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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 560 Seiten

Reihe: Ein Fall für Gamache

Penny Unter dem Ahorn

Der achte Fall für Gamache
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-311-70215-3
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der achte Fall für Gamache

E-Book, Deutsch, Band 8, 560 Seiten

Reihe: Ein Fall für Gamache

ISBN: 978-3-311-70215-3
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Dorf Three Pines liegt so versteckt in den kanadischen Wäldern, dass es auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Nur ein Ort ist noch schwieriger zu finden: das Gilbertinerkloster Entre-les-Lupes. Hoch im Norden Québecs, an einem einsamen See, leben die Mönche von selbst angebautem Gemüse und sind vor allem eins: schweigsam und friedfertig. Da ist das Entsetzen groß, als Frère Mathieu, der allseits beliebte Chorleiter, hinterrücks erschlagen unter dem Ahorn im Klostergarten aufgefunden wird. Armand Gamache, Leiter der Mordkommission der Sûreté du Québec, und sein Stellvertreter Inspector Jean-Guy Beauvoir nehmen die Ermittlungen auf. Und die erweisen sich als mühsam, denn die Mönche haben ein Schweigegelübde abgelegt, und nicht alle im Orden freuen sich über das Interesse von außen. Als dann plötzlich Sylvain Françoeur, ein langjähriger Rivale Gamaches, auf der Bildfläche erscheint, ahnt der Chief Inspector, dass sein ranghö- herer Kollege nichts Gutes im Schilde führt.

Louise Penny, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Que?bec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt.
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Prolog


Zu Beginn des 19. Jahrhunderts merkte die katholische Kirche, dass sie ein Problem hatte. Zugegebenermaßen nicht nur eins. Doch das Problem, das ihr zu diesem Zeitpunkt zu schaffen machte, hatte mit dem Stundengebet zu tun, mit den acht Andachten im täglichen Leben einer Ordensgemeinschaft, bei denen geistliche Gesänge angestimmt werden. Gregorianische Choräle. Schlichte Lieder, gesungen von demütigen Mönchen.

Um es kurz zu machen, die katholische Kirche hatte das Stundengebet verloren.

Die einzelnen Andachten im Lauf eines geistlichen Tages wurden weiterhin abgehalten, und in manchen Klöstern wurden auch noch gelegentlich sogenannte gregorianische Choräle gesungen, aber selbst in Rom musste man zugeben, dass sich diese Gesänge so weit von den Originalen entfernt hatten, dass sie als korrumpiert, sogar barbarisch angesehen wurden. Zumindest verglichen mit den anmutigen Gesängen früherer Jahrhunderte.

Doch ein Mann hatte eine Lösung parat.

1833 machte es sich Dom Prosper, der spätere Abt von Saint-Pierre de Solesmes, als junger Mönch zur Aufgabe, das alte französische Kloster und mit ihm auch die ursprünglichen gregorianischen Choräle zu neuem Leben zu erwecken.

Das zog jedoch ein anderes Problem nach sich. Wie sich nach umfangreichen Nachforschungen des Abtes herausstellte, wusste niemand mehr, wie diese mehr als tausend Jahre alten Choräle geklungen hatten. Da es zur Zeit ihrer Entstehung noch kein Notierungssystem gegeben hatte, existierten auch keine schriftlichen Aufzeichnungen von ihnen. Sie waren auswendig gelernt und nach jahrelangem Studium von Mönch zu Mönch mündlich weitergegeben worden. Die Choräle waren einfach, aber gerade in ihrer Einfachheit lag enorme Kraft. Die ursprünglichen Gesänge waren tröstlich, beruhigend, hypnotisch.

Ihre Wirkung auf diejenigen, die sie sangen und hörten, war so intensiv, dass die alten Choräle unter dem Namen »Das schöne Mysterium« bekannt wurden. Die Mönche glaubten, das Wort Gottes zu singen. Mit der betörend ruhigen, Zuversicht spendenden Stimme Gottes.

Was Dom Prosper jedoch wusste, war, dass sich schon im 9. Jahrhundert, tausend Jahre vor seinen Lebzeiten, ein anderer Mönch mit dem Mysterium der Choräle beschäftigt hatte. Der Legende nach hatte dieser unbekannte Mönch eine geniale Idee. Er beschloss, die Gesänge schriftlich aufzuzeichnen. Damit sie erhalten blieben. Seine unbedarften Novizen machten zu viele Fehler beim Lernen der Choräle. Falls die Worte und die Musik tatsächlich göttlichen Ursprungs waren, wovon er felsenfest überzeugt war, mussten sie sicherer aufbewahrt werden als in derart unzulänglichen menschlichen Köpfen.

Dom Prosper konnte sich bildlich vorstellen, wie dieser Mönch damals in einer kargen Zelle wie seiner eigenen ein Stück Vellum, besonders hochwertiges Pergament, vor sich liegen hatte und seinen geschärften Federkiel in das Tintenfass tauchte. Natürlich schrieb er den Text, Passagen aus den Psalmen, auf Latein. Und als er damit fertig war, kehrte er an den Anfang zurück. Zum ersten Wort.

Sein Federkiel verharrte darüber.

Und jetzt?

Wie Musik aufschreiben? Wie etwas so Erhabenes festhalten? Zunächst versuchte er es mit schriftlichen Anweisungen, doch das war viel zu mühsam. Mit Worten ließ sich unmöglich beschreiben, wie diese Musik den normalen menschlichen Zustand transzendierte und den Menschen zum Göttlichen erhob.

Der Mönch wusste nicht weiter. Tage und Wochen ging er seinem klösterlichen Alltag nach. Betete und arbeitete mit den anderen. Sang das Stundengebet. Unterrichtete die jungen und leicht abzulenkenden Novizen.

Bis ihm eines Tages auffiel, dass sie sich auf seine rechte Hand konzentrierten, wenn er sie beim Singen anleitete. Rauf, runter. Schneller, langsamer. Ruhig, ruhig. Den Text hatten sie sich eingeprägt, aber für die Musik waren sie auf seine Handzeichen angewiesen.

Am Abend, nach der Vesper, saß der namenlose Mönch bei kostbarem Kerzenlicht an seinem Tisch und betrachtete die sorgsam auf das Pergament geschriebenen Psalmen. Dann tauchte er seinen Federkiel in die Tinte und schrieb die erste Musiknote.

Es war eine Welle über einem Wort. Ein kurzer verschnörkelter Strich. Dann noch einer. Und noch einer. Er zeichnete die Bewegungen seiner Hand. Stilisiert. Wie sie einen unsichtbaren Mönch anleitete, einen höheren Ton zu singen. Noch höher. Ihn dann zu halten. Dann noch höher. Ganz kurz auf ihm zu verharren, um schließlich in einem schwindelerregenden musikalischen Absturz nach unten zu taumeln.

Er summte beim Schreiben mit. Seine einfachen, über die Seite flatternden Handzeichen erweckten die Wörter zum Leben. Ließen sie emporsteigen. Davonfliegen. Voller Freude. Er konnte hören, wie die Stimmen noch gar nicht geborener Mönche in seinen Gesang einstimmten. Exakt die Choräle sangen, die ihn befreiten und sein Herz zum Himmel hoben.

In seinem Bestreben, das schöne Mysterium festzuhalten, hatte der Mönch die Notenschrift erfunden. Aber noch nicht die Noten, wie wir sie heute kennen. Seine Zeichen wurden unter dem Begriff Neumen bekannt.

Im Lauf der Jahrhunderte nahm der schlichte Gesang immer komplexere Formen an. Instrumente und Harmonien wurden hinzugefügt, was wiederum zu Akkorden und Notenlinien und schließlich zu unserem heutigen Notensystem führte. Do-re-mi. Die moderne Musik war geboren. Die Beatles, Mozart, Rap. Disco, , Lady Gaga. Alle aus demselben uralten Samen hervorgegangen. Ein Mönch, der seine Handbewegungen zeichnete. Summend und dirigierend und nach dem Göttlichen strebend.

Die gregorianischen Choräle waren der Ursprung der westlichen Musik. Aber irgendwann wurden sie von ihren undankbaren Kindern getötet. Begraben. Verloren und vergessen.

Bis im frühen 19. Jahrhundert Dom Prosper, abgestoßen von der, wie er es sah, Vulgarität der Kirche und vom Verlust von Reinheit und Schlichtheit, zu der Überzeugung gelangte, dass es Zeit war, die ursprünglichen gregorianischen Choräle neu erstehen zu lassen. Die Stimme Gottes wiederzufinden.

Seine Mönche schwärmten über ganz Europa aus. Durchforsteten Klöster, Bibliotheken, Sammlungen. Mit einem einzigen Ziel. Das uralte Originalmanuskript zu finden.

Die Mönche kehrten mit zahlreichen in fernen Bibliotheken und Sammlungen verschollenen Schätzen zurück. Und schließlich gelangte Dom Prosper zu der Überzeugung, dass eine in verblassten Neumen verfasste Choralniederschrift das Original sein musste. Die erste und vielleicht einzige Aufzeichnung, wie gregorianische Choräle geklungen hatten. Es war ein fast tausend Jahre altes Pergament aus Kalbshaut.

In Rom war man anderer Meinung. Der Papst hatte eine eigene Suche veranlasst und ein anderes Notendokument aufgespürt. Er bestand darauf, dass auf dieser ramponierten Kalbshaut aufgezeichnet war, wie das Stundengebet zu singen war.

Und wie so oft, wenn sich Kirchenmänner uneins sind, kam es zum Krieg. Zwischen der Benediktinerabtei Solesmes und dem Vatikan schossen Gesangssalven hin und her. Beide Seiten bestanden darauf, dass ihre Version dem Original und somit dem Göttlichen am nächsten kam. Akademiker, Musikwissenschaftler, berühmte Komponisten und einfache Mönche äußerten sich zu dem Thema und ergriffen Partei in dem eskalierenden Streit, bei dem es bald mehr um Macht und Einfluss ging als um menschliche Stimmen, erhoben zur Ehre Gottes.

Wer hatte die ursprünglichen gregorianischen Choräle gefunden? Wie sollten sie gesungen werden? Wer befand sich im Besitz der wahren Stimme Gottes?

Wer hatte recht?

Nach Jahren des Streits gelangten die Gelehrten endlich zu einer stillen Übereinkunft. Die in der Folge noch stiller unter den Teppich gekehrt wurde.

Niemand hatte recht. Obwohl die Mönche von Solesmes mit hoher Wahrscheinlichkeit der Wahrheit näher gekommen waren als der Vatikan, hatten sie ihr Ziel dennoch nicht erreicht. Was sie entdeckt hatten, war authentisch und unbezahlbar – aber es war unvollständig.

Denn etwas fehlte.

Die Niederschriften der Choräle enthielten Wörter und Neumen sowie Hinweise, wann die mönchischen Stimmen lauter, wann leiser werden sollten. Wann ein Ton höher, wann tiefer war.

Was sie jedoch nicht enthielten, war ein Ausgangspunkt. Höher, aber im Vergleich wozu? Lauter, aber im Vergleich wozu? Es war wie bei einer Schatzkarte, auf der mit einem Kreuz das Ziel eingezeichnet ist, an das man gelangen soll. Aber nicht, wo man mit der Suche beginnen soll.

Im Anfang …

Die Benediktinermönche von Solesmes konnten sich bald als die neuen Hüter der alten Choräle behaupten. Der Vatikan gab schließlich nach, und binnen weniger Jahrzehnte hatte sich das Stundengebet von Solesmes durchgesetzt. Die wiederauferstandenen gregorianischen Choräle fanden in Klöstern der ganzen Welt Verbreitung. Die schlichten Gesänge spendeten echten Trost. Archaische Musik in einer zunehmend lärmenden Welt.

Und so hatte der Abt von Solesmes hinsichtlich zweier Dinge Gewissheit, als er in aller Stille verschied. Dass er etwas Wichtiges und Kraftvolles und Bedeutsames bewirkt hatte. Er hatte eine ebenso schöne wie schlichte Tradition neu belebt. Er hatte den korrumpierten Gesängen ihre Reinheit zurückgegeben und den Kampf gegen das effekthascherische Rom gewonnen.

Aber in seinem tiefsten Innern wusste er auch, dass er zwar gewonnen, aber nicht sein Ziel erreicht hatte. Was mittlerweile alle für authentische gregorianische Choräle hielten, kam der Sache sehr nahe, das ja. Fast göttlich. Aber nicht ganz.

Denn noch fehlte der Ausgangspunkt.

Dom Prosper,...


Penny, Louise
Louise Penny, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Que´bec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt.

Leeb, Sepp
Sepp Leeb hat Amerikanistik und Germanistik studiert und lebt in München. Er hat unter anderem Michael Connelly, Lawrence Block und Thomas Harris übersetzt und findet, obwohl ein großer Fan von Harry Bosch, dass Renée Ballard seinem Lieblingsermittler bei ihrem ersten Auftritt in »Late Show« in nichts nachsteht.



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