E-Book, Deutsch, 473 Seiten
Peluso Lies of Glass and Magic
22001. Auflage 2022
ISBN: 978-3-646-60937-0
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Royale Romantasy über eine magielose Soldatin auf der Suche nach einem sagenumwobenen Spiegel
E-Book, Deutsch, 473 Seiten
ISBN: 978-3-646-60937-0
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Francesca Peluso wurde 1995 in Hessen geboren. Schon früh erwachte ihre Liebe zu Büchern, dem Lesen und Schreiben. Dabei hat sie eine Vorliebe für fantastische Welten, mutige Heldinnen und große Liebesgeschichten. Ihre Liebe für das gedruckte Wort veranlasste sie auch dazu, Buchwissenschaft im schönen Mainz zu studieren. Neben ihrem Studium ist sie begeisterte Tänzerin, Serienjunkie und Kaffeeliebhaberin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Prolog
Britannia befand sich im Krieg.
Magier gegen Menschen und jene, die ihr eigenes Blut verraten hatten, um auf der Seite dieser minderwertigen Kreaturen zu kämpfen. Menschen, denen aus einem unerfindlichen Grund eine Krone zuteilwurde, die es ihnen erlaubte, über die Magier zu regieren.
In welcher Welt herrschte das Lamm über den Löwen?
Nicht in der Welt, die Erazmus dabei war zu erschaffen. Er würde nicht länger einem König folgen, der sich für etwas Besseres hielt, nur weil auf seinem Haupt ein goldener Gegenstand ruhte. Die Menschen waren schwach, töricht und unrein. Sie verdienten es nicht, die Krone von Britannia zu tragen und dieses glorreiche Land zu regieren.
»Euer Bruder ist hier, um Euch zu sehen, Lord Reys«, erklang die Stimme seiner getreuen Gefährtin Octavia Blackwood, die seine rechte Hand in diesem Krieg war. Sie verfolgten dieselben Ziele und teilten die gleichen Ansichten.
Erazmus wandte den Blick von der Karte Britannias ab, die in seinen privaten Gemächern an die Wand gemalt worden war und die er in den vergangenen Stunden unentwegt angestarrt hatte. Die feinen Linien halfen ihm beim Denken, beim Pläneschmieden. Sämtliche Sitze der Magiergilden waren darauf verortet. Eine Erinnerung für ihn, wofür er tagtäglich kämpfte. Als Erazmus den Kopf hob, sah er, wie schwarzer Nebel um Octavia herumschwirrte, so, wie es bei den Umbra oft der Fall war. Die Finsternis gehorchte ihnen. Die Begabtesten unter ihnen wurden »Schattengänger« genannt und besaßen eine besondere Fähigkeit, deren Ausübung König James Warbeck jedoch verboten hatte: jedes Wesen mit einem Schatten zu befehligen.
Erazmus war ein Schattengänger, doch setzte er seine besonderen Kräfte stets mit Bedacht ein, niemals aus Wut. Aus Wut zu handeln war dumm und Dummheit brachte den Tod. Er war zu Höherem bestimmt. Als Kind mochte er das noch nicht verstanden haben, aber heute war das anders.
Heute führte er diesen Krieg an. Den Krieg, der Britannia befreien sollte. Der den Gilden der Magier die Herrschaft zurückgeben und die Menschen auf ihren rechtmäßigen Platz verweisen würde: auf ihre Knie. Von seinen Anhängern wurde Erazmus als Pionier betrachtet. Egal, wie jung er sein mochte. Seine Vorstellungen von der Zukunft sprachen für ihn. Ebenso seine Bereitschaft, alles für diese Zukunft zu tun.
Erazmus lief durch den Flur in Richtung des kleinen Ratszimmers, wo er mit seinen Anhängern die Angelegenheiten der Umbra diskutierte. Ein runder Tisch stand an der Seite vor dem Kamin, umgeben von einigen Stühlen. Die Wände, an denen er vorbeiging, waren aus dicken Mauern gebaut. Graue Steinblöcke reihten sich aneinander, die Böden waren aus schwarzem Marmor gefertigt. Durch einen Rundbogen betrat er das Sitzungszimmer, das von Kerzen erhellt wurde.
Sein Bruder Bellamy war einer der wenigen, die nicht Erazmus’ Gefolge angehörten und dennoch wussten, wo sich sein Anwesen Belfarsad befand. Obwohl er mit dem Rücken zu ihm stand, erkannte er seinen Bruder sofort. Das rote Haar war kurz geschnitten und ein langer brauner Mantel umhüllte seine schlanke Gestalt. Neben ihm stand etwas Großes, unter einem weißen Laken verborgen.
Erazmus breitete die Arme aus. »Bell, schön, dich zu sehen.« Er hatte seinen Bruder einige Monate nicht gesprochen. Seit der Krieg begonnen hatte.
Langsam drehte sich Bellamy zu ihm um. Ein harter Zug lag um seinen Mund. Er war nur wenige Jahre älter als Erazmus und doch war er bereits ein gestandener Mann: Ende zwanzig, verheiratet und, wie Erazmus zu Ohren gekommen war, bald Vater. Bellamy war ein angesehenes Mitglied in den Kreisen der Magier. Wohlhabend und mit dem richtigen Namen. Ihm stand die Welt offen und Erazmus hoffte, dass sein Bruder an seiner Seite stehen würde. So wie er es immer getan hatte.
Die braunen Augen seines Bruders lagen in diesem Moment auf ihm, aber es war pure Skepsis darin zu sehen. »Erazmus Reys. Weißt du, dass inzwischen jedes Kind beim Klang deines Namens erzittert? Du stehst für die Angst in diesem Land.«
Erazmus hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Sein Bruder war immer sehr moralisch gewesen, vertrat ganz die Ansichten ihres Vaters. Familie, Moral und Ehre. Dabei hatte dieser Mann von nichts davon eine Ahnung.
Langsam schüttelte er den Kopf. »Nicht für die Angst, Bruder. Sondern für die Veränderung.« Angst zu schüren war niemals seine Absicht gewesen. Doch Erazmus war nicht naiv. Man schuf kein neues Zeitalter ohne Opfer. Und er war bereit, viele zu opfern. Für ein besseres Britannia.
»Eine Veränderung, deren Weg unzählige Leichen pflastern. Willst du wirklich im ganzen Land für Angst und Schrecken sorgen?« Bellamy klang vorwurfsvoll, als würde er Erazmus für seine Taten verurteilen.
Eraszmus’ Augen wurden bei den Worten seines Bruders schmal. Hinter seinem Rücken ballte er die Hände zu Fäusten. »Mich müssen nur jene fürchten, die sich mit den Menschen verbrüdert haben. Diese Kreaturen unterdrücken uns bereits seit dem ersten Magischen Krieg.«
Dieser Krieg lag Jahrhunderte zurück und hatte damit geendet, dass die Magier sich beinahe selbst zerstört hatten. Die Menschen hatten für den Frieden gesorgt. Zumindest besagte das die Überlieferung. Und das war auch der Grund gewesen, warum man den Menschen die Herrschaft übertragen hatte. Eine Schande und ein Verbrechen in Erazmus’ Augen.
Bellamy kam einige Schritte auf ihn zu und warf die Hände in die Luft. »Und nun hast du einen zweiten Magischen Krieg angezettelt, bei dem Unzählige sterben werden!«
Erazmus schloss die Augen. Er hatte sich von seinem Bruder eine andere Begrüßung erhofft. Eine freundlichere. Doch aus Bellamy sprach schlicht die Furcht. Furcht vor dem, was eine solch große Veränderung für die Welt bereithalten würde. Ihm fehlte es an Vorstellungskraft, um das neue Zeitalter sehen zu können.
»Warum bist du hier, Bellamy?«, fragte Erazmus mit ruhiger Stimme und bedachte seinen Bruder mit einem ausdruckslosen Blick. Er würde höflich und neutral bleiben, so wie seine Mutter es ihm beigebracht hatte.
Bellamy schüttelte heftig den Kopf. »Ich wollte dich zur Vernunft bringen, aber wie ich sehe, ist das zwecklos. Du wirst dich von deinem Weg nicht abbringen lassen.«
Ein Gedanke schoss Erazmus durch den Kopf und erstickte alle anderen: Hatte er seinen Bruder verloren? Erazmus konnte sich das nicht vorstellen. Nicht nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten. Selbst als man ihn verstoßen hatte, war Bellamy für ihn da gewesen. Sie waren Brüder. Jetzt und für immer.
Doch Erazmus war mehr als nur ein Bruder. Er war die Hoffnung aller Magier. Er war der Einzige, der sich erhoben hatte. Der das Wort ergriffen und Taten hatte folgen lassen, um sich gegen die Herrschaft der Menschen aufzulehnen. »Nein, das werde ich nicht. Dieser Weg ist der richtige. Wir sind Magier, wir sollten nicht im Dreck vor einem König buckeln, der ein Nichts ist.«
König James hatte es nicht verdient zu herrschen. Die Magier mochten den Menschen zahlenmäßig zwar weit unterlegen sein, aber das gab den Menschen nicht das Recht, deren Kräfte für ihre Zwecke zu missbrauchen. Jedes Mal, wenn Erazmus nur an den König dachte, bebte er vor Zorn, vor Scham. Dieser Mann hatte ihn zu einem Monster gemacht, zu einem Geschöpf aus Dunkelheit, und Erazmus’ Magie zu einer Waffe geformt. Dieser König benutzte Magier und ihre Fähigkeit, wie es ihm beliebte. Das musste ein Ende finden, ein für alle Mal. Wer war er schon, dass er sich erdreistete, über die Magier zu bestimmen?
»Den Menschen wurde die Aufgabe des Herrschens anvertraut, weil sie sie nicht ausnutzen. Sie werden, im Gegensatz zu uns, nicht durch Machtgier und Neid beeinflusst«, beharrte Bellamy und sah seinen Bruder eindringlich an.
Doch die Worte prallten an Erazmus ab. Kopfschüttelnd sah er Bellamy an. Er hatte vergessen, dass sein Bruder ein Träumer und Optimist war. Er war naiv und glaubte stets an das Gute in jedem Wesen. Bellamy hatte nicht die Schrecken erlebt, die Erazmus hatte miterleben müssen. Sein Bruder kannte keine Züchtigung, keine Folter, keinen Überlebenswillen. Er hatte nicht im Dreck schlafen und bangen müssen, den nächsten Tag zu überleben. Erazmus war froh darum, dass Bellamy nichts davon hatte erdulden müssen. Doch nur darum konnte er die Augen vor der wahren Bedrohung verschließen.
»Natürlich werden sie das, Bruder. Sie sind lediglich zu schwach und können sich nicht das nehmen, was sie wollen. Auch sie streben nach Macht und Einfluss, nur sind ihnen die Hände gebunden. Im Gegensatz zu uns. Wir sind die mächtigsten Wesen in Britannia. Uns kann niemand aufhalten.«
Er sah, wie Bellamy die Zähne zusammenbiss und den Blick abwandte. Dabei...