Penny | Heimliche Fährten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Gamache

Penny Heimliche Fährten

Der sechste Fall für Gamache
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-311-70175-0
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der sechste Fall für Gamache

E-Book, Deutsch, Band 6, 528 Seiten

Reihe: Ein Fall für Gamache

ISBN: 978-3-311-70175-0
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Carnaval de Québec, der größte Winterkarneval der Welt. Es ist bitterkalt - und überwältigend schön. Chief Inspector Gamache ist jedoch nicht wegen der Festlichkeiten in die Stadt gekommen. Er muss sich von einem verhängnisvollen Einsatz erholen: Bei einer Schießerei auf einem verlassenen Fabrikgelände wurde nicht nur Gamache selbst schwer verletzt, es sind auch mehrere seiner Männer ums Leben gekommen. Gamache sucht Ablenkung bei seinem Freund und ehemaligen Mentor Émile Comeau, geht mit seinem Hund spazieren, isst hervorragend und sitzt stundenlang in der Bibliothek der Literary and Historical Society in der Altstadt. Als im Keller der Bibliothek eine Leiche gefunden wird, steckt Gamache schnell mitten in den Ermittlungen. Das Opfer, der als verrückt verschriene Hobbyarchäologe Augustin Renaud, war besessen davon, die sterblichen Überreste des Gründers von Québec zu finden. Aber kann das Geheimnis um Samuel de Champlains Grabstätte so schrecklich sein, dass jemand deswegen einen Mord begeht? Unterdessen erhält Gamache sorgenvolle Post aus Three Pines: Ein Dorfbewohner sitzt wegen Mordes hinter Gittern, und wer, wenn nicht Gamache, könnte den Fall neu aufrollen?

Louise Penny, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Que?bec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt.
Penny Heimliche Fährten jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1


Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmten sie die Treppe hinauf. Gleichzeitig versuchten sie, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Gamache gab sich große Mühe, ruhig zu atmen, als ob er zu Hause säße und alles in bester Ordnung wäre.

»Sir?«, kam die junge Stimme aus seinem Kopfhörer.

»Sie müssen mir glauben. Ihnen wird nichts passieren.«

Der Chief Inspector hoffte, der junge Agent möge ihm die Anspannung nicht anhören. Und wie er versuchte, seiner Stimme einen festen, bestimmten Ton zu verleihen.

»Ich glaube Ihnen.«

Sie erreichten den Treppenabsatz. Inspector Beauvoir blieb stehen und sah seinen Vorgesetzten an. Gamache schaute auf die Uhr.

47 Sekunden. Genügend Zeit.

Die Stimme des Agent in seinem Headset schilderte ihm, wie gut sich der Sonnenschein auf seinem Gesicht anfühlte.

Auch die restlichen Mitglieder des Teams waren jetzt oben angekommen, alle in Schutzwesten, die automatischen Waffen im Anschlag, die wachsamen Blicke auf den Chef gerichtet. Auch Inspector Beauvoir neben ihm wartete auf seine Entscheidung. Welche Richtung? Sie waren fast da. Wenige Meter vor dem Ziel.

Gamache spähte in einen dunklen, verdreckten Flur des verlassenen Fabrikgebäudes, dann in einen anderen.

Sie sahen völlig gleich aus. Durch die schmutzigen, zerbrochenen Fenster der langen Korridore sickerte Licht, und mit ihm der Dezembertag.

Noch 43 Sekunden.

Entschlossen deutete Gamache in den linken Flur, und lautlos rannten sie auf die Tür an seinem Ende zu. Das Gewehr fest im Griff, sprach der Chief Inspector im Laufen ruhig in das Headset.

»Es besteht kein Grund zur Sorge.«

»Noch vierzig Sekunden, Sir.« Jedes Wort hervorgestoßen, als bekäme der Mann am anderen Ende kaum mehr Luft.

»Hören Sie einfach auf mich«, sagte Gamache und zeigte auf eine Tür. Das Team stürmte los.

36 Sekunden.

»Ich werde nicht zulassen, dass Ihnen etwas zustößt.« Gamaches Ton war entschieden, bestimmt, duldete keinen Widerspruch. »Sie werden heute mit Ihrer Familie zu Abend essen.«

»Ja, Sir.«

Das Einsatzteam umstellte die geschlossene Tür mit der schmutzigen Milchglasscheibe. Dahinter war es dunkel.

Gamache hielt inne und blickte auf die Tür, die Hand bereits erhoben, um das Signal zu geben, sie aufzubrechen. Um seinen Agent zu retten.

29 Sekunden.

Neben ihm stand Beauvoir bereit. Wartete auf das Kommando loszuschlagen.

Zu spät merkte Chief Inspector Gamache, dass er einen Fehler gemacht hatte.

»Mit der Zeit wird es schon wieder, Armand.«

Gamache erwiderte das Lächeln des älteren Mannes und ballte die rechte Hand zur Faust. Um das Zittern zu unterbinden. Es war so schwach, dass es die Bedienung des Cafés in Quebec City bestimmt nicht bemerkt hatte. Und die zwei Studenten, die auf der anderen Seite des Durchgangs auf ihren Laptops tippten, erst recht nicht. Niemand würde es bemerken.

Nur jemand in unmittelbarer Nähe.

Er betrachtete Émile Comeau, der mit sicherer Hand ein Croissant brach. Gamaches Mentor und ehemaliger Vorgesetzter ging inzwischen auf die achtzig zu. Sein Haar war weiß und gepflegt, die Augen hinter seiner Brille von einem stechenden Blau. Noch immer war er schlank und agil. Allerdings bemerkte Armand Gamache mit jedem Treffen ein leichtes Erschlaffen der Gesichtszüge, eine leichte Verlangsamung der Bewegungen.

Seit fünf Jahren Witwer, wusste Émile Comeau um die Macht und die Länge der Zeit.

Gamaches Frau, Reine-Marie, war am frühen Morgen abgereist, nachdem sie mit den beiden Männern eine Woche in Émiles Haus in der Altstadt von Quebec City verbracht hatte. Sie hatten am Kamin in aller Stille gemeinsam zu Abend gegessen, waren in den engen, verschneiten Straßen spazieren gegangen. Hatten geredet. Geschwiegen. Zeitung gelesen, über den Vorfall gesprochen. Zu dritt. Zu viert, wenn man Henri, den Schäferhund, mitzählte.

Und an den meisten Tagen war Gamache allein in eine Bibliothek gegangen, um zu lesen.

Das hatten ihm Émile und Reine-Marie zugestanden, denn sie hatten gemerkt, dass er das Alleinsein gerade ebenso sehr brauchte wie ihre Gesellschaft.

Und dann wurde es für Reine-Marie Zeit abzufahren. Nachdem sie sich von Émile verabschiedet hatte, wandte sie sich ihrem Mann zu. Groß und kräftig, ein Mann, der gute Bücher und lange Spaziergänge jeder anderen Aktivität vorzog. Er sah eher aus wie ein distinguierter Professor Mitte fünfzig statt wie der Leiter der renommiertesten Mordkommission Kanadas, der Sûreté du Québec. Er begleitete sie zu ihrem Auto, kratzte die morgendliche Eisschicht von der Windschutzscheibe.

»Du weißt schon, dass du noch bleiben kannst.« Er lächelte sie an, als sie sich in dem frostigen neuen Tag gegenüberstanden. Henri hockte in einem Schneehaufen und beobachtete sie.

»Ich weiß. Aber du und Émile braucht auch Zeit für euch. Mir ist nicht entgangen, wie ihr euch angesehen habt.«

»Das Verlangen?« Der Chief Inspector lachte. »Ich dachte, es wäre uns nicht so leicht anzumerken.«

»Einer Ehefrau entgeht nichts.« Sie lächelte, blickte in seine dunkelbraunen Augen. Obwohl er einen Hut trug, war sein ergrauendes Haar zu sehen, die leichten Locken, die unter der Krempe hervorlugten. Und der Vollbart. Nach und nach hatte sie sich an seinen Bart gewöhnt. Jahrelang hatte er einen Schnurrbart getragen. Erst seit Kurzem, seit dem Vorfall, trug er einen Vollbart.

Sie zögerte. Sollte sie es sagen? Inzwischen schwirrten ihr die Worte unaufhörlich im Kopf, lagen ihr ständig auf der Zunge. Sie wusste aber, dass sie nutzlos wären, falls man das von Worten überhaupt sagen konnte. Jedenfalls würde es nicht geschehen, nur weil sie es aussprach. Wäre das möglich, hätte sie ihn in ihre Worte eingehüllt.

»Komm einfach nach Hause, sobald du kannst«, sagte sie stattdessen leichthin.

Er gab ihr einen Kuss. »Auf jeden Fall. In ein paar Tagen, spätestens in einer Woche. Ruf mich an, wenn du da bist.«

Sie stieg ins Auto.

Er streckte seine behandschuhte Hand durchs Fenster, um sie an der Schulter zu berühren.

schrie sie in Gedanken.

Sie legte ihre behandschuhte Hand auf seine.

Und dann fuhr sie los, zurück nach Montréal, und sah im Rückspiegel, wie er an der verlassenen frühmorgendlichen Straße stand, Henri selbstverständlich an seiner Seite. Beide schauten ihr nach, bis sie verschwand.

Der Chief Inspector sah ihr sogar noch hinterher, als sie um die Ecke gebogen war. Dann griff er sich eine Schaufel und räumte den pulvrigen Neuschnee von der Eingangstreppe. Als er, die Arme auf dem Griff verschränkt, kurz ausruhte, staunte er über die Schönheit des ersten Tageslichts, wenn es auf Schnee fiel. Er sah dann mehr bläulich als weiß aus, und wenn die zu kleinen Haufen zusammengewehten Flocken das Licht auffingen, umgestalteten und zurückwarfen, funkelten sie wie winzige Prismen. Wie etwas Lebendiges, Trunkenes.

So war auch das Leben innerhalb der Mauern der Altstadt. Gleichzeitig beschaulich und dynamisch, altehrwürdig und lebendig.

Der Chief Inspector nahm eine Handvoll Schnee und formte sie in seiner Faust zu einem Schneeball. Henri sprang sofort auf und wedelte so heftig mit dem Schwanz, dass sein ganzes Hinterteil hin und her schwenkte. Sein Blick bohrte sich in den Schneeball.

Gamache warf ihn hoch, und der Hund sprang, fing den Schneeball mit dem Maul auf und biss zu. Und als er auf allen vieren landete, war Henri wie immer überrascht, dass dieses Ding, das so kompakt gewesen war, so schnell verschwunden war.

Einfach weg, blitzschnell.

Aber nächstes Mal würde es anders sein.

Gamache lachte leise in sich hinein. Vielleicht hatte Henri ja recht.

In diesem Moment kam Émile, wegen der beißenden Februarkälte in einem dicken Wintermantel, aus dem Haus.

»Kommst du?« Der alte Mann setzte eine Strickmütze auf, zog sie sich über Stirn und Ohren und schlüpfte in Fäustlinge, dick wie Boxhandschuhe.

»Wohin? Zu einer Belagerung?«

»Frühstücken, . Beeil dich, bevor dir jemand das letzte Croissant wegschnappt.«

Émile wusste, wie sein ehemaliger Untergebener zu motivieren war.

Ohne zu warten, bis Gamache die Schneeschaufel zurückgestellt hatte, ging er die verschneite Straße hinauf. Inzwischen waren auch andere Bewohner Quebec Citys wach. Sie kamen in das zarte Morgenlicht heraus, um Schnee zu räumen, das Eis von ihren Autos zu kratzen oder Kaffee und ein Morgenbaguette aus der Boulangerie zu holen.

Die zwei Männer gingen mit Henri die Rue Saint-Jean hinauf, an den Restaurants und Touristenshops vorbei zur Rue Couillard, einer kleinen Seitenstraße, wo sich das Chez Temporel befand.

Seit Superintendent Émile Comeau sich vor fünfzehn Jahren in der Altstadt Quebec Citys zur Ruhe gesetzt hatte, gingen sie regelmäßig in dieses Café, wenn Gamache seinen Mentor besuchte, um alle möglichen anfallenden Aufgaben für ihn zu erledigen. Schneeschippen, Brennholz für den Kamin aufschichten, Fenster gegen die Zugluft abdichten. Aber diesmal war es umgekehrt. Im Gegensatz zu den bisherigen Wintern war Chief Inspector Gamache diesmal nach Quebec City gekommen, weil er es war, der Hilfe brauchte.

»So.« Émile nahm die Tasse Café au Lait in seine schlanken Hände und lehnte sich zurück. »Wie kommst du bei...


Leeb, Sepp
Sepp Leeb hat Amerikanistik und Germanistik studiert und lebt in München. Er hat unter anderem Michael Connelly, Lawrence Block und Thomas Harris übersetzt und findet, obwohl ein großer Fan von Harry Bosch, dass Renée Ballard seinem Lieblingsermittler bei ihrem ersten Auftritt in »Late Show« in nichts nachsteht.

Penny, Louise
Louise Penny, 1958 in Toronto geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Angewandten Kunst achtzehn Jahre lang als Rundfunkjournalistin und Moderatorin in ganz Kanada. Mit dem Schreiben begann sie erst spät. Ihr erster Roman Das Dorf in den roten Wäldern wurde 2005 weltweit als Entdeckung des Jahres gefeiert, und auch die folgenden Gamache-Krimis wurden vielfach ausgezeichnet und eroberten die Bestsellerlisten in zahlreichen Ländern. Louise Penny lebt in Sutton bei Que´bec, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnelt.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.