Peinkofer | Phönix | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: IVI

Peinkofer Phönix

Roman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-492-97858-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: IVI

ISBN: 978-3-492-97858-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die 15-jährige Callista und ihr 16-jähriger Freund, der Jäger Lukan, leben in einem kleinen Dorf, deren Bewohner ein einfaches, bäuerliches Leben führen. Tagsüber scheint alles friedlich, doch mit Anbruch einer jeden Nacht beginnt der Schrecken: Geheinmisvolle Wesen, die noch niemand je zu Gesicht bekommen hat, gehen im Dunkel des Waldes auf die Jagd nach Menschen. Als Callistas kleiner Bruder verschwindet und sie und Lukan sich aufmachen, ihn zu suchen, offenbart sich ihnen die erschütternde Wahrheit. Denn die Welt, die sie zu kennen glaubten, existiert nicht. Und ihre Feinde sind ebenso unberechenbar wie mächtig ...

Michael Peinkofer, 1969 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Redakteur bei der Filmzeitschrift »Moviestar«. Mit seiner Serie um die »Orks« avancierte er zu einem der erfolgreichsten Fantasyautoren Deutschlands. Seine Romane um »Die Zauberer« wurden ebenso zu Bestsellern wie seine Trilogie um »Die Könige«. Mit »Die Legenden von Astray« führt Michael Peinkofer alle Fantasy-Fans in eine neue Welt.
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1


Sterne.

Solange sie zurückdenken konnte, hatten die glitzernden Lichter am Himmel Callista in ihren Bann gezogen.

Schon als kleines Mädchen hatte sie in klaren Winternächten hinaufgestarrt und sich gefragt, was jene winzigen, funkelnden Augen im Antlitz der Nacht bedeuten mochten. Und auch später, nachdem sie längst erfahren hatte, dass die Sterne nicht mehr waren als kleine Feuer am Firmament, hatten sie nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Callista liebte die Sterne – darum hatte sie sie als Motiv gewählt.

Ein um das andere Mal steckte sie die Nadel mit dem wollweißen Garn in das Leinengewebe, und wieder kam ein weiterer Stich hinzu. Jeweils vierundsechzig solcher in Kreuzform geführten Stiche formten einen Stern – und weit über einhundert Sterne hatte Callista bereits gestickt. Natürlich nicht nur an diesem Tag, sondern an ungezählten weiteren. Seit fast einem Jahr waren die Mädchen und Frauen von Moonvale mit der Herstellung des Wandteppichs befasst, der, wenn er einmal fertig sein würde, die Rückkehr des Phönix zeigte: Auf einer Fläche, die fünf Ellen lang war und ebenso breit, war zu sehen, wie der Phönix dem Großen Feuer entstieg und das von Sternen übersäte Firmament erklomm – jenen Sternen, an denen Callista arbeitete.

Tag für Tag.

Woche für Woche.

Mond für Mond.

Und sie konnte es nicht leiden.

Kreuzstiche, Plattstiche, Stielstiche und Spaltstiche – all das hatte Callista schon früh gelernt. Trotzdem fand sie es stumpfsinnig und eintönig, die Nadel wieder und wieder ins Leinen zu senken, nur um sie auf der anderen Seite wieder herauszuziehen. Zumal es im Dorf so viele andere Dinge zu tun gab, die Callista für weitaus wichtiger und sinnvoller hielt – Dinge freilich, die anderen vorbehalten waren, während Callista das tun und werden sollte, was auch ihre Mutter war und deren Mutter vor ihr: eine Bildwirkerin.

»Callista!«

Nicht die Stimme selbst, sondern das darauf folgende Kichern riss Callista aus ihren Gedanken.

Sie sah von ihrer Arbeit auf und blickte in das strenge Gesicht ihrer Mutter und der anderen Frauen, die um den langen Tisch versammelt saßen. Offenbar war sie schon mehrmals angesprochen worden, aber Callista hatte nicht reagiert. Wie so oft, wenn sie in ihren Gedanken versunken war …

»Wo hast du nur wieder deinen Kopf? Wir sprachen darüber, dass der Wandbehang in diesem Jahr ganz besonders schön werden wird – und Rohesia meinte, dass das ganz besonders dein Verdienst sei!«

»Deine Sterne«, fügte Rohesia Payne, die Frau des Dorfvorstehers Everard Payne, erklärend hinzu. Sie war nur wenig älter als Callistas Mutter, doch ihr Haar war bereits von Grau durchzogen. Rohesia war ebenso bekannt wie berüchtigt für ihre spitze Zunge und ihren Klatsch. Wollte man eine Neuigkeit in Moonvale verbreiten, brauchte man es nur Rohesia zu sagen – alles Weitere erledigte sich von selbst. »Sie sind wunderschön, Kind.«

»Da-danke«, erwiderte Callista ein wenig verdutzt. Es kam nicht so oft vor, dass sie ihrer Arbeit wegen gelobt wurde. Meistens hieß es, sie hätte schlampig oder zu hastig gestickt und ihre Stiche seien entsprechend unregelmäßig.

»Freust du dich, wenn der Graf uns besuchen kommt?«, erkundigte sich Margery, Rohesias jüngste Tochter, die erst vierzehn war, aber kaum weniger mitteilsam. Außerdem sah sie ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich: die rundliche Miene, die rosigen Wangen, die schmalen, listig funkelnden Augen. Sogar in der Haarfarbe schien Margery ihrer Mutter nachzueifern – ein blasses, fast weißes Blond lugte unter ihrer Haube hervor.

»Warum sollte ich?«, fragte Callista dagegen.

»Na ja, weil …«, begann Margery, unterbrach sich dann aber und wurde rot.

»Was Margery meint«, half Rohesia aus, nicht ohne ihrer vorlauten Tochter einen tadelnden Blick zuzuwerfen, »ist, dass du langsam das Alter erreicht hast, meine Liebe.«

»Das Alter?« Callista warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu. Deren Kopfschütteln sollte wohl bedeuten, dass sie nicht gewusst hatte, dass dieses Thema zur Sprache kommen würde …

»Nun – um verheiratet zu werden«, erläuterte Rohesia überflüssigerweise.

»Callista wird erst im kommenden Winter sechzehn«, stellte ihre Mutter klar.

»Und damit wird sie alt genug sein, um zu wählen«, beharrte Rohesia und wandte sich wieder Callista zu, ein tantenhaftes Lächeln im runden Gesicht. »Hast du denn schon einen Blick auf einen jungen Mann geworfen, meine Liebe?«, fragte sie unverblümt. »Ben etwa, der Sohn des Tischlers, ist zu einem stattlichen Burschen herangewachsen – und er ist genau in deinem Alter. Und auch mein Diggory freut sich sehr, wann immer er dich sieht …«

»Wie schön für ihn.« Callista rang sich ein Lächeln ab.

Das fehlt gerade noch, sagte sie sich. Diggory Payne ist ein Trottel, wie er im Buche steht. Er hat den Verstand einer Ameise und das Gemüt einer Spaltaxt. Wenn ich irgendwann heirate, dann ganz bestimmt nicht ihn …

»Natürlich möchte dich niemand drängen«, fuhr Rohesia unbeirrt fort. »Doch wenn du dich für Diggory entscheiden solltest, wäre es gewiss nicht zu deinem Schaden – und auch nicht zu dem deiner Familie«, fügte sie mit einem bedeutsamen Blick in Richtung von Callistas Mutter hinzu. »Unsere Familie verfügt über großen Einfluss im Dorf. Eine Verbindung mit ihr …«

»Wir wollen nichts überstürzen«, wandte Callistas Mutter ein, als sie die wachsende Panik in den Augen ihrer Tochter sah.

»Gewiss, meine Liebe.« Rohesia nickte. »Doch wir sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass der Graf unser schönes Moonvale bereits sehr bald besuchen kommt – und was für eine Freude wäre es für ihn, wenn er in diesem Jahr zum Erntefest wieder Zeuge einer Vermählung werden dürfte!«

»In der Tat, das wäre es«, stimmten die anderen Frauen zu und nickten beifällig, was Callista dazu nötigte, ihrer Mutter einen Hilfe suchenden Blick zuzuwerfen.

»Nun – kommt Zeit, kommt Rat«, sagte diese mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ, worauf die zwölf Frauen, die alle zugleich an dem Wandteppich arbeiteten, zustimmend nickten. Callista bedankte sich mit einem Lächeln.

Das Thema schien vorerst vom Tisch zu sein, trotzdem hatte Callista von Rohesias Reden genug, ebenso wie vom Sticken. Immer wieder blickte sie verstohlen zum Fenster und sehnte den Augenblick herbei, da die Sonne endlich hinter dem First des benachbarten Hauses versinken würde. So hoch wie im Sommer stand sie ohnehin nicht mehr, die Tage wurden bereits kürzer. Dennoch konnte Callista es kaum erwarten, bis die Glocke im Wachturm endlich schlug und das Ende des Tages einläutete. Alle, die außerhalb der Dorfmauern arbeiteten, würden dann zurückkehren – die Bauern und Feldarbeiter, die Schäfer und auch die Jäger …

Aber noch war es nicht so weit.

»Ich bin froh, dass das Bild rechtzeitig zur Erntefeier fertig wird«, begann Callistas Mutter wieder, wohl um das Thema zu wechseln. »Zwar ist es nur noch ein halber Mond, aber wir liegen gut in der Zeit. Der Graf wird sich über das Geschenk sicher freuen.«

»Sicher«, versetzte Rohesia Payne säuerlich. »Wenn es schon sonst nichts gibt, worüber er sich freuen kann.«

Das Schweigen, das daraufhin einsetzte, lastete schwer auf Callista. Denn was Rohesia tatsächlich meinte, war klar: Ganz egal, wie sehr sie sich bemühen mochten – im Vergleich mit einer Eheschließung, aus der neue Kinder und damit neue Arbeiter hervorgehen würden, war ein Wandbehang nur ein Trostpreis, der den Grafen erfreuen, aber nicht zufriedenstellen würde.

Und ich bin schuld daran, sagte sich Callista.

Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gefühl hatte – dabei gab sie sich wirklich Mühe! Sie hatte nicht widersprochen, als ihr Vater bestimmt hatte, dass sie wie ihre Mutter Bildwirkerin werden sollte, und obwohl sie es sterbenslangweilig fand, den ganzen Tag auf dem Stuhl zu sitzen und zu sticken, und es leid war, sich ständig mit der Nadel in den Finger zu stechen, tat sie von morgens bis abends nichts anderes, Tag für Tag. Und doch hatte sie immer den Eindruck, dass es nicht genügte.

Schon mein ganzes Leben lang …

Als die Glocke endlich zum Feierabend schlug, gab es kein Halten mehr. Callista legte Nadel und Garn beiseite und schickte sich an aufzustehen.

»Nanu?«, machte ihre Mutter und sah sie fragend an. »Wo wollen wir denn hin?«

»Hinaus zu den anderen«, gab Callista knapp bekannt. »Es ist Feierabend.«

»Wir sind noch nicht fertig.«

»Aber die Glocke schlägt!«

»Mein Kind.« Rohesia Payne lächelte in schlecht gespielter Nachsicht. »Die Arbeit ist nicht beendet, wenn die Glocke schlägt, sondern wenn sie getan ist.«

»Ich weiß, tut mir leid.« Callista hielt es kaum noch aus. Sie hatte das Gefühl, gleich zu platzen. »Darf ich trotzdem gehen? Bitte, Mutter …«

In den sanften Zügen ihrer Mutter war beides zu lesen – Unmut über Callistas Ungeduld, aber auch Verständnis. »Also gut«, erklärte sie sich schließlich einverstanden. »Aber sei vorsichtig, hörst du?«

»Ja, Kind«, stimmte Geva Fletcher, die Frau des Pfeilmachers, mit besorgter Miene zu. »Bleib bei den anderen und geh nicht in den Wald. Sei bei Anbruch der Dunkelheit zurück.«

»Natürlich, wie immer«, versicherte Callista – dann war sie schon auf...


Peinkofer, Michael
Michael Peinkofer, 1969 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Redakteur bei der Filmzeitschrift »Moviestar«. Mit seiner Serie um die »Orks« avancierte er zu einem der erfolgreichsten Fantasyautoren Deutschlands. Seine Romane um »Die Zauberer« wurden ebenso zu Bestsellern wie seine Trilogie um»Die Könige«. Mit »Die Legenden von Astray« führt Michael Peinkofer alle Fantasy-Fans in eine neue Welt.

Michael Peinkofer, 1969 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Redakteur bei der Filmzeitschrift »Moviestar«. Mit seiner Serie um die »Orks« avancierte er zu einem der erfolgreichsten Fantasy-Autoren Deutschlands. Seine Romane um »Die Zauberer« wurden ebenso zu Bestsellern wie seine neue Trilogie um »Die Könige«. Mit »Phönix« beginnt er seine erste Young-Adult-Trilogie.



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