E-Book, Deutsch, Band 1, 752 Seiten
Reihe: Shield of Sparrows
Perry Shield of Sparrows
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-32939-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 1, 752 Seiten
Reihe: Shield of Sparrows
ISBN: 978-3-641-32939-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ich muss nicht erst daran erinnert werden, dass ich wertlos bin. Obwohl ich eine Prinzessin der Fünf Königreiche Calandras bin, bin ich so unwichtig, wie ein dreibeiniger Thron. Ich habe meinen Frieden damit gemacht. Ich habe akzeptiert, dass ich immer im Schatten meiner schönen Schwester stehen werde.
Bis zu dem Tag, an dem ein Fremder an unseren Hof kommt und verspricht, uns von den Ungeheuern zu befreien. Doch dafür verlangt er einen Preis: mich.
Devney Perry wurde in Montana, USA, geboren und ist dort aufgewachsen. Sie arbeitete zehn Jahre lang in der Tech-Industrie, bevor sie begann sich dem Schreiben zu widmen. Und das sehr erfolgreich – mit ihren romantischen Geschichten, die meist in der atemberaubenden Landschaft Montanas angesiedelt sind, erobert sie regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten. Mit ihrem ersten Fantasy-Roman »Shield of Sparrows« stieg sie sogar direkt auf Platz 1 der »New York Times«-Bestsellerliste ein. Eine Verfilmung von »Shield of Sparrows« durch die Amazon MGM Studios ist bereits in Arbeit. Devney Perry lebt mit ihrer Familie in Montana.
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1
Was, wenn ich springen würde?
Am Rand einer steilen Klippe balancierend, war ich der Gnade dieses Reichs ausgeliefert und wackelte mit den bloßen Zehen. Eine heftige Böe könnte mich zurück oder nach vorn schieben. Das winzigste Beben in der Erde und ich würde fallen.
Oder fliegen.
Was, wenn ich springen würde? Würde es jemanden kümmern?
Nein. Nicht, wenn es um mich ging. Nicht um die falsche Prinzessin von Quentis.
Vierzig Fuß unter mir krachten die Wellen gegen den Felsen, und die Gischt spritzte weiß auf, wenn sie sich an dem grauen Stein brachen. Ich wollte springen. Ich wollte in dieses Meeresblau eintauchen. Ich wollte nur einen götterverdammten Moment frei von den Erwartungen aller sein.
Doch wenn ich sprang, kam ich zu spät. Und wenn ich zu spät kam, steckte ich sehr tief in der Scheiße.
Margot würde mir in den Hintern treten, wenn ich das Treffen mit den turanischen Kriegern verpasste, die Vater nach Quentis eingeladen hatte, also kein Sprung. Besonders nicht heute.
Langsam trat ich vom Rand zurück. Von der Verlockung.
Nicht, dass sie mich für dieses Fiasko brauchten. Mae sollte unsere Gäste bezaubern.
Sie war die richtige Prinzessin von Quentis.
Ihr ganzes Leben lang war meine Halbschwester auf diese Gelegenheit vorbereitet worden. Diesen Auftritt. Über kurz oder lang würde sie Königin von Turah werden und heute war ihre Chance, vor der noch dieses Jahr stattfindenden Eheschließung mit dem Kronprinzen ein paar ihrer zukünftigen Untertanen kennenzulernen.
Meine Anwesenheit? Völlig unnötig.
Doch ich bemühte mich sehr, meine Stiefmutter Margot – und meinen Vater – nicht zu verärgern. Ich war vielleicht nicht seine Lieblingstochter oder die hochgeschätzte Prinzessin, aber in meinem Schlafgemach war eine Krone. Und heute ging es darum, den Turanern zu zeigen, wie sehr unsere Kronen glänzten.
Ich ließ die Schultern hängen, als ich erst einen, dann noch einen Schritt von der Klippe zurücktrat und meine Fußsohlen das Gras platt drückten, als ich zu den dunkelgrauen Pantoffeln lief, die ich weiter hinten abgestreift hatte. Doch bevor ich meinen Fuß in einen hineinschieben konnte, lenkte das Donnern von Hufen meine Aufmerksamkeit auf die Straße.
Der Lärm nahm zu – ohne Zweifel ein Reiter, wohl um mich zu holen.
»Verdammt.« War ich spät dran?
Margot hatte beim Frühstück unentwegt geplappert und den Ablauf der heutigen Ereignisse vor der Einführung der Turaner aufgezählt, aber ich hatte nur halb zugehört.
Die Waldläufer waren gestern erst spät angekommen, nach Einbruch der Nacht. Die Krieger-Elitetruppe hatte das Zeitfenster für das Abendessen und auch ein Zusammentreffen verpasst. Mit Absicht? Vermutlich.
Das konnte ich ihnen jedoch nicht verdenken. Noch konnte ich es ihnen übel nehmen, dass sie sich seither nur in ihrem Flügel des Schlosses aufhielten, sich dort entweder von der Überquerung des Krisenth erholten oder dem Pomp des Königshofs aus dem Weg gingen. Doch ob es mir nun gefiel oder nicht, das Spektakel würde stattfinden. Eine Gelegenheit für Mae zu glänzen.
Während die Turaner taten, was immer turanische Krieger so tun, wenn sie fremde Königreiche besuchten, putzte man meine Schwester heraus.
Mae wurde gebadet und verwöhnt. Sie wurde mit duftenden Ölen massiert und ihre Haut mit den feinsten Elixieren des Kontinents behandelt. Mae würde zum heutigen Festmahl ein Gewand tragen, an dem ihre Schneiderin einen Monat lang gearbeitet hatte.
Mae. Es ging ausschließlich um Mae.
Ich bezweifelte, dass die Männer den Stickereien oder der Spitze Beachtung schenken würden, aber was wusste ich schon? Mae war ihre zukünftige Königin, nicht ich. Meine Pflicht bestand nur darin, aufzutauchen.
Pünktlich.
Das war an diesem Morgen das einzige Mal in Margots Litanei mit Anweisungen gewesen, dass sie meinen Namen erwähnt hatte.
Ich kam nicht immer zu spät. Oft, aber nicht immer. Die Hälfte der Zeit fiel es nicht einmal auf.
Ich schlüpfte in einen grauen Pantoffel, raffte die Röcke meines ebenso grauen Kleides und drehte mich, um den anderen Schuh anzuziehen. Beide saßen fest an meinen Füßen, als ein Reiter den Hügel zur Klippe erklomm. Ich kannte ihn.
Stolz saß Banner im Sattel, das kurze hellbraune Haar ordentlich gekämmt und jede Strähne an ihrem Platz. Seine Miene war ausdruckslos.
War es das gute »ausdruckslos«? Oder steckte ich in Schwierigkeiten, weil mein Verlobter seine Pflichten als General hatte vernachlässigen müssen, um mich zu holen?
Banner zog an den Zügeln und sein Falbhengst kam zum Stehen. Mit einer eleganten Bewegung stieg er ab und führte sein Ross mit entschlossenen, einschüchternden Schritten auf mich zu.
»Prinzessin.« Sein Tonfall war ernst und der Blick seiner braunen Augen fixierte mich, aber seine Mundwinkel umspielte ein Grinsen.
»Ich wollte gerade gehen.« Ich hob eine Hand. »Das schwöre ich.«
»Bevor oder nachdem Ihr mich gehört habt?« Er hob eine Augenbraue. »Ihr werdet zu spät kommen.«
Bedeutete, ich war nicht zu spät. Noch nicht. .
»Ich verspreche, ich werde pünktlich sein«, erwiderte ich. »Du hättest mich nicht holen müssen.«
»Tatsächlich wollte ich ausreiten.«
»Ah.« Vielleicht hieß das, dass niemand wusste, dass ich das Schloss verlassen hatte. Ich könnte mich unbemerkt hineinstehlen und rasch umziehen.
Banner trug bereits seine formelle Uniform. Die Goldknöpfe an seinem seegrünen Mantel glänzten wie die Turmspitzen des Schlosses in der Ferne. Seine Lieblingswurfmesser steckten in dem Ledergürtel. Vater würde fast genau die gleiche Uniform tragen, zog jedoch das Schwert vor. Maes Kleid für den heutigen Abend bestand aus aquamarinfarbenen und himmelblauen Stofflagen. Margot würde wahrscheinlich das für sie typische Blau tragen.
Mein Kleid war grau. So wie all meine Kleider.
Eines Tages, wenn Margot mir nicht mehr vorschrieb, was ich anziehen sollte, und ich nicht bei jeder Mahlzeit Vaters strengem Blick ausgesetzt war, würde ich Rot tragen. Oder Grün. Oder Schwarz. Oder Gelb.
Alles, nur nicht Grau.
»Ihr wisst, dass Ihr von Eurem Fenster aus auf die Stadt sehen könnt und nicht bis hier herauflaufen müsst?«, sagte Banner.
»Hier habe ich eine bessere Aussicht.«
Das Sonnenlicht ließ die bernsteinfarbenen Sternenfunken in Banners braunen Iriden aufleuchten. Diese bernsteinfarbenen Sternenfunken waren das Kennzeichen aller, die auf quentischem Boden geboren waren.
Sein Blick wanderte zum Schloss hinter uns, dann zu der Stadt, die sich am Ufer neben der Klippe entlangzog.
Roslos weiße Häuser glühten förmlich im Nachmittagslicht. In den Straßen der Hauptstadt wimmelte es von Menschen und Wagen. Boote drängten sich an den Docks im Hafen und das ruhige Wasser der Bucht von Roslo leuchtete aquamarinblau unter den hellen Sonnenstrahlen. Quentische Flaggen, ebenfalls in Seegrün, flatterten an den Schlosstürmen, die größte davon mit dem königlichen Wappen bestickt – eine von Blättern und Weizenhalmen umschlungene Armbrust.
Vater fand, der Blick vom Balkon seines Thronsaals war unvergleichlich, aber ich zog die Aussicht von diesem Ort auf meine Stadt eindeutig vor.
Das Schloss war mein Zuhause, aber diese Klippe war meine Zuflucht. Sie war der einzige Ort, an dem die Luft nicht schwer war von der Last der Urteile anderer oder Wachen an jeder Ecke standen, die meine Fehler an Margot weitergaben.
Von hier aus konnte ich das Salz riechen, das vom Wasser heranwehte. Der Duft von Speisen und Gewürzen, der von den Märkten auf dem Platz unten heraufgetragen wurde. An ruhigen Tagen wie heute konnte ich den Lärm von den Docks und das Gezeter in den Straßen hören. Und wenn ich Zeit hatte, brachte ich ein Skizzenbuch mit, um die unterschiedlichen Ansichten festzuhalten.
Banners Blick blieb an den drei Holzschiffen hängen, die in der Bucht ankerten, ihre waldgrünen Segel ein leiser Kontrast zum Seegrün der quentischen Boote.
»Hast du sie schon gesehen?«, fragte ich. »Die Turaner?«
»Noch nicht. Aber ich war gerade bei Eurem Vater.« Sein Kiefer spannte sich an. »Er sagte, dass der Hüter mit den Waldläufern angekommen ist.«
»Der Hüter?« Mir fiel die Kinnlade herunter und mein Magen verknotete sich. » Hüter? Er ist hier? In Roslo?«
»Offenbar«, entgegnete Banner.
Oh, bei Izzac. Das war übel. Es war der Grund für den Ausritt meines Verlobten.
Wir waren vielleicht nicht ineinander verliebt und man konnte uns wohl nicht einmal als Freunde erachten, aber es gab ein paar Dinge, die ich seit unserer Verlobung über Banner gelernt hatte. Seine Loyalität meinem Vater gegenüber war makellos. Er liebte den Status, den er dank seines Rangs und der Verlobung mit einer Prinzessin hatte. Und er hasste den Hüter.
»Das tut mir leid.« Ich streckte die Hand nach ihm aus, aber er winkte ab und fuhr sich durch die Haare. »Gehst du zu dem Treffen?«
»Ich bin General in der Legion Eures Vaters. Was denkt Ihr?«
War es wirklich so schwer, einfach Ja zu sagen?
Vielleicht würde er aufhören, mich wie ein Kind zu behandeln, wenn wir verheiratet waren. Doch wenn man unseren Altersunterschied von fünfzehn Jahren bedachte, machte ich mir da keine großen Hoffnungen.
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