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E-Book, Deutsch, 422 Seiten

Paul Das Haus der Bücher


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7438-0101-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 422 Seiten

ISBN: 978-3-7438-0101-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Ich wollte nie wieder an das Geschehene erinnert werden und das Buch verbrennen. Doch Bücher kann man nicht mit Feuer vernichten! Sie überdauern das!' Konrad Gallinat, Buchhandelsgehilfe im Roman Königsberg 1933 - Wilhelm Kirchner, der Inhaber der größten Buchhandlung Europas, wird von der geplanten Bücherverbrennung der Nazis herausgefordert. Gemeinsam mit seiner Nichte Emma und den beiden Mitarbeitern Konrad und Otto versucht er, so viele indizierte Bücher wie möglich zu retten. Aber auch ein geheimer literarischer Schatz soll vor dem Zugriff der Häscher versteckt werden. Doch schon bald sind die Buchhandlung, er selbst und seine Kollegen in größter Gefahr. Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Michael Paul nimmt seine Leser nach dem erfolgreichen Debütroman 'Wimmerholz' diesmal mit in das alte Königsberg und das einzigartige 'Haus der Bücher' am Paradeplatz. 'Ein spannender Roman voller historischer Realität. Handlung und Personen sind frei erfunden, die Geschichte hinter den dramatischen Geschehnissen aber ist erschreckend wahr und kann jederzeit wieder aktuell werden.' Jan Wiesemann, Verlag Gräfe und Unzer, München Mit alten Fotografien der damaligen Buchhandlung, Informationen zum historischen Hintergrund und einem Vorwort von Arno Surminski.

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1
    »Remarque, Ringelnatz oder Brecht? Für wen brennt euer Herz mehr? Übergeben wir lieber Mann oder Tucholsky dem Feuer? Oder hier, den hier, den Heine, nur weil er Jude war? Oder lieber diesen hier?« Otto Perlmann schlug mit der Faust auf ein anderes vor ihm liegendes Buch. »Ab damit ins Feuer!« Seine traurige Stimmung wandelte sich langsam in Wut. »Hier, schaut! Wollen wir, dass unsere Kinder das nicht mehr lesen können?« Er hob ›Pünktchen und Anton‹ hoch. »Kästner! Kästner!« Er betrachtete das Buch, als hielte er einen Schatz in Händen und strich sanft darüber. Er liebte die Geschichte von Luise Pogge, der Berliner Göre, und Anton Gast, ihrem Freund. »Und jetzt? Die Kinder! Tot, verbrannt, verboten!« Otto starrte die Bücher vor sich an. Emma Sittler, die junge anmutige Buchhändlerin überlegte, was sie sagen oder wie sie Otto helfen konnte. Sie mussten es ja tun, egal wie. Und es war ja sogar ihr eigener Plan gewesen. Es gab keinen Ausweg und nun fühlte sie sich schuldig. Hilflos sah sie Konrad an, ihren Freund, den Buchhändler aus der ›Wissenschaft‹ im ersten Obergeschoss. Doch der zuckte auch nur mit den Schultern. »Eure Kinder werden diese Geschichte nie zu hören bekommen. Weder Mutter noch Vater werden ihnen dieses Buch abends vorlesen. Und später? ›die Buddenbrooks‹, schau hier, was für ein Roman! Das sollen sie dann nicht mehr lesen dürfen? Was wird das für eine Welt sein?«, fragte Otto und schaute Emma an, aber diese wusste nichts zu erwidern. Er hatte auch gar keine Antwort erwartet, eigentlich führte er einen Monolog, dem Emma und Konrad eher zufällig beiwohnten. »Schaut!«, begann er nach einer Pause wieder. Theatralisch zeigte er mit beiden Händen auf sich. »Ich sitze hier wie der Richter an seinem Richtertisch. Ich soll das Urteil fällen. Ich muss entscheiden. Aber wie? Nach welchen Kriterien? Wie soll das gehen, Emma? Wie?«, schrie er verzweifelt durch den Keller. Die Kundschaft im Erdgeschoss drehte erschrocken ihre Köpfe zur Kellertreppe. Helene Joswig, die Hauptkassiererin an Kasse fünf, beruhigte die Kunden mit einem verständnisvollen, freundlichen Nicken. »Alles in Ordnung! Bitte entschuldigen Sie!« Emma und Konrad schreckten hoch und zischten: »Schhhhht!« »Entschuldigt. Aber sagt mir, wie soll ich es machen? Wir könnten Punkte vergeben! Wonach? Vielleicht nach Verkaufszahlen? Retten wir die, die sich am besten verkauft haben? Sehr kommerziell, nicht?« Otto fragte das in zynischem Ton und mit weit aufgerissenen Augen, ohne natürlich Emma und Konrad zu meinen oder gar jetzt eine Antwort zu erwarten. Die beiden sah er gar nicht mehr, nahm sie kaum noch wahr. Es war, als redete Otto mit all den Büchern um sich herum, den Schriftstellern und den unzähligen Figuren zwischen den Buchdeckeln. Als fordere er im Voraus die Generalabsolution für seine Entscheidung, wie immer sie ausfallen würde. Er stand auf und tigerte hinter seinem Richtertisch hin und her. Die Delinquenten zitterten vor ihm und erwarteten ängstlich sein Urteil. Der Ankläger war nicht anwesend und einen Verteidiger schien es nicht zu geben. Otto spürte förmlich, wie der ganze Tisch bebte. »Oder lieber nach Qualität, literarischem Wert, der gewählten Sprache, ihrem Ausdruck? Nur, wer beurteilt das? Die Kritiker oder die Neunmalklugen im Feuilleton? Die Gelehrten? Oder einfach die Leser? Ich etwa? Ihr? Wir sollten eine Umfrage oben bei unserer Kundschaft machen. Die Bücher mit den meisten Stimmen überleben, der Rest ... tut mir leid, ihr seid es nicht wert. Immerhin geben sie ein schönes Feuer und brennen lange!«, lachte er verzweifelt, zog die Schultern hoch und breitete seine Arme vor den Büchern aus. Emma sah Otto besorgt an. Doch eine Antwort hatte sie auch nicht. Es war absurd, die Situation war absurd. Würde Emmas Plan daran scheitern? Otto ahnte ihre Gedanken. »Dann müssen wir doch wie befohlen alle Bücher verbrennen! Nicht aus Gehorsam gegenüber denen da.« Er deutete einen Hitlergruß an. »Sondern aus Solidarität der Bücher untereinander. Und wir können nichts tun. Wir können Unrecht nicht mit Unrecht verbessern, oder?« Er sah Emma und Konrad fragend an. So hatten sie ihn noch nie erlebt. Zwei, drei Minuten saßen sie stumm und ratlos da, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. »Oder was hältst du davon, Emma?«, unterbrach Otto die Stille, »wenn wir den Zufall entscheiden lassen? Glück haben die in der linken Kiste. Wollen wir würfeln oder Streichhölzer ziehen? Immer zehn, eins gewinnt.« Otto tastete mit beiden Händen seine Taschen ab, fast so, als würde er nach Streichhölzern suchen. »Wir könnten es auch nach der Seitenzahl entscheiden. Dicke und große Bücher zuerst! Wie Frauen und Kinder auf dem Schiff. Dann retten wir mehr Text.« Wieder lachte er und den beiden jungen Buchhändlern schauerte es. »Oder wir nehmen ein beliebiges Kriterium. Vielleicht, die   Bücher mit den kürzesten ersten Sätzen oder den längsten oder die mit den meisten Vokalen im Titel.« Otto liefen Tränen über die Wangen. Die ihnen gestellte Aufgabe war methodisch nicht zu lösen. Gerechtigkeit konnte scheinbar kein Maßstab sein. Emma musste allmählich wieder nach oben und rutschte nervös auf der Bank hin und her. Gleichzeitig konnte sie Otto nicht alleine zurücklassen. »Es ist wie auf einem Schiff, das absäuft. Wie bei der Titanic damals. Die große Menge weiß, dass sie untergehen wird, keine Chance hat. Neun zu eins, Konrad, was für eine lausige Quote. Da wäre ich lieber Passagier auf dem Dampfer gewesen als ein Buch hier bei Otto Perlmann!« Bei Konrad drehte sich alles im Kopf. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er sagen sollte. Otto tat ihm unendlich leid. »Wollen wir nur grau und schwarz retten? Oder lieber die fröhlichen Farben? Braune gar?« Er nahm einen Roman mit braunem Einband in die Hand, betrachtete ihn theatralisch von allen Seiten. „Durch und durch braun, Konrad! Was sagst du, wollen wir etwas Braunes retten?« Wieder lachte er, wobei das Lachen immer mehr einen wahnsinnigen Unterton annahm. »Das würde ihnen sicher am Ende noch gefallen! Und uns mildernde Umstände bringen. Dann werden wir vielleicht nur erschossen statt erhängt!« Jetzt erschauderten die beiden jungen Buchhändler endgültig und standen auf. Otto nahm das Buch mit dem braunen Einband und warf es in die rechte Kiste. »So, ein Anfang ist gemacht. Hiermit verurteile ich alle braunen Bücher zum Tode!« Er äffte dabei die Stimme Wegners nach, des ihm so verhassten SA-Mannes. Emma kam die Situation immer aussichtsloser vor und sie überlegte, ob sie nicht ihren Onkel holen sollte. Sollte er doch einfach bestimmen. Doch noch im gleichen Moment wurde ihr klar, dass es ihrem Onkel nicht besser gehen würde als Otto. So verwarf sie den Gedanken gleich wieder. »Tod durch das Feuer! Verbrennen auf dem Scheiterhaufen!«, sprang Otto mit aufgerissenen Augen auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eines der Bücher und sein Kopf zitterte dabei ganz leicht. »Seht ihr, die anderen Bücher werden ruhiger. Hörst du etwas? Die Quote hat sich gerade verbessert, nur noch acht zu eins!« Otto atmete schwer, sank langsam von seinem Stuhl auf den Boden und lehnte mit glasigem, leerem Blick an der Kellerwand. Otto schien dem Wahnsinn nahe oder zumindest einem Nervenzusammenbruch. Hörte er wirklich Stimmen, redeten die Bücher mit ihm? Emma sprang auf ihn zu und packte Otto an den Schultern, hielt ihn fest, schüttelte ihn. »Otto! Hör auf!« Otto verstummte und schaute die junge Frau an. Emma zog ihn an sich und nahm ihn fest in ihre Arme. Sie ließ ihn nicht los, bis sie spürte, dass Otto wieder ruhiger wurde. Bald hörte sein Körper auf zu zittern und sein Atem neben ihrem Ohr wurde wieder langsam und gleichmäßig. Lange blieben sie wortlos bei ihm. Dann mussten Emma und Konrad wieder nach oben. »Die Kundschaft wartet sicher schon«, entschuldigte sich Emma und fühlte sich dabei, als würde sie Otto im Stich lassen. Otto schaute nur kurz auf. Als sie die Treppe erreichten, ergriff Emma kurz Konrads Hand. Otto sah es und ein kurzes Lächeln erhellte sein Gesicht. Er freute sich für Konrad, denn er mochte diesen ruhigen, schüchternen Kerl und Emma sowieso. Die Leidenschaft für Bücher verband die drei miteinander wie niemand anderen im ›Haus der Bücher‹.   Als er wieder alleine war, blieb Otto Perlmann eine Weile weiter stumm und bewegungslos vor den Büchern sitzen und starrte sie einfach nur an. Eigentlich stand er um diese Tageszeit an der Makulaturpresse, an der er das Papier der Verpackungen zu großen Papierballen presste. Dies konnte anschließend als Brennstoff genutzt werden. ›Berta‹ nannte er die wuchtige Papierpresse liebevoll. Alles würde er in dem Moment dafür geben, einfach wie jeden Tag jetzt unbeschwert an seiner ›Berta‹ stehen zu können und an den großen gusseisernen Hebeln zu ziehen. Diese Aufgabe hatte er nur übernommen,...



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