Pavignano | Ohne Halt ins Blaue | Buch | 978-3-947767-04-5 | www2.sack.de

Buch, Deutsch, 151 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 210 mm, Gewicht: 173 g

Pavignano

Ohne Halt ins Blaue


in Deutsch übersetzte Ausgabe von "In bilico sul mare"
ISBN: 978-3-947767-04-5
Verlag: nonsolo Verlag

Buch, Deutsch, 151 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 210 mm, Gewicht: 173 g

ISBN: 978-3-947767-04-5
Verlag: nonsolo Verlag


"Auch wenn diese Geschichte der Fantasie entspringt" schreibt Anna Pavignano, Autorin dieses Romans, "gibt es tatsächlich junge Leute, die in Küstenorten oder auf den italienischen Inseln leben und, wie Salvatore sagt, ein Leben führen, das eine Sommer- und eine Winterseite hat, wie eine Matratze. Ein Leben am Meer und eins auf der Baustelle. Ich habe auf der Insel Ventotene einen der vielen Salvatores getroffen, und er hat mir von dieser Realität erzählt, die ich nicht kannte. Daraus ist die Idee zu diesem Buch entstanden."
Eine Geschichte von Liebe und Freundschaft, vom Meer und vom Glücklichsein, aber auch eine Geschichte über Tragödien, über Arbeitsunfälle und illegale Einwanderung. In den Themen so zweigeteilt wie die Lebensrealität des Protagonisten.

Die bildhafte Schreibweise und die authentische Darstellung nehmen uns mit an den Ort des Geschehens und lassen uns unmittelbar an der Geschichte teilhaben. Ein wunderbares Leseerlebnis, das ein differenziertes Bild der italienischen Lebensrealität vermittelt.

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Das Meer ist blau, der Ziegelstein ist rot. Die Wellen machen Schaum, der Kalk Blasen.
Im Sommer scheint die Sonne, und es ist heiß.
Im Winter scheint auch die Sonne, aber es ist kälter.
Meine Insel ist ein hingespucktes Stück schwarze Erde mitten im Meer, und zum Glück sind die Häuser rosa und gelb, denn wenn ich zurückkomme – vor allem wenn ich lange weg war zum Arbeiten -, machen sie mich schon von weitem froh.
Mein Boot ist weiß und blau, und ich hab es selber angestrichen.
Ich hab auch ein Sonnensegel draufmontiert, das vorher nicht da war.
Von einem, der drei Jahre lang versucht hatte, sein Motorboot loszuwerden, hab ich Polster aus Kunstleder gekauft, Sitzkissen, die wie für die Außenbänke gemacht waren: sogar das spitze vorne für den Bug passt perfekt.

Manchmal tobt das Wasser so wütend in den Hafen, dass man tagelang nicht rein- und rausfahren kann. Und dann ist es hier, als wär man aus der Welt. Wir von hier, wenn wir abgeschnitten sind, dann machen wir einfach unsere normalen Sachen weiter und tun ganz gelassen. Aber wenn wir uns anschauen, ist da doch ein bisschen Angst. Wie um zu sagen: „Wann hört das wieder auf?“, oder einfach nur: „Hört das überhaupt mal wieder auf?“
Irgendwann hört es dann auf – immer.
Dann kommen die Schiffe. Und fahren wieder weg.
Und die Touristen, wenn welche da sind, fahren wieder heim. Die sind an den Tagen, wo sie hier festsitzen, alles andere als gelassen. Sie sind stinksauer auch auf uns, die wir hier leben. Als ob wir was dafür könnten, dass man nichts machen kann, damit das Meer wieder glatt wird und der Wind aus der richtigen Richtung weht.
Die Leute haben schlechte Gewohnheiten. Sie sind gewöhnt, dass es immer irgendeinen Weg gibt, um die Situationen so hinzudrehen, dass sie es schön bequem haben.
Dabei hat mein Vater mir beigebracht, dass man manche Sachen, wie die Natur, eben so nehmen muss, wie sie sind.
Er fährt Linienschiffe, und als ich klein war, hab ich ihn bewundert. Wenn ich ihn so sah mit dem Steuerruder in der Hand, hab ich immer gedacht, dass ich diese Arbeit auch machen will, damit ich so toll werde wie er. Später, wenn du älter wirst, werden die Väter weniger wichtig, und dann siehst du sie so, wie sie sind. Aber damals, so ganz in Weiß mit so goldenem Schmuck auf dem Hemd, da kam er mir vor wie ein ganz Großer. Dabei hat er selber immer wieder zu mir gesagt, du glaubst wohl, so ne Fähre zu steuern ist weiß Gott was für ein Abenteuer, aber nach ner Weile ist es auch nichts anderes als Bus fahren.
Ich war noch fast ein Kind, als ich zum ersten Mal ganz alleine aus dem Hafen rausgefahren bin, in einer Nussschale, zu der man nicht wirklich Boot sagen konnte. Mein Herz hat geklopft wie verrückt, aber ich wollte nicht zugeben, dass ich Angst hatte. Ich hab mich erwachsen gefühlt, und das fand ich ziemlich gut. Ich hatte sogar schon ein Barthaar am Kinn, das mir vor ein paar Tagen gewachsen war; im Wind, der draußen auf dem Meer immer weht, kam es mir so vor, als würde es sich auf und ab bewegen, und während ich mit einer Hand das Steuer hielt, hab ich es mir mit der anderen glattgestrichen, so wie ich es bei meinem Vater mit seinem Schnurrbart gesehen hatte.


Als ich in der 9. Klasse zweimal sitzengeblieben war, hat er nicht mehr drauf bestanden, dass ich weiter in die Schule soll. Er ließ mich in Ruhe, und kaum war ich sechzehn, hab ich den Bootsführerschein gemacht und ein schönes Schild an mein Boot gehängt, auf dem stand: „Willst du aufs Meer? Zu jeder Zeit steht Salvatore für dich bereit. Tag- und Nachtfahrten.“
Am Anfang schauten die anderen, die auch Ausfahrten mit den Touristen machten, auf mich runter. Weil sie dachten, ich wär noch ein kleiner Junge.
„Das will ich mal sehen, was du machst, wenn irgendwas passiert“, sagten sie zu mir. Aber in Wirklichkeit hatten sie nur was gegen mich, weil ich noch einer mehr war, der ihnen die Arbeit wegnahm.
„Was soll mir denn schon passieren?“, fragte ich zurück.
„Irgendwas halt. Leute rumfahren heißt Verantwortung.“
Sie dachten, ich wäre ein Stümper, der mit Notfällen nicht umgehen kann und sofort zu heulen anfängt, wenn mal was nicht so gut läuft.
Dann war da irgendwann so ein Depp mit seinem Katamaran, der in den Hafen reinwollte und es nicht schaffte, und es war sonnenklar, dass es den gegen die Felsen haut, wenn er so weitermacht. Denn der Mistral schmeißt dich hier immer wieder raus: Wenn du kein Experte bist, kommst du nicht rein.
Aber alle machten sich ins Hemd, als es drum ging, den reinzuholen. Ich hab mein Boot vorne losgemacht und bin raus. Und die anderen am Hinterherschreien:
„Komm wieder rein, sonst sag ich´s deinem Vater!“
Mir war das scheißegal.
Ich bin trotzdem rausgefahren und hab diesem Stümper gezeigt, was er machen muss, und alles war gut. Und am Abend hat er mich sogar ins Hafenrestaurant zum Essen eingeladen.
Gegessen hatte ich da noch nie, auch wenn ich jeden Tag dran vorbeigelaufen bin und vor der Eröffnung auch schon ein bisschen dort gearbeitet hatte. Ich war damals in der Mittelstufe, und wenn ich aus der Schule kam, bin ich dort helfen gegangen: eine kleine Wand einreißen oder irgendwas streichen. Sie gaben mir ein bisschen Geld dafür, das konnte ich gut brauchen.
Aber dann, seit sie die Einrichtung hatten und die bunten Lichter und die feinen Tischdecken, war ich nicht mehr drin gewesen.
An dem Abend, als ich als Gast da drin war und bedient und betüdelt wurde, hab ich mich toll gefühlt, weil ich es spannend fand, da zu sitzen, und weil ich dachte, dass ich mir den verdient hatte, den schönen Platz auf der Aussichtsterrasse, mit Kerze auf dem Tisch und mit dem Kellner, der dir immer, wenn du ausgetrunken hast, direkt wieder einschenkt. Aber ganz ehrlich: meine Mutter kocht besser.

Von da an haben meine Kollegen angefangen, mich zu respektieren. Und Tonino Capa di ciuccio , der mich am meisten schlechtgemacht hatte, weil er nur ein paar Jährchen älter ist als ich und fast das gleiche Boot hat, ist sogar mein Freund geworden und hat angefangen, mir ein paar Ratschläge zu geben. Auch wenn ich – und das sag ich nicht aus Angeberei – eigentlich gar keine nötig hatte.
Ich wusste schon, wie der Hase läuft, denn wir, die diese Art Arbeit machen, wir kriegen alle Sorten Leute zu sehen, und da lernt man schnell.
Da sind zum Beispiel die, die sich rumfahren lassen und nicht mit dir reden, aber höflich sind, und dann aber auch solche, die dich behandeln, als ob du ihr Diener wärst.
Die geben dir Befehle: „Fahr mich da hin!“, „Halt hier an“.
Die meinen, sie können dich rumkommandieren, nur weil sie dich bezahlen.
„Pah“, sag ich zu denen, „du glaubst wohl, du hast dir nen Knecht angeschafft? Ich fahr dich dahin, wo ich will! Wenn ich will!“ Ich sag denen gleich, was Sache ist, und dann lernen die schon bald, sich zu benehmen.
Aber die meisten sind nette Leute, die wollen einfach nur in der Sonne liegen und schön baden gehen und Gott einen guten Mann sein lassen.
Bei solchen, die mir sympathisch sind, schmeiß ich den Anker und spring mit denen zusammen ins Wasser. Die liegen dann ein Stündchen am Strand und ich leg mich vorne am Bug zum Trockenwerden hin; manchmal schlaf ich dann sogar ein. Ich spür, wie meine Augendeckel schwer werden, wie die Wärme durch mich durchgeht, und dann dämmere ich ganz langsam weg, wie ein Baby beim Schlaflied.
Wo findest du schon nen Job, auf dem du bei der Arbeit schlafen kannst? Wo du gewiegt wirst und dabei schläfst? Denn das macht das Meer: es wiegt dich, ganz von selber.
Einen Job, bei dem du alle Freiheit hast, die du nur willst? Weil so bin ich: wenn mir die Nase von einem nicht gefällt, dann hab ich keine Angst davor, dem ins Gesicht zu sagen: „Dich lass ich nicht auf mein Boot. Wir sind so viele hier, du findest bestimmt einen, der dich fährt.“
Denn es gibt immer einen, der Kinder hat oder alte Eltern, so wie zum Beispiel Tonino Capa di ciuccio mit seiner Mutter, die keine Rente kriegt. Der hält sich dann die Nase zu und fährt jeden durch die Gegend.
Dafür nimmt er dann eben ein bisschen mehr Geld, das merken die sowieso nicht. Hat er mir auch geraten.
Aber ich mach das lieber nicht.
Für mich steht die Freiheit ganz oben.


Pavignano, Anna
Anna Pavignano, geboren in der Provinz Novara, erhielt als mitwirkende Drehbuchautorin des Oscar-nominierten Films Il Postino (Der Postmann, Regie Michael Radford) Weltberühmtheit. Mit dem Filmstar Massimo Troisi, der in Il Postino die Hauptrolle spielte und mehrere Drehbücher Pavignanos als Regisseur und Hauptdarsteller verfilmte, verband sie eine große Liebe. Ihre Beziehung und Zusammenarbeit hielt bis zu dessen Tod. Seit 2007 ist sie neben ihrer Arbeit als Drehbuchautorin als Schriftstellerin tätig. Ohne Halt ins Blaue ist ihr zweiter Roman und erschien 2009 bei edizioni e/o.

Anna Pavignano, geboren in der Provinz Novara, erhielt als mitwirkende Drehbuchautorin des Oscar-nominierten Films "Il Postino" ("Der Postmann", Regie Michael Radford, Hauptdarsteller) Weltberühmtheit. Mit dem Filmstar Massimo Troisi, der in Il Postino die Hauptrolle spielte und mehrere Drehbücher Pavignanos als Regisseur und Hauptdarsteller verfilmte, verband sie eine große Liebe. Ihre Beziehung und Zusammenarbeit dauerte bis zu dessen Tod an.
Seit 2007 ist sie neben ihrer Arbeit als Drehbuchautorin als Schriftstellerin tätig. "Ohne Halt ins Blaue" ist ihr zweiter Roman und erschien 2009 bei edizioni e/o.



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