Parks | Echt mieser Zufall oder Wie ich einen Kuss wollte und beinahe dabei draufging | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 328 Seiten

Parks Echt mieser Zufall oder Wie ich einen Kuss wollte und beinahe dabei draufging


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-401-80660-0
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 328 Seiten

ISBN: 978-3-401-80660-0
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als die Küstenregion von Los Angeles von einer Riesenwelle überrollt wird, findet sich Denver in einem Rettungsboot wieder. Hinter ihr treiben die Trümmer des Strandhauses, in dem sie gerade noch ihren ersten Kuss erleben wollte. Mit im Boot sitzen drei der beliebtesten High-School-Schülerinnen und Trevor, der Schlagzeuger der Schulband - den Rest des Jahrgangs hat es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dahingerafft. Das Problem: Denver ist nicht beliebt. Eigentlich so ziemlich das Gegenteil. Und das macht das Überleben auf hoher See nicht gerade einfacher …
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DOS

Ich bin Denver Reynolds, die Zerstörerin von Träumen, die Killerin von Freundschaften. Wenn ich in Wisconsin geblieben wäre, hätte ich möglicherweise etwas anderes sein können. Vielleicht Denver Reynolds, allgemein geduldetes Fast-Mauerblümchen. Oder sogar Denver Reynolds, Freundin eines einigermaßen gut aussehenden Jungen. Oder wenigstens Denver Reynolds, die nicht von allen als Verräterin bezeichnet wird.

Vor vier Jahren, als ich zwölf war, sind wir nach Los Angeles gezogen. Ich habe diese Stadt von Anfang an gehasst. Angeblich kann L.A. einen verwandeln und alles aus einem machen, was man sich je erträumt hat. Angeblich verleiht es einem jenes magische Funkeln, das zu riesigen Häusern und einer großen Fangemeinde führt. Doch die Wahrheit ist, dass L.A. einem an die Kehle geht, wenn man nicht höllisch aufpasst.

Als ich in der Nähe von Venice Beach das erste Mal ein Tsunami-Warnschild sah, hielt ich es zunächst für einen Scherz oder eine Art Werbung für ein Produkt, dessen Logo erst später unten rechts hinzugefügt würde. Aber dann wurde ich doch nachdenklich.

»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte Abigail, die damals meine beste Freundin war, als ich ihr aufgeregt erzählte, was ich gesehen hatte.

»Nichts? Du kannst mich ja gern korrigieren, aber laut diesem Schild liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass irgendwann mal eine Riesenwelle kommt und wir alle ersaufen!«

Abigail stieß hörbar die Luft aus, was ihre Ponysträhnen zum Flattern brachte. Das war ihre Art, mir zu sagen, dass sie sich um so etwas Lächerliches keine Gedanken machen wollte. »Es liegt auch durchaus im Bereich des Möglichen, dass du demnächst von einer Ziege ins Gesicht getreten wirst. Oder von einem Wirbelsturm in die Luft gehoben und in Fresno wieder fallen gelassen wirst. Vielleicht taucht ja auch ein Asteroid aus dem Nichts auf und lässt nur noch einen schwarzen Fleck auf dem Zebrastreifen von dir übrig. In Texas könnte es dir passieren, dass du von einem Stier totgetrampelt wirst. Das ist mir alles so was von egal. Ich werde Fußballstar, egal, ob mich ein Stier oder eine Welle erwischt.«

Es ist Jahre her, seit ich dieses Schild gesehen habe, und ich hatte es schon fast vergessen. Andere Schilder waren an seine Stelle getreten. Unsichtbare Schilder, die manchmal auftauchten, wenn ich unter der Dusche stand oder zur Schule ging. Nachts, wenn ich mich schlaflos im Bett wälzte, waren die Schilder mit Neonfarbe geschrieben und leuchteten in der Dunkelheit.

DU HATTEST EINE EINZIGE FREUNDIN, ABER SIE WILL NICHTS MEHR MIT DIR ZU TUN HABEN. LOSER.

L.A. GEHT MIR SO WAS VON AM ARSCH VORBEI. UND DIE ELFTE KLASSE AUCH.

DER SCHÜLERMITVERWALTUNG IST ES SCHEISSEGAL OB DAS ESSEN IN DER CAFETERIA BESSER WIRD ODER OB DU LEBST ODER STIRBST. DAS SIND DOCH ALLES NUR MACHTBESESSENE TUSSIS UND VERHINDERTE ALPHADEPPEN DIE NUR DEINE STIMME WOLLEN MIT DER DU ABER ÜBERHAUPT NICHTS AUSRICHTEN KANNST WEIL DIE WAHL SOWIESO MANIPULIERT IST

Die Schilder wurden immer länger und hatten irgendwann keine Satzzeichen mehr. Aber es gab kein Schild, auf dem stand: PASS AUF DAS ERDBEBEN UND DEN TSUNAMI DANACH AUF. Dabei hätte ich es so gut gebrauchen können.

Der Morgen, an dem die große Welle kam, begann wie immer. Ich versuchte, durch den Unterricht zu schlafwandeln. Weil man das so macht. Man schlafwandelt. Man hat seine Rolle und seinen Platz und ein Zeichen auf der Stirn, das die soziale Stellung bestimmt. Man weiß ganz genau, wer mit einem redet, wenn man die Schule betritt. Und wer nicht. Man weiß, ob die Sportskanonen fies zu einem sein werden und ob einem irgendjemand außer dem Lehrer zuhören wird. Man weiß, ob man Jäger oder Beute ist. Man weiß, ob einen die anderen für klug oder lustig oder hübsch oder nerdig oder nervig oder cool halten. Oder ob sie einen für gar nichts halten, was eindeutig das Schlimmste ist. Alles ist fein säuberlich sortiert, wie eine Briefmarkensammlung.

Und ich war eine 3-Cent-Sondermarke mit einem total langweiligen Mond-Motiv, die es nicht wert war, gesammelt zu werden. Von meiner Sorte hätte man über fünfzehn Stück gebraucht, um auch nur einen ganz normalen Brief zu verschicken.

Wenn ich mich jetzt verbittert anhöre, liegt das daran, dass ich es war. Ich war eine verbitterte kleine Briefmarke, die nicht auf den Briefumschlag des Lebens durfte. Aber egal, was passierte, ich war fest entschlossen, die Highschool zu überleben. Ich, Denver Reynolds, würde überleben.

Mittags in der Cafeteria erlebte ich die erste Überraschung. Ich wurde von einem Blick getroffen. Ein unmissverständlicher Moment, der zu einer unmissverständlichen Nacht führte und dafür sorgte, dass ich zur falschen Zeit am absolut falschen Ort war.

In der Schule hatte ich kapituliert. Wenn jemand versuchte, mich zu verstehen oder zu mögen oder meine inneren Werte zu sehen, war mir das egal. Nachdem ich Abigail so plötzlich und spektakulär verloren hatte, wollte ich keine neuen Freundschaften mehr schließen. Ich war ein Vogel in einem Käfig und wartete auf den Tag der Abschlussfeier – den Tag, an dem sich die Käfigtür öffnen würde.

Aber in dem Moment gab mir der Blick Hoffnung.

In der Cafeteria unserer Schule war alles streng geordnet. Wenn man in Google Earth im Satelliten-Modus reinzoomen würde, würde man feststellen, dass die Schüler nach Tischen aufgeteilt waren. Es gab den Tisch mit den Nerds, den Tisch mit den Losern, den Tisch mit den Schülervertretern, den Tisch mit den strenggläubigen Christen, den Tisch mit den Leuten von der Theater-AG, den Tisch mit den Sportskanonen, den Tisch mit den aufstrebenden Kriminellen (an dem schmierig aussehende, zum Nachsitzen verdonnerte Ladendiebe und Feuerteufelchen bitterböse vor sich hin starrten) und mehrere nicht kategorisierte Tische, an denen ich mit einigen anderen Schülern saß, die in keine der genannten Gruppen passten und ihr Essen in Rekordzeit hinunterschlangen. Außerdem waren da noch ein halbes Dutzend Tische von aufsteigender sozialer Bedeutung, die zu dem geheiligten Tisch in der Mitte der Cafeteria führten, an dem die beliebtesten Schüler saßen.

An diesem Tisch war Platz für sechzehn, und diese sechzehn hatten die weißesten Zähne, die tollsten Haare, die schnellsten Autos und die besten Sixpacks der elften Klasse. Der Tisch glühte fast vor Verheißung. Wir, die wir nicht zu den sechzehn gehörten, konnten nicht anders: Wir mussten einfach ständig zu ihnen hinsehen. Und dort, genau im Zentrum dieses strahlenden Tisches, saß meine exbeste Freundin, Abigail Kenner. Sie saß mitten unter den coolen Kids, sie herrschte über sie, reichte Zettelchen herum, plante ihre bescheuerten Partys und lachte ihr wieherndes Lachen, das durch den Raum schallte und den Rest von uns daran erinnerte, dass sie dazugehörte und wir nicht.

In den Jahren, in denen wir beste Freundinnen gewesen waren, hatte ich dieses Lachen nie gehört. Es gehörte zu den Dingen, die sie sich erst in der elften Klasse angewöhnt hatte, zusammen mit der Planung von illegalen Partys. Das war nicht mehr die Abigail, die ich kannte und wie eine Schwester liebte. Das war jemand ganz anderes. Ihre störrischen roten Haare waren geglättet, und anscheinend benutzte sie so eine Art Camouflage-Make-up, um ihre Sommersprossen zu verdecken.

Die störrischen roten Haare fehlten mir. Und die Sommersprossen auch.

In der Mittelstufe hatte sie mir einmal ihren Zehn-Stufen-Plan gezeigt, mit dem sie in den Kreis der Beliebten, Reichen und Schönen aufsteigen und von ihnen akzeptiert werden wollte. Damals hatte sie behauptet, es sei nur so eine Art Übung, da ihr solche Leute sowieso egal seien und nur ihre zukünftige Karriere als Fußballstar zähle. Ich weiß noch, dass ich mir den Plan angesehen hatte, aber ich kann mich nur an einen der Schritte erinnern:

4. Behandle sie mit Verachtung.

Letzten Herbst musste ein magerer, stiller Junge, dessen Namen ich nie mitbekommen hatte und der sonst immer am Tisch der Loser saß, übergeschnappt sein, denn anstatt zu seinem Tisch zu gehen, marschierte er schnurstracks zu dem Tisch mit den coolen Kids, der sich langsam zu füllen begann. Er setzte sich dazu und dann erstarrte er einfach.

Ich habe keine Ahnung, was der Arme sich dabei gedacht hatte. Er musste die Unterrichtsstunde verpasst haben, in der man uns das Prinzip von Ursache und Wirkung erklärt hatte – Zu viel Sonne, und die Avocadopflanze lässt die Blätter hängen! Zu viele Elektrolyte, und die Pflanzenzelle übernimmt die Farm! –, und dachte wohl, er würde dazugehören, wenn er am Tisch der coolen Kids saß. Stattdessen war es genau andersherum. Vielleicht wollte er ja auch gegen diese bescheuerte Regel protestieren, nach der der Sitzplatz vom Grad der Beliebtheit abhing. Oder vielleicht war er die moderne Version des buddhistischen Mönchs, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hatte.

Der buddhistische Mönch dürfte allerdings weniger gelitten haben.

Anfangs reagierten die Leute am Tisch überrascht und verwirrt. Wie ein Wolfsrudel, in das plötzlich Bambi hineinstolpert und mit großen Augen fragt: »Hallo, Leute, hat jemand von euch meine Mami gesehen?« Sie...



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