Paul | Die Trostbriefschreiberin | E-Book | www2.sack.de
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E-Book, Deutsch, 357 Seiten

Paul Die Trostbriefschreiberin


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7554-4215-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 357 Seiten

ISBN: 978-3-7554-4215-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Als die Freiburger Reporterin Mel Burger den Auftrag erhält, in ein aufgelöstes Kloster in der Eifel zu fahren, ahnt sie nicht, was sie damit auslöst. Die 99-jährige, sehr angesehene und beliebte ehemalige Priorin weigert sich, als Letzte das Kloster zu verlassen. Niemand weiß, warum. Als der Investor eine Millionenspende für die klamme Stadt auslobt, überschlagen sich die Ereignisse. Während die Bürger vor dem Kloster demonstrieren, erzählt die Nonne Mel Burger ihr Leben. Aber es gibt ein schreckliches, dunkles Geheimnis im Lebenslauf der Nonne. Was hat sie 1940 gemacht, über das sie nicht sprechen will?   Nach dem Erfolg von 'Versteckt im Schwarzwald' greift Michael Paul in diesem packenden Roman das Thema Schuld aus verschiedenen Perspektiven auf, auch wenn diese mehr als 80 Jahre zurückliegt.   Mit einem Vorwort von Kurt Schrimm, ehem. Ltd. Oberstaatsanwalt der Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen und einem Hintergrundartikel von Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte Grafeneck e.V.

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1

Mel sah in Gedanken versunken hinunter auf den Asbergplatz. Diese kleine, rechteckige, grüne städtische Oase mit dem Kinderspielplatz, der Wiese, den Rosen, den Fliederbüschen und dem hässlichen grauen Trafohäuschen bot allen Anwohnern der den Platz rundum einfassenden Häusern Luft und Raum. Besser, als auf einen Bau auf der anderen Straßenseite zu schauen. Die Lage in Klettenberg, dem Stadtteil im Südwesten Kölns, war ein kleiner Geheimtipp, und sie war froh gewesen, durch Zufall hier diese kleine Zweizimmerwohnung im Eckhaus unterm Dach bekommen zu haben. Es erschien ihr wieder wie gestern, dass ihr Leben noch ganz anders ausgesehen hatte, die Welt noch in Ordnung gewesen war. Sie hatte in Freiburg gelebt, zusammen mit Adrian, ihrem Mann. Sie war als freischaffende Journalistin nach ihren ersten Jahren bei der Badischen Zeitung zur Sprecherin des RND, dem »Recherchenetzwerk Deutschland«, aufgestiegen. Adrian und sie konzentrierten sich auf ihre Karrieren und auf sich, ihre Liebe. Mit zweiunddreißig dachte Melanie langsam auch über Kinder nach. Zwei oder drei? Adrian wollte noch viel mehr. Der Gedanke hatte ihr gefallen. Wobei sie keinen Plan hatte, wie sie das mit ihrem Job in Einklang würde bringen können, den sie auf keinen Fall aufgeben wollte und für den sie oft tagelang investigativ irgendwo im Land, manchmal auch im Ausland unterwegs war. Vielleicht noch zwei, drei Jahre, hatten sie sich damals gesagt.
Und dann war es plötzlich vorbei gewesen, vor zwei Jahren. Adrian war nach einem Streit weggefahren. Mel konnte sich kaum erinnern, um was für eine Lappalie es gegangen war. Vermutlich hatten sie beide einen stressigen Tag gehabt und es dann einfach nur gegenseitig aneinander ausgelassen. Adrian hatte »Mach doch, was du willst!« geschrien, die Wohnungstür zugeknallt und war mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen davongerast. Mel hatte ihm mit Tränen in den Augen vom Fenster aus hinterhergeschaut. »Geht nie im Streit auseinander!«, hatte ihre Mutter immer gesagt. »Ihr wisst nicht, ob es nicht das letzte Mal ist!«
An dem Tag war es das letzte Mal gewesen. Zweieinhalb Stunden später hatten zwei Polizisten vor ihrer Tür gestanden. Das war die Situation, in der die Beamten sich jedes Wort sparen konnten, der Moment, vor dem alle Liebenden Angst hatten, solange sie lebten. Und genau in dem Moment wussten, was das bedeutete. Auch Mel hatte es sofort gewusst. Die Beamten hatten ihr die traurige Mitteilung überbracht, dass ihr Mann oberhalb des Höllentals von einer geraden Straße abgekommen und frontal mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt war. Er war sofort tot gewesen, der Wagen ein kaum noch erkennbarer Schrotthaufen. »Vielleicht war er vom Handy abgelenkt«, hatte einer der Polizisten gemutmaßt, da kein anderes Fahrzeug in der Nähe gewesen war. Als sie dann wieder allein gewesen war und ihr Handy in die Hand genommen hatte, um ihre Mutter anzurufen, hatte sie die Meldung aufleuchten sehen: »Adrian, 3 verpasste Anrufe«. Bevor sie noch jemanden hatte anrufen können, war sie mit einem Schreikrampf zusammengebrochen. Eine Nachbarin hatte es rumpeln und sie schreien gehört und den Notarzt angerufen. Melanie kam in eine Klinik, landete in einer tiefen Trauer und Depression. Sie hatte ihren Posten beim RND aufgegeben, war in eine kleinere Wohnung gezogen und igelte sich ein, schottete sich von der Außenwelt ab. Sporadisch konnte sie für die Badische Zeitung noch Artikel schreiben, doch das Zeilengeld reichte kaum zum Leben. So war sie am Ende dankbar, dass Joe Hengstler, der Chefredakteur der BAZ, der »Bonner Allgemeinen Zeitung«, der sie von früher sehr gut kannte, sie ins Rheinland zurückgeholt hatte. Sie hatte wegmüssen aus Freiburg, der schönen Stadt, in der sie alles an Adrian erinnerte. Und daran, dass sie ihn hatte im Streit gehen lassen. Wegen nichts von Bedeutung! Ganz sicher würde er noch leben, wenn sie nicht mit ihm gestritten hätte. Dieses Schuldgefühl plagte sie seither jeden Tag, jede Nacht, jede Stunde, seit er tot war.
Unten auf der Straße spielten zwei Kinder mit einem Ball. Neben der ruhigen Lage war es zum Beethovenpark nicht weit, durch den sie, wann immer sie es morgens schaffte, eine Runde joggen ging, bevor sie nach Bonn in die Redaktion fuhr. Doch nicht heute, an diesem Montag im August 2022. Im Radio in der Küche liefen Nachrichten über den Ukraine-Krieg. »Verdammt«, sagte sie, »was ist nur mit dieser Welt los?« Ihr Schädel brummte noch von der Geburtstagsparty bei Caro, ihrer besten, eigentlich ihrer einzigen Freundin. Und das Aspirin entwickelte noch nicht die gewünschte Wirkung. Wie kann man Sonntagabend nur Geburtstag feiern?, fragte sie sich. Caro, mit vollem Namen Dr. Carolina Martens, war ihr an einem ihrer ersten Tage in Köln zufällig beim Bummel in der Schildergasse begegnet. Sie hatten am gleichen Tisch gesessen, einen Kaffee getrunken und waren ins Gespräch gekommen. So wurde daraus mit der Zeit eine enge Freundschaft. Besser als mit einem Mann. Nur zum Reden, zum Verstehen, zum Helfen, zum Zuhören. So kannte längst niemand Mel Burger besser und verstand sie so gut wie ihre Freundin Caro.
> verfluche dich!!!!!!!! ;-) > megaparty
Sie tippte es in ihr Handy, während sie im Vorbeigehen auf den roten Startknopf ihrer Kaffeemaschine drückte. Am Radio drehte sie das unerträgliche Hämmern von »Another one bites the dust« ab. Im selben Moment klingelte ihr Smartphone. »Ich verfluche dich!«, brummte sie ins Handy. »Was? Mel? Ist alles okay?«, fragte eine irritierte männliche Stimme. »Oh, Joe! Sorry, ich dachte … ach egal. Was ist los?« »Was machst du gerade?« »Kaffee einlaufen lassen und einer Aspirin eine Chance geben. Na ja, so was in der Art.« »Okay, verstehe. Lutsch das Aspirin, eklig, aber hilft, trink den Kaffee aus, schwing dich in deinen Oldtimer und komm in die Redaktion. Es gibt Arbeit für dich.« »Okay, ich versuche es!« Mel bemühte sich, dabei motiviert zu klingen, was ihr aber nur mäßig gelang. Denn eigentlich rief Joachim Hengstler, ihr Chefredakteur bei der BAZ, nur an, wenn er wirklich etwas Dringendes hatte.
Zwanzig Minuten später saß sie in ihrem vierzig Jahre alten weißen Volvo Kombi und bog vom Militärring auf die A555. Sie liebte den rostigen, etwas verbeulten, aber unverwüstlichen Wagen, den sie von ihrem Vater geerbt hatte und daher, auch wenn sie ihn wenig pflegte, in Ehren hielt. Vorbei an Rodenkirchen und den so hässlichen wie imposanten Raffinerieanlagen in Wesseling fuhr sie ihren täglichen Weg in Richtung Bonn. Gut, dass die Redaktion am Rande der Altstadt eine eigene Tiefgarage hatte und sie darin einen festen Platz. Das sparte Zeit, Nerven und Geld. Sie dachte noch einmal an den Anruf ihres Chefs. Was sollte es bei ihr als kleiner Lokalredakteurin schon Dringendes geben? War die Hauptversammlung des Kaninchenzüchtervereins »Lange Löffel 09« verschoben worden? Gab es einen Spendenskandal im Gesangverein »Goldene Kehlen« in Bad Godesberg? Oder hatte der Stürmer von Victoria Porz den Verein gewechselt? Schwul könnte er sein, ein Outing vor der Presse gemacht haben. Schwul im Männerfußball, offen und frei! So wie es bei den Frauen längst normal ist, ja, das wäre mal was! Diese Weicheier, dachte Mel. Okay, Joe, wenn es das ist, ist es in Ordnung, dass du mich heute Morgen in die Redaktion holst. Aber nur dann. Sonst gnade dir Gott!
Der Hörer krachte auf die Gabel, sodass sogar die Sekretärin im Vorzimmer zusammenzuckte. Dabei hatte das Amtszimmer des Erzabtes eine doppelflügelige, sehr dicke, alte Holztür. Normalerweise drang kein Laut hindurch. Allerdings gab es im Amtssitz des Erzabtes Christian, mit bürgerlichen Namen Jan Schwertfeger, auch nie Krach, einen Schrei schon gar nicht. Das erschien bis dahin vollkommen ausgeschlossen in diesen heiligen Hallen, die jeden zur Ehrfurcht ermahnten, der sie betrat. Bis eben zu diesem Moment. Verschüchtert klopfte die Sekretärin an die Tür, öffnete sie einen Spalt und steckte den Kopf hinein. »Alles in Ordnung, Herr Abt?« »Ja, ja, schon gut. Verzeihen Sie! Lassen Sie nach dem Cellerar rufen bitte. Ich muss ihn umgehend sprechen. Es ist wichtig!« Sein Gesichtsausdruck ließ keine Zweifel zu, dass dies ein Auftrag oberster Priorität war. Sie schloss leise die Tür, eilte zu ihrem Schreibtisch und wählte die Nummer des Finanz- und Personalchefs des Ordens. Pater Johannes Brandstätter bekleidete das hohe Amt erst seit einem Jahr und hatte in den Ordenskassen und der Buchhaltung ein einziges Desaster vorgefunden. Mit harter Hand und konsequenten Maßnahmen hatte er die akute Existenzkrise des Ordens innerhalb kürzester Zeit zunächst abgewendet. Neben rückläufigen Einnahmen waren die Überalterung und oft nur noch wenige alte Nonnen in den drei angeschlossenen Klöstern ein Grund für die Krise. Das war die offizielle Begründung, auf die der Abt bestanden hatte. Dass der vorherige Cellerar massiv Finanzrücklagen und Liquidität in riskanten Spekulationen und beim...



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