E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Tin Gypsys
Perry Gypsy King
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86443-985-8
Verlag: Sieben-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Tin Gypsys
ISBN: 978-3-86443-985-8
Verlag: Sieben-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Kingston Slater, genannt Dash, der ehemalige Präsident des aufgelösten Tin Gypsy Motorradclubs, ist voll und ganz in der Legalität angekommen. Zufrieden arbeitet er in seiner Werkstatt an Autos und Motorrädern. Bis die Vergangenheit des Clubs ihn und alle, die ihm nahestehen, einzuholen droht, und eine überaus sexy, aber viel zu neugierige Reporterin sein geordnetes Leben komplett durcheinanderwirbelt.
Bryce Ryan ist neu in der Stadt und wittert eine Story. Sie möchte allen zeigen, dass sie nicht nur ein hübsches Gesicht ist, das im Fernsehen die Nachrichten vorlesen kann, sondern eine ernstzunehmende, investigative Journalistin. Davon überzeugt, dass der Tin Gypsy MC im Stillen weiterexistiert und viel zu verbergen hat, beginnt sie mit ihren Recherchen. Dabei wird sie von Dashs Anziehungskraft überrumpelt und die Grenzen zwischen Job und Gefühlen beginnen zu verschwimmen.
Weder Bryce noch Dash wissen, wie ihnen geschieht, und bald schon stehen nicht nur ihre Herzen auf dem Spiel, sondern auch ihre Leben und das von anderen.
Weitere Infos & Material
Mein Herz schlug heftig, als die Werkstatt in Sicht kam. Meine Finger zitterten. Dieser Kick, dieses einzigartige Hochgefühl, das sich nur auf der Pirsch nach einer Story einstellte. Das war der Grund, warum ich Journalistin geworden war. Nicht, um vor einer Kamera zu sitzen und die Storys anderer Leute vorzulesen. Bedauern war die Triebfeder hinter dieser Tin Gypsy Story. Reue war der Grund, warum das hier so unheimlich wichtig war. Ich hatte mich damals für eine TV-Karriere entschieden, die vielversprechend gewesen war. Ich hatte eine andere Richtung eingeschlagen, mich von dem Zeitungsjob, den ich immer im Sinn hatte, entfernt. Von dem Job, von dem jeder erwartet hatte, dass ich ihn machen würde. Doch nach dem College wollte ich nicht in die Fußstapfen meines Vaters treten. Zumindest nicht sofort. Als junge Frau Anfang zwanzig, wollte ich meinen eigenen Weg gehen. Also zog ich von Montana nach Seattle und machte Fernsehen.
In dieser Zeit traf ich Entscheidungen. Keine davon erschien mir seinerzeit falsch. Bis zu dem Tag, zehn Jahre später, an dem ich in meinem Appartement in Seattle aufwachte und mir klar wurde, dass sich die Ansammlung von guten Entscheidungen zu einem schlechten Leben aufgehäuft hatte. Mein Beruf füllte mich nicht aus. Die meisten Nächte verbrachte ich allein. Wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich eine Frau Anfang dreißig, die nicht glücklich war. Mein Leben gehörte dem Sender. Alles, was ich machte, tat ich auf Geheiß des Senders. Weil meine Arbeitszeiten so unüblich waren, versuchte ich erst gar nicht, mit jemandem auszugehen. Welcher Mann wollte schon um vier Uhr nachmittags zu Abend essen und um sieben im Bett sein? Als ich noch in meinen Zwanzigern war, war das kein großes Problem. Ich war immer davon ausgegangen, dass ich irgendwann den Richtigen treffen würde. Die Dinge würden sich schon ergeben, wenn es an der Zeit war. Ich würde heiraten. Eine Familie gründen.
Okay, das hatte sich nicht ergeben. Und wäre ich in Seattle geblieben, hätte es das nie.
Clifton Forge war mein Neuanfang. Ich hatte meine Vorstellungen von der Zukunft genau analysiert. Die Chance, einen Mann kennenzulernen, und während mein Körper noch dazu in der Lage war, Kinder zu bekommen, wurde immer kleiner. Wenn es mir also bestimmt war, als alte Jungfer zu enden, dann wollte ich wenigstens einen Job haben, der mir Spaß machte, verdammt noch mal. Meine Karriere in Seattle war letztlich mies gewesen. Die Bosse des Senders hatten mir ein Versprechen nach dem anderen gegeben, dass ich irgendwann mehr Freiheiten hätte. Sie sicherten mir zu, dass ich die Möglichkeit bekommen würde, meine eigenen Reportagen zu machen, statt Kollegen zu interviewen und vom Sender freigegebene Karten vorzulesen. Entweder hatten sie gelogen, oder waren der Meinung, ich hätte kein Talent.
Wie dem auch sei, ich zog wieder nach Hause und fühlte mich wie eine Versagerin. War ich eine? Vielleicht. Wenn ich nicht mehr vor der Kamera saß, wenn die Leute mich wegen meines Verstandes und nicht aufgrund meines Gesichtes achteten, würde ich vielleicht irgendwann auffallen. Ich würde mir beweisen, dass ich gut genug war.
Ich hatte mein Leben dem investigativen Journalismus verschrieben. Um versteckte Wahrheiten zu finden und vergrabene Lügen ans Licht zu bringen. Es war mehr als ein Job, es war eine Leidenschaft. Sollte unter der Oberfläche dieses idyllischen kleinen Städtchens eine epische Story liegen, war ich diejenige die sie erzählen wollte. Eine Morduntersuchung, die Draven Slater involvierte? Da war ich sofort dabei.
Im Schritttempo näherte ich mich der Kreuzung, von der man direkt auf die Werkstatt blicken konnte. Im Rückspiegel hielt ich weiter nach der Polizei Ausschau. Wenn der Chief hier entlang kommen würde, um Draven festzunehmen, hatte ich nicht viel Vorsprung. Wenn ich überhaupt in die richtige Richtung fuhr. Es bestand die Möglichkeit, dass Draven gar nicht in der Werkstatt war, sondern zu Hause, und die Cops dorthin unterwegs waren. Ich blieb aber hier. Ob ich Draven nun aufspüren würde oder nicht, ich fuhr zur Werkstatt. Heute war der Tag, an dem ich Dash Slater treffen würde. Heute konnte ich meinen Kontrahenten abschätzen.
Mit dem Knie lenkend, zog ich mir den Pullover aus. Zum Glück trug ich das schwarze Tanktop mit dem weiten Ausschnitt darunter. Und es war frei von Deoflecken. Mit einer Hand am Lenkrad schnappte ich mir die kleine Dose Haarspray aus der Handtasche, besprühte mein Haar damit und wuschelte es auf. Dann trug ich noch wenige Sekunden bevor ich auf den Parkplatz fuhr eine weitere Schicht dunkelroten Lippenstift auf.
Die Werkstatt selbst war wirklich groß. Ich war schon öfter daran vorbeigefahren, hatte aber nie angehalten. Jetzt, als ich vor den vier offenen Werkstatttoren stand, die vor meinem Audi emporragten, war sie noch beeindruckender.
Am Ende des asphaltierten Parkplatzes stand halb von Bäumen verdeckt ein Gebäude. Die Fenster waren dunkel und um die Griffe am Eingang hing eine dicke Kette. Das Vorhängeschloss glänzte im Sonnenlicht. Das musste der ehemalige Hauptsitz der Tin Gypsys gewesen sein. Ein Clubhaus, so nannten diese Gangs das, richtig? Dort parkten weder Autos noch Motorräder. Die Wiese drum herum stand kniehoch. Auf den ersten Blick sah das Gebäude verschlossen aus. Verlassen. Aber wie viele der Männer hatten einen Schlüssel zu dem Vorhängeschloss? Wie viele Männer gingen nach Sonnenuntergang dort hinein? Wie viele betraten das Gebäude durch eine Hintertür? Ich weigerte mich, das Gebäude einfach so hinzunehmen. Zugegeben, von außen sah es so aus, als hätte man es aufgegeben. Florierte jedoch alles hinter den verschlossenen Türen weiter?
Im Rückspiegel sah ich eine Reihe von Motorrädern, die am Rande des Grundstücks entlang eines Maschendrahtzauns parkten. Daneben standen Autos, teilweise mit Planen verdeckt, die darauf warteten, repariert oder restauriert zu werden. Alle vier Werkstatttore standen offen und die Arbeitsstationen waren mit Fahrzeugen belegt. Drei Pick-up-Trucks und ein roter Oldtimer. Die Stahlverkleidung des Werkstattgebäudes glänzte in der Morgensonne. Das Büro lag der Straße am nächsten, das Schild über der Tür war nicht wirklich ein Schild. Die großen Worte waren in Airbrush-Technik sauber und ordentlich in Rot, Schwarz und Grün auf das Stahlgebäude gesprüht worden. Hinter den Fahrzeugen in der Werkstatt war alles blitzblank. Das grelle Licht beleuchtete einen makellosen Betonfußboden. Die roten Werkzeugschränke an den Wänden waren sauber und neu. Alles schrie geradezu nach Geld. Mehr Geld, als eine Kleinstadtwerkstatt mit Öl- und Reifenwechseln einnehmen konnte.
Ein letztes Mal überprüfte ich Haare und Lippenstift im Rückspiegel, und stieg aus. In dem Moment, in dem sich die Autotür hinter mir schloss, tauchten zwei Mechaniker unter der Motorhaube eines Pick-ups hervor.
„Morgen“, grüßte einer von ihnen, bevor er mich wohlwollend genauer betrachtete. Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen. Ihm gefiel, was er sah.
Der erste Punkt ging ans Tanktop.
„Guten Morgen“, grüßte ich zurück, als beide Männer auf mich zukamen. Sie trugen Overalls und Boots mit dicken Sohlen. Der Schmalere der beiden hatte kurz geschnittenes Haar, das den Blick auf ein schwarzes Tattoo freigab, welches an seinem Hals entlang im Kragen des Overalls verschwand. Der breitere Mann hatte sein dunkles, längeres Haar im Nacken zusammengebunden und das Oberteil des Overalls um seine Taille an den Ärmeln verknotet. Über der Brust spannte sich ein weißes Tanktop. Die kräftigen Arme waren bis auf eine Menge bunter Tattoos nackt. Vielleicht war das der Grund, warum die Werkstatt so viel Kohle machte. Für einen Ölwechsel von diesen Mechanikern würden alleinstehende Frauen aus dem ganzen Bundesstaat anreisen. Allerdings war keiner dieser beiden gut aussehenden Männer der, den ich suchte. Wo war Draven? Ich hoffte, er befand sich im Büro, um einen Kaffee zu trinken.
„Was können wir für Sie tun, Ma’am?“, fragte der Kurzhaarige, wobei er sich die schwarzen Finger an einem roten Tusch abwischte.
„Bei meinem Auto ist ein Ölwechsel schon überfällig.“ Ich sah sie mit einem übertriebenen Stirnrunzeln an. „Ich bin echt schlecht darin, Autokram auf die Prioritätenliste zu setzen. Ich schätze, es besteht kaum eine Chance, dass Sie mich heute Vormittag noch reinquetschen können, oder?“
Die Männer sahen sich an und nickten, aber bevor sie antworten konnten, hörte ich hinter ihnen eine dunkle Stimme.
„Morgen.“
Die Mechaniker traten zur Seite und brachten Dash Slater höchstpersönlich zum Vorschein, der auf mich zukam. Seine Schritte waren zielstrebig. Geradezu eindrucksvoll. Ich hatte erwartet, ihn anzutreffen, sogar darauf gehofft, aber ich war weder mental noch körperlich darauf eingestellt. Unsere Blicke trafen sich und mein...




