Otto / Morrissey / Oberlin | Pflege von Menschen mit Essstörungen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

Otto / Morrissey / Oberlin Pflege von Menschen mit Essstörungen

Entwicklung fördern, Recovery ermöglichen, Körperbild verbessern

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

ISBN: 978-3-456-96083-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Aufgaben, Rollen, Grundlagen und Interventionen im recovery-orientierten Umgang mit Menschen mit Essstörungen

In Deutschland zeigen etwa ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren Symptome von Essstörungen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Essstörungen zeigen sich in Form von Magersucht, Bulimie, Binge-Eating-Störungen und Adipositas.
Diese Praxishandbuch für Pflegefachpersonen vermittelt Grundlagen, Konzepte und Fertigkeiten für den professionellen Umgang mit Menschen mit Essstörungen. Die Autor_innen folgen einem positiven, an Fähigkeiten und Ressourcen orientierten Recovery-Ansatz und beschreiben den Aufbau genesungsfördernder Beziehungen. Anhand von Fallbeispielen ermöglichen sie, Menschen mit Essstörungen leichter zu verstehen. Prozessorientiert beschreiben sie das klinische Assessment bei Essstörungen, deren Therapiemanagement sowie die Arbeit mit dem Körperbild der Betroffenen. Anschaulich erläutern sie die Rolle von Familienmitgliedern und integrieren sie in den Genesungsprozess. Sie zeigen die Risiken sozialer Medien bei der Entwicklung von Essstörungen und der Stigmatisierung von Betroffenen auf. Sie klären die Rollen, Aufgaben, ethische und praktische Probleme sowie Lösungsansätze für die pflegerische Begleitung von Menschen mit Essstörungen in verschiedenen Alltagssituationen und Versorgungssettings.
Sie liefern einen didaktisch gut strukturierten und fachlich fundierten Text mit praxisorientierten Fallbeispielen, Fragen zur Selbstreflexion sowie nützlichen Assessments und Checklisten. Die deutschsprachige Ausgabe wurde von einer Pflegeexpertin für Essstörungen¨und Kostaufbau (Refeeding) bearbeitet und adaptiert.
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Zielgruppe


Pflegefachpersonen, psychiatrisch Fachpflegende, Pflegestudierende

Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis und Danksagung;7
2;1 Einleitung;19
2.1;Literatur;26
3;2 Theoretische Modelle zur Erklärung von Essstörungen;27
3.1;2.1 Einleitung;28
3.2;2.2 Lernziele;28
3.3;2.3 Philosophische Perspektiven;28
3.4;2.4 Das biopsychosoziale Modell;29
3.5;2.5 Therapeutische Ansätze zur Behandlung und Genesung von Essstörungen;36
3.6;2.6 Das Recovery-Modell;39
3.7;2.7 Spiritualität und Genesung;40
3.8;2.8 Zusammenfassung;41
3.9;2.9 Literatur;42
4;3 „Keiner versteht mich. Ich verstehe mich selbst nicht“;45
4.1;3.1 Einleitung;46
4.2;3.2 Lernziele;46
4.3;3.3 Persönliche Erfahrungen mit Essstörungen;47
4.3.1;3.3.1 Essstörungen sind nicht immer am Gewicht erkennbar;47
4.3.2;3.3.2 Essstörungen betreffen auch das männliche Geschlecht;48
4.3.3;3.3.3 Essstörungen können auch in höherem Alter auftreten;50
4.3.4;3.3.4 Essstörungen sind keine Life-Style-Entscheidung aufgrund der Überbewertung von Figur und Konfektionsgröße;52
4.3.5;3.3.5 Essstörungen sind schwerwiegende psychische und physische Erkrankungen;53
4.3.6;3.3.6 Eltern sind eine wertvolle Ressource und dürfen nicht für die Essstörung ihres Kindes verantwortlich gemacht werden;54
4.3.7;3.3.7 Auch für Praktizierende kann der Umgang mit Menschen mit Essstörungen schwierig sein;56
4.3.8;3.3.8 Die Genesung von einer Essstörung ist langfristig und mit entsprechender Unterstützung möglich;57
4.4;3.4 Zusammenfassung;58
4.5;3.5 Literatur;59
5;4 Was bedeutet Genesung im Kontext von Essstörungen?;61
5.1;4.1 Einleitung;62
5.2;4.2 Lernziele;62
5.3;4.3 Was bedeutet Genesung?;62
5.3.1;4.3.1 Anhand von welchen Kriterien wird Genesung gemessen?;63
5.4;4.4 Zentrale Elemente der Genesung;65
5.5;4.5 Behandlung genesungsrelevanter psychosozialer Aspekte;71
5.6;4.6 Positive Effekte der Einbeziehung psychosozialer Kategorien;77
5.6.1;4.6.1 Zu berücksichtigende Aspekte;78
5.7;4.7 Aufbau unterstützender Beziehungen;78
5.7.1;4.7.1 Ist Genesung möglich?;79
5.7.2;4.7.2 Umgang mit Ambivalenz;80
5.8;4.8 Zusammenfassung;80
5.9;4.9 Literatur;81
6;5 Aufbau einer genesungsorientierten Beziehung zu Menschen mit Essstörungen;85
6.1;5.1 Einleitung;86
6.2;5.2 Lernziele;86
6.3;5.3 Was es bedeutet, mit einer Essstörung zu leben;86
6.4;5.4 Verstehen, wie eine Person mit Essstörung denkt;87
6.4.1;5.4.1 Verzerrtes Denken;87
6.4.2;5.4.2 Perfektionistische Tendenzen;87
6.4.3;5.4.3 Polarisiertes Denken;88
6.5;5.5 Verstehen, wie eine Person mit Essstörung fühlt;88
6.5.1;5.5.1 Sensibilität;89
6.5.2;5.5.2 Selbstkritik;89
6.5.3;5.5.3 Keine Akzeptanz von Mitgefühl für die eigene Person;90
6.6;5.6 Aufbau einer unterstützenden zwischenmenschlichen Beziehung;92
6.6.1;5.6.1 Entscheidende Elemente für eine unterstützende Beziehung zu Menschen mit Essstörungen;93
6.6.2;5.6.2 Empathie;94
6.6.3;5.6.3 Sympathie und Lob – zwei Seiten derselben Medaille;94
6.6.4;5.6.4 Strukturierung von Gesprächen;95
6.7;5.7 Herausforderungen in Beziehungen zu Menschen mit Essstörungen;100
6.7.1;5.7.1 Umgang mit Uneinsichtigkeit;100
6.7.2;5.7.2 Umgang mit der eigenen Unsicherheit;101
6.7.3;5.7.3 Eigene Ängste;102
6.7.4;5.7.4 Der Weg ist das Ziel;102
6.8;5.8 Zusammenfassung;103
6.9;5.9 Literatur;103
7;6 Essstörungen und Komorbidität im Genesungsprozess;105
7.1;6.1 Einleitung;106
7.2;6.2 Lernziele;106
7.3;6.3 Komorbidität bei Essstörungen verstehen;106
7.4;6.4 Häufige psychische Erkrankungen bei Essstörungen;107
7.5;6.5 Die Beziehung zwischen Komorbidität und Essstörungen;114
7.5.1;6.5.1 Entwicklung von Komorbidität;114
7.5.2;6.5.2 Essstörungen als Sekundärerkrankung;114
7.5.3;6.5.3 Aufrechterhaltung von maladaptiven Verhaltensmustern;115
7.5.4;6.5.4 Wann ist das Risiko für Essstörungen und Komorbidität am höchsten?;116
7.5.5;6.5.5 Komorbidität im Prozess der Genesung einer Essstörung;117
7.6;6.6 Empfehlungen zur Behandlung von Essstörungen und Komorbidität;118
7.6.1;6.6.1 Diagnose von Komorbidität;119
7.6.2;6.6.2 Hinweise zur Diagnose von Komorbidität bei gestörtem Ess- und Purging-Verhalten;120
7.6.3;6.6.3 Hinweise zur Reihenfolge der Behandlung von Komorbidität und Essstörung;120
7.6.4;6.6.4 Auswirkungen mehrerer psychiatrischer Diagnosen auf die Person;121
7.7;6.7 Reaktionen von Praktizierenden auf Komorbidität;122
7.7.1;6.7.1 Herausforderungen für Praktizierende aller Gesundheitsfachbereiche;122
7.7.2;6.7.2 Spezielle Schulungen im Bereich von Essstörungen und Komorbidität;123
7.8;6.8 Zusammenfassung;123
7.9;6.9 Literatur;124
8;7 Klinische Begutachtung von Personen mit Essstörungen;127
8.1;7.1 Einleitung;128
8.2;7.2 Lernziele;128
8.3;7.3 Zweck der klinischen Begutachtung;128
8.4;7.4 Grundsätze zur Durchführung der klinischen Begutachtung;129
8.4.1;7.4.1 Die Person zur Teilnahme ermutigen;130
8.4.2;7.4.2 Eine vertrauensvolle Beziehung herstellen;130
8.4.3;7.4.3 Angehörige einbinden;131
8.4.4;7.4.4 Vertraulichkeit wahren;131
8.4.5;7.4.5 Informationen sammeln;132
8.4.6;7.4.6 Balance zwischen der Autonomie erwachsener Personen und dem klinischen Risiko wahren;132
8.5;7.5 Klinische Begutachtung von Menschen mit Essstörungen: Beurteilung der PFZU-Bereiche;133
8.5.1;7.5.1 Beurteilung der psychopathologischen Symptome der Person;133
8.5.2;7.5.2 Beurteilung der familiären Situation;135
8.5.3;7.5.3 Beurteilung des körperlichen Zustands;136
8.5.4;7.5.4 Beurteilung des sozialen Umfelds;139
8.6;7.6 Weitere Beurteilungsinstrumente;141
8.7;7.7 Fallbeispiel Jane und klinische Begutachtung;145
8.7.1;7.7.1 Beurteilung der psychopathologischen Symptome der Person;145
8.7.2;7.7.2 Beurteilung der familiären Situation;146
8.7.3;7.7.3 Beurteilung des körperlichen Zustands;146
8.7.4;7.7.4 Beurteilung des sozialen Umfelds;147
8.7.5;7.7.5 Diagnose und Therapieempfehlung;147
8.8;7.8 Zusammenfassung;148
8.9;7.9 Literatur;149
9;8 Behandlung und Genesung bei Essstörungen;151
9.1;8.1 Einleitung;152
9.2;8.2 Lernziele;152
9.3;8.3 Grundsätze bei der Erstellung eines Therapieplans;153
9.3.1;8.3.1 Ein multidisziplinärer Ansatz;153
9.4;8.4 Modelle und Methoden zur Behandlung von Essstörungen;155
9.4.1;8.4.1 Biologische Aspekte des Behandlungsplans;155
9.4.2;8.4.2 Psychologische Aspekte des Behandlungsplans;155
9.4.3;8.4.3 Soziale Aspekte des Behandlungsplans;156
9.5;8.5 Einbindung der Person in den Behandlungsplan;156
9.6;8.6 Therapieplanung;157
9.6.1;8.6.1 Medizinische Aspekte der Behandlung von Essstörungen;157
9.6.2;8.6.2 Management des Kostaufbaus;157
9.7;8.7 Refeeding-Syndrom;158
9.8;8.8 Psychosoziale Methoden zur Behandlung von Essstörungen bei Erwachsenen;161
9.8.1;8.8.1 Anorexia nervosa;161
9.8.2;8.8.2 Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung;163
9.8.3;8.8.3 Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme (ARFID);163
9.9;8.9 Medikamentöse Behandlung von Essstörungen bei Erwachsenen;163
9.10;8.10 Psychosoziale Methoden zur Behandlung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen;164
9.10.1;8.10.1 Anorexia nervosa;164
9.10.2;8.10.2 Bulimia nervosa;166
9.10.3;8.10.3 Binge-Eating-Störung;166
9.10.4;8.10.4 Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme (ARFID);168
9.11;8.11 Medikamentöse Behandlung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen;168
9.12;8.12 Behandlung von Komorbidität;169
9.12.1;8.12.1 Psychische Komorbidität;169
9.12.2;8.12.2 Medizinische Komorbidität;169
9.13;8.13 Überprüfung und Erhaltung der Fortschritte im Genesungsprozess;169
9.14;8.14 Anwendung der Theorie auf die Praxis;172
9.14.1;8.14.1 Hintergrund;173
9.14.2;8.14.2 Reflexion;174
9.15;8.15 Zusammenfassung;176
9.16;8.16 Literatur;176
10;9 Die Rolle von Angehörigen im Genesungsprozess einer Person mit Essstörung;179
10.1;9.1 Einleitung;180
10.2;9.2 Lernziele;180
10.3;9.3 Auswirkungen der Essstörung auf andere Familienmitglieder;180
10.3.1;9.3.1 Psychisches Wohlbefinden von Angehörigen;181
10.3.2;9.3.2 Soziales Wohlbefinden von Angehörigen;182
10.3.3;9.3.3 Interaktion mit der Person mit Essstörung;182
10.4;9.4 Erfahrungen verschiedener Familienmitglieder im Zusammenleben mit der Person mit Essstörung;184
10.4.1;9.4.1 Erfahrungen von Geschwistern;184
10.4.2;9.4.2 Erfahrungen von Partnern;185
10.5;9.5 Schwierigkeiten von Angehörigen;186
10.6;9.6 Unterstützung von Angehörigen in ihrer Rolle als Fürsorgende;187
10.6.1;9.6.1 Einbindung der Familie in die Therapie;187
10.6.2;9.6.2 Berücksichtigung der Bedürfnisse von Angehörigen;188
10.7;9.7 Strategien zur Unterstützung des Genesungsprozesses;189
10.8;9.8 Zusammenfassung;193
10.9;9.9 Literatur;194
11;10 Körperbildarbeit im Kontext von Essstörungen;197
11.1;10.1 Einleitung;198
11.2;10.2 Lernziele;198
11.3;10.3 Was bedeutet Körperbild?;198
11.4;10.4 Auswirkungen eines schlechten Körperbilds;200
11.5;10.5 Theorien zum Körperbild;200
11.6;10.6 Die „Theorie der Linsen“;201
11.7;10.7 Beurteilung und Behandlung des Körperbilds;202
11.8;10.8 Verhalten der Praktizierenden;203
11.9;10.9 Beurteilung des Körperbilds;203
11.10;10.10 Verschiedene Methoden der Körperbildtherapie;205
11.11;10.11 Körperorientierte Therapie;206
11.12;10.12 Körperbildorientierte therapeutische Maßnahmen;208
11.13;10.13 Durchführung körperbildorientierter Maßnahmen;208
11.13.1;10.13.1 Spiegelübung;214
11.14;10.14 Zu berücksichtigende Aspekte;215
11.15;10.15 Studienergebnisse zur körperorientierten Therapie;215
11.16;10.16 Zusammenfassung;215
11.17;10.17 Literatur;216
12;11 Soziale Medien und Essstörungen;219
12.1;11.1 Einleitung;220
12.2;11.2 Lernziele;220
12.3;11.3 Soziale Medien und das Internet;220
12.4;11.4 Soziale Medien und Essstörungen: Risiken und Chancen;222
12.5;11.5 Soziale Medien und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper;222
12.5.1;11.5.1 Veränderung des Körperideals;224
12.5.2;11.5.2 Die Rolle des sozialen Vergleichs;224
12.5.3;11.5.3 Werbung in sozialen Medien;225
12.5.4;11.5.4 Reflexionspunkt;225
12.6;11.6 Einfluss von Zeit und sozialem Vergleich in sozialen Medien;226
12.7;11.7 Wirksamkeit der Zensur zur Eindämmung des Risikos;227
12.8;11.8 Entwicklung von Medienkompetenz;227
12.9;11.9 Chancen für die Behandlung und Unterstützung von Menschen mit Essstörungen;229
12.10;11.10 Integration von Technologie in die klinische Praxis;229
12.11;11.11 Unterstützung für Angehörige und Praktizierende;230
12.12;11.12 Zusammenfassung;234
12.13;11.13 Literatur;235
13;12 Stigmatisierung sowie ethische und rechtliche Aspekte im Kontext von Essstörungen;239
13.1;12.1 Stigmatisierung von Essstörungen;240
13.1.1;12.1.1 Der Prozess der Stigmatisierung;241
13.1.2;12.1.2 Formen von Stigmatisierung;241
13.2;12.2 Folgen von Stigmatisierung;244
13.3;12.3 Studien zur Stigmatisierung von Essstörungen und Adipositas;245
13.3.1;12.3.1 Stigmatisierung des Körpergewichts;247
13.3.2;12.3.2 Stigmatisierung von Essstörungen durch medizinisches Personal;247
13.4;12.4 Strategien zur Entstigmatisierung von Menschen mit Essstörungen;248
13.5;12.5 Berufliche und ethische Herausforderungen;249
13.5.1;12.5.1 Risiken bei der Arbeit mit Menschen mit Essstörungen;251
13.6;12.6 Rechtliche Aspekte der Behandlung von Personen mit Essstörungen;253
13.7;12.7 Selbstfürsorge und berufliche Weiterentwicklung;253
13.7.1;12.7.1 Strategien zur Selbstfürsorge;254
13.8;12.8 Zusammenfassung;255
13.9;12.9 Literatur;255
14;13 Fazit;259
14.1;13.1 Kernaussagen dieses Buches;260
15;Klassifikation und diagnostische Kriterien von Fütter- und Essstörungen: DSM-5;263
16;Autoren- und Mitarbeiterverzeichnis;269
17;Abkürzungsverzeichnis;272
18;Adressen- und Linkverzeichnis;274
19;Body-Maß-Index;276
20;Sachwortverzeichnis;277


|17|1  Einleitung
Jean Morrissey und Kielty Oberlin |18|Wir schreiben diese Einleitung in dem Bewusstsein, dass Essstörungen kein neues Phänomen sind. Ihre Geschichte zeigt eine kontinuierliche Entwicklung in den verschiedenen Diskursen und ein stetiges Bemühen darum, ihr Wesen zu beschreiben und ihre Bedeutung zu verstehen. Obwohl wir heute wissen, dass es sich bei den sogenannten Fütter- und Essstörungen um ernsthafte Erkrankungen handelt, galten diese in der Vergangenheit nicht als solche. Ein Beispiel hierfür findet sich in den überlieferten Berichten der „Fastenesoteriker“ aus dem Mittelalter (Sukkar, Gagan & Kealy-Bateman, 2017). Das Bewusstsein für Essstörungen war größtenteils begrenzt auf die Beobachtungen von Ärzten, die ein restriktives Essverhalten feststellten und ein solches in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „Verdauungs- oder Hormonstörung“ bezeichneten (Vandereycken, 2002). Erst 1980 wurde die Anorexia nervosa im DSM-III (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, 3. Ausgabe) erstmals als psychische Erkrankung erfasst und als eine Störung beschrieben, die unserem heutigen Verständnis näherkommt. Seitdem wurde in jeder überarbeiteten Ausgabe (einschließlich der letzten Ausgabe 2013) festgestellt, dass sich die diagnostischen Kriterien verändert haben, was wiederum zu einem veränderten Verständnis und einer anderen Wahrnehmung von Essstörungen geführt hat (s. „Abkürzungsverzeichnis“ und „Klassifikation von Fütter- und Essstörungen: DSM-5, American Psychiatric Association, 2015“). Wir glauben, dass die Geschichte wichtig ist und uns dabei hilft zu verstehen, wie Essstörungen betrachtet und diagnostisch eingeordnet werden, was sich wiederum nicht nur auf die Forschung, die bereitgestellten Geldmittel und die Gesetzgebung auswirkt, sondern letztlich auch auf die Qualität und Art der Behandlung sowie der Hilfsangebote für Personen mit Essstörungen. Essstörungen sind vielschichtig, komplex und betreffen Menschen unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht und ethnischen Hintergrund. Schätzungen der Beat zufolge, der führenden britischen Organisation für Essstörungen, leiden in Großbritannien etwa 1,25 Millionen Menschen unter einer Essstörung (Beat, 2018). In Irland hingegen ist noch immer nicht bekannt, wie viele Menschen unabhängig von ihrem Alter an einer Essstörung leiden, weshalb man sich hier auf Zahlen internationaler Quellen (Health Service Executive [HSE] National Clinical Programme for Eating Disorders, 2018) beruft. Allerdings schätzt die Eating Disorders Association of Ireland, Bodywhys, dass pro Jahr etwa 1757 neue Fälle auftreten und dass 188?895 Menschen irgendwann in ihrem Leben von einer Essstörung betroffen sein werden (Bodywhys, 2018). Diese statistischen Zahlen (und das Fehlen solcher) haben wiederum Auswirkungen auf die Kosten für die Gesellschaft (Simon, Schmidt & Pilling, 2005) und auf den persönlichen Preis, den die Hilfe suchenden Betroffenen und ihre Angehörigen zahlen. Die menschlichen und finanziellen Belastungen für die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Gesellschaft machen Essstörungen zu einem erheblichen Problem von öffentlichem Belang. Alle Kapitel dieses Buches basieren auf |19|drei Hypothesen. Sie bilden das Gerüst für unsere Versuche, die Person mit Essstörung zu verstehen. Diese lauten: Genesung ist möglich; Genesung braucht Zeit; Essstörungen stehen mit Beziehungen in Zusammenhang. Jede dieser drei Hypothesen wird in diesem Buch erklärt und näher ausgeführt. Damit geht einher, dass wir uns nicht auf eine Denkrichtung beschränken, um die Person mit Essstörung zu verstehen und mit ihr zu arbeiten, was auch in den einzelnen Kapiteln deutlich wird. Stattdessen befürworten wir ein ganzheitliches und personzentriertes Verständnis von Essstörungen, das die Unterstützung der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt und ihnen hilft, den eigenen Behandlungs- und Betreuungsplan mitzugestalten, wobei es anerkennt, dass es Zeiten geben kann, in denen dies nicht möglich ist. Das übergeordnete Ziel dieses Buches ist es, Praktizierende, die mit Personen mit Essstörungen therapeutisch arbeiten, zu befähigen, adäquate Unterstützung zu bieten. Diese Hilfe orientiert sich an den neuesten Erkenntnissen und berücksichtigt biologische, soziale und psychologische Aspekte. Sie bildet die Basis dafür, sich mit den tiefen emotionalen Erfahrungen bei der Betreuung, Behandlung und Genesung der Betroffenen auseinandersetzen und diese zu verstehen. Die Sorgen um ein Familienmitglied mit einer Essstörung, mit dem man zusammenlebt und um das man sich kümmert, haben Auswirkungen auf alle Familienmitglieder. Sie übernehmen die Rolle der Betreuenden und Unterstützenden und sind oftmals mit vielen Ängsten, Problemen und Bedürfnissen konfrontiert. Menschen mit einer Essstörung haben auf ihrem Weg zur Genesung ganz unterschiedliche Bedürfnisse und müssen sich vielen Herausforderungen stellen. Häufig verändern sich die Symptome einer Essstörung im Laufe der Zeit, was auch zu einer vollständig anderen Diagnose führen kann. Aus diesem Grund nehmen die Autorinnen und Autoren dieses Buches eine transdiagnostische Perspektive ein. Das bedeutet, dass der Begriff „Essstörung“ alle Essstörungen einschließt, solange diese nicht spezifiziert werden. Dazu zählen folgende Diagnosen: Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge-Eating-Störung, Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme, Andere näher bezeichnete Fütter- oder Essstörung, Nicht näher bezeichnete Fütter- oder Essstörung. Essstörungen sind häufig von einem kurvenförmigen Verlauf mit Rückfällen und Remissionen gekennzeichnet. Sie sind auch mit Gefahren verbunden, doch lässt die Konzentration auf das Management von Symptomen und Körpergewicht auf dem Weg zur Genesung (Recovery) andere wichtige Aspekte wie Wohlbefinden und Lebensqualität außer Acht, die in Recovery-Modellen für andere psychische Störungen zum Tragen kommen. Die Tatsache, dass in den Genesungsprozess alle Aspekte des biopsychosozialen Seins einbezogen werden müssen, kann heute nicht mehr ignoriert werden. Dazu gehört eine partnerschaftliche, empathische und unterstützende Art des Umgangs aller an der Therapie Beteiligten. Ein solcher kooperativer Ansatz erhöht die Notwendigkeit für diejenigen, die für die Behandlung, Betreuung |20|und Genesung verantwortlich sind, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auf diesem Gebiet zu erweitern. Jedoch beschäftigen sich nur wenige wissenschaftliche Arbeiten damit, was Genesung aus der Perspektive einer Essstörung bedeutet und, was noch wichtiger ist, wie sie in der Praxis umgesetzt werden kann. Wie bereits erwähnt ist es das Ziel dieses Buches, Essstörungen und die Genesung davon ganzheitlich zu betrachten, um den Leserinnen und Lesern verständlicher zu machen, was es bedeutet, eine Essstörung zu haben und diese zu überwinden und um zu verdeutlichen, wie unterstützende, genesungsfokussierte Beziehungen bestmöglich für eine effektive Arbeit mit der betroffenen Person und eine nachhaltige Gesundung genutzt werden können. Ein inklusiver, integrativer, genesungsorientierter Therapie- und Betreuungsansatz bei Personen mit psychischen Erkrankungen findet in der Forschung und klinischen Praxis immer mehr Anerkennung. Auch wenn das Bewusstsein für Essstörungen unter Praktizierenden, Betreuungspersonen und Angehörigen größer geworden ist, stehen ihnen nur wenige Informationen zur Verfügung, die sie befähigen, Personen mit Essstörungen besser zu verstehen und adäquater auf sie zu reagieren. Dieses Buch richtet sich an ein breites Spektrum Praktizierender. Dazu zählen sowohl diejenigen, die noch keine Erfahrungen mit Essstörungen haben, als auch diejenigen, die zwar bereits Erfahrungen gesammelt haben und möglicherweise auch gut geschult sind, sich nun aber in ihrer Arbeit weiterentwickeln wollen. Ein gemeinschaftliches Engagement, bei dem Praktizierende mit der Person mit Essstörung (unabhängig von ihrem Alter) und ihren Angehörigen zusammenarbeiten, kann Angst und Unsicherheit verstärken – ein Beispiel dafür, dass Praktizierende in ihrer Arbeit viele Aspekte berücksichtigen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch zum Nachdenken anregt und Orientierung bietet bei dem fordernden, aber lohnenswerten Bemühen um eine erfolgreiche Arbeit mit Personen, die unter einer Essstörung leiden. ...


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