noch nicht einmal gefragt. Sondern ihn einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.

Das ärgerte ihn. Auch nach mehrmaligem Nachdenken. Was ihn noch mehr nervte. Aber ihr Alleingang war ja keine Einbahnstraße. Wenn sie es nicht nötig hatte, mit ihm zu sprechen, wieso sollte er das tun?

Diese Alleingänge waren anscheinend sehr modern. Seine eigene Mutter, Therese Meisinger, die er nur kochend und backend in der Küche des Secklerhofs kannte, hatte einen Freund. Keinen neuen, nein, den hatte sie schon seit etlichen Jahren. Nur ihm war der Umstand unbekannt gewesen, dass es einen Mann im Leben seiner Mutter gab. Einen netten noch dazu. Das musste er zugeben. Und einen charmanten, wohlerzogenen, kultivierten. Reza. Aus Teheran, nein, aus München, Augenarzt, der selbige nur noch für seine Mutter hatte. Seitdem es öffentlich war, dass die beiden nicht nur seit Jahren miteinander verbandelt, sondern auch seit sage und schreibe fünf Jahren eine gemeinsame Zweitwohnung in Utting hatten, tirilierte seine Mutter, wenn sie denn mal da war, in den allerhöchsten Tönen. Gestern hatte er sie kurz vorbeihuschen sehen. »Grüß dich«, hatte sie gerufen und war sich durch die nassen Haare gefahren. Was sollte das? Wieso war ihr Kopf nicht trocken? Was war los mit den Frauen in seinem Leben?

Dann gab es noch seinen Bruder Tom, der eigentlich auch auf dem Hof lebte. Eigentlich, denn er hatte ihn gefühlt seit Jahren nicht gesehen. Seitdem er eine Freundin mit zwei kleinen Kindern in der Nähe von Polling hatte, kam er überhaupt nicht mehr nach Hause. So geschah es, dass er beim Sonntagsfrühstück am großen Esstisch saß und allein sein Rührei in sich hineinstopfte. Noch nicht mal die Katze schaute vorbei.

Als das Telefon klingelte, hatte er sich kurz gefreut. Ausgesprochen kurz. Nicht seine Freundin, sondern die Leitstelle rief an. Er war aufgestanden und gegangen. In Polohemd, Jeans und den ältesten Turnschuhen, die er hatte. Er hätte kotzen können.

Mühsam riss er seinen Blick von den fröhlichen Wassersportlern auf dem See und betrachtete den Himmel über Andechs. In den fast fünf Jahrzehnten seines Lebens war dieser im Sommer blau gewesen. Zumindest, wenn die Sonne schien, was heute eindeutig der Fall war. Aktuell erinnerte ihn seine Farbe aber eher an ein länger nicht gewaschenes Küchentuch. Das eine undefinierbare Tönung zwischen beige, braun und fettig-gelb angenommen hatte, mit langen hell- bis dunkelgrauen Schlieren durchzogen. Wenn er nach Süden Richtung Ammermündung schaute, brannte die Sonne ganz weit oben ein kreisrundes Loch in das Muster. Darunter zog der dunkle Scherenschnitt der Alpen eine schwarze Zickzacklinie über den Horizont. Tag für Tag der gleiche Anblick.

Dazu dieser Wind aus Süden, fast schon Sturm. Er musste sich abwenden, es war nicht auszuhalten. Ein Gefühl wie im Windkanal. Und heiß war es, unfassbar heiß. Tag und Nacht. Seit einer Woche brauste es von Süden daher, was das Zeug hielt. Der Sturm hatte Sand im Gepäck, feinen gelben Staub aus der Sahara, der den Julihimmel umfärbte und sich auf alles legte, was ihm in den Weg kam: Häuser, Bäume, Menschen. Der Staub bedeckte jeden Millimeter. Selbst hier, am Westufer des Ammersees, in der Abgeschiedenheit des Seeholzes zwischen Riederau und Utting, war jeder Fleck mit einer gelben Schicht überzogen.

Die Erde ist ein umgestürzter Hafen, dachte er. Wieso kam ihm diese Zeile in den Sinn? Vor langer Zeit hatte er das einmal gelesen. Wann mochte das gewesen sein? Schulzeit, er tippte auf Büchner. Als Jugendlicher hatte ihn die Aussichtslosigkeit, die ihn aus diesen Worten ansprang, schockiert. Wenn der Mann wüsste, wie es zweihundert Jahre später um die Menschheit stand. Wie kurz vor dem Armageddon.

Es half nichts. Sie waren nicht hier, um auf Andechs zu schauen, den Sandsturm zu beklagen und das Weltende kommen zu sehen, sondern weil sie einen Job zu tun hatten. Er drückte sein Kreuz durch. Als Vorgesetzter hatte er Zuversicht zu verbreiten. So beschissen er sich selbst auch fühlen mochte. Er räusperte sich. »Na? Schönes Wochenende gehabt?«

»Geht so.« Sein Kollege Franz Pollinger, den Temperaturen entsprechend in einem leichten Leinenhemd, weit sitzenden Hosen und italienischen Wildlederslippern ohne Socken, sah stur geradeaus.

»Kann ja noch werden.«

Franz rührte sich nicht. Und schwieg.

»Was schaust denn so? Kann immer noch ein schöner Tag werden. Zumindest ein guter.« Mit der Linken zupfte Lenz an seinem Hemdzipfel. Hoffentlich merkte sein Kollege nicht, dass es ihm am Rücken festgetackert war. Dann hätte er ihm den Schmarrn endgültig nicht mehr abgekauft.

Franz gab ein Geräusch von sich.

Lenz rollte mit den Augen. Bei dem war kein Blumentopf zu gewinnen. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Von Süden bahnte sich jemand seinen Weg am Ufer entlang. Den gleichen Weg, den er leise vor sich hin fluchend vor einer halben Stunde genommen hatte. Dem Rand des Schilfgürtels folgend, der das streng geschützte Seeholz auf der Wasserseite begrenzte. Der das erste Mal seit Menschengedenken komplett trockengefallen war.

Eine hochgewachsene Blondine kam auf sie zu. Energisch. Gut aussehend. Entschlossen. Unwillkürlich nahm er Haltung an.

»Grüß Gott. Kann ich helfen?« Franz trat an ihm vorbei und ihr in den Weg. Über die Schulter seines Kollegen hinweg sah Lenz Irritation in ihrem Gesicht. »Nein. Mein Name ist Sörensen. Liv Sörensen. Kripo Hamburg. Das Austauschprogramm? Ich soll mich bei Hauptkommissar Meisinger melden.«

»Ah, Frau Sörensen.« Lenz schob sich vor Franz und streckte seine Hand aus. Stimmt. Das hatte er komplett vergessen. Das Programm. So eine Art Völkerverständigung der Polizei. Beni war nach Hamburg gegangen, dafür wurde eine Kommissarin aus der Hansestadt nach Bayern entsandt. Die nun leibhaftig vor ihm stand und ihn mit klischeehaft knallblauen Augen kritisch fixierte. »Wir haben telefoniert. Herzlich willkommen am Ammersee. Und gleich in medias res. Ich bin Hauptkommissar Laurentius Meisinger. Das ist Hauptkommissar Franz Pollinger.«

»Moin. Alle nennen mich Liv.« Ihr Händedruck war fest und trocken.

»Wenn das so ist«, Lenz deutete auf sich, dann auf seinen Kollegen, »Lenz, Franz.« Und spürte mehr, als dass er es sah, dass Franz ihr neues Teammitglied sehr wohlwollend von oben bis unten musterte. Wenn sie seine Blicke wahrnahm, zeigte sie keinerlei Reaktion. Chapeau, dachte er, Nerven aus Stahl. An der beißt sich Franz die Zähne aus.

»In Weilheim sagte man mir, dass ich euch hier finden werde.« Liv sah ihn fragend an. »Was gibt es denn?«

Lenz machte eine Handbewegung Richtung See. In knapp hundert Meter Entfernung hatten vier Boote Anker geworfen. Zwischen ihnen wateten Personen in weißen Overalls im hüfthohen Wasser. »Bisher nur einen Notruf. Die Leitstelle in Fürstenfeldbruck hat den Anruf um zehn Uhr achtundzwanzig entgegengenommen. Ein Mitglied der Wettfahrtleitung einer Regatta hat Knochen gemeldet. Was genau gemeint sein könnte, wissen wir noch nicht. Die Zeugin beharrt aber darauf, dass es sich um menschliche Überreste handelt.«

»So?« Liv hob die Augenbrauen. »Wie begründet sie das?«

»Sie hat beobachtet, wie ein Regattateilnehmer abtrieb, vor dem Seeholz stoppte,...


Persson, Inga
Inga Persson hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, 1994 promovierte sie. Anschließend schrieb sie jahrelang im Auftrag anderer: erst für Bundestagsabgeordnete, später für ihre Agenturkunden. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn am westlichen Ammersee und betreibt dort die traditionsreiche Pension »Schatzbergalm«.

Inga Persson hat Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, 1994 promovierte sie. Anschließend schrieb sie jahrelang im Auftrag anderer: erst für Bundestagsabgeordnete, später für ihre Agenturkunden. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn am westlichen Ammersee und betreibt dort die traditionsreiche Pension »Schatzbergalm«.



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