E-Book, Deutsch, 396 Seiten
Osuchowski / Haunschmied GUSEN - Vorhof zur Hölle
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-3328-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 396 Seiten
ISBN: 978-3-7578-3328-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Diese erstmals 1961 in Polen veröffentlichten Erinnerungen von Mag. phil. Jerzy Osuchowski an den ehemaligen Konzentrationslagerkomplex Gusen zählen nicht nur zu den wichtigen und essentiellen Werken im Kanon der Erinnerungsliteratur an diesen einst größten aber vielfach noch wenig bekannten nationalsozialistischen KZ-Komplex auf österreichischem Boden, sondern sind auch eine erschütternde Dokumentation der Zustände, Akteure und Methoden in diesen, von Anfang an auf die Vernichtung von ganzen Häftlingsgruppen ausgerichteten Todeslagern in der Nähe des ehemaligen KZ Mauthausen. Der Autor, welcher in den Jahren 1940 bis 1945 von der ersten bis zur letzten Stunde in Gusen vor allem als Schreiber eingesetzt war, hinterließ mit diesen Erinnerungen eine äußerst wertvolle Chronik und Charakterisierung der Täter im ehemaligen Konzentrationslager KL Gusen I. Mit schonungsloser Offenheit und bemerkenswerter Objektivität beschreibt Osuchowski auch die erbarmungslose und hoch korrupte Wolfsgesellschaft, welche die Lager-SS damals vor allem mit deutschsprachigen Funktionshäftlingen etablierte, welche sehr oft wegen ihrer kriminellen Vergangenheit in Gusen waren. Diese ermöglichte die Erfüllung der vom NS-Regime vorgesehenen Vernichtungsquoten an diesem Ort der frühen massenweisen Vernichtung ganzer Häftlingsgruppen. Osuchowski zeichnet in diesem bedeutenden Werk zum ehem. KZ-Komplex Gusen auch nach, dass es die in der Nachkriegszeit so oft beschworene internationale Solidarität in einem Todeslager wie Gusen I kaum gab und es zum Teil Jahre dauerte bis verschiedene, oft schon deutlich dezimierte nationale Gruppierungen in ihrem Schmerz und ihrer Ohnmacht jenes Vertrauen entwickeln konnten, welches erforderlich war, um langsam mehr und mehr Kooperation und Widerstand in diesen bestialischen KZs zu entwickeln. Bemerkenswert ist daher in diesem Buch auch die auffallende Differenzierung zwischen den privilegierten 'Deutschen' und den Häftlingen anderer Nationen, welche im Mai 1945 in den Stunden nach der Befreiung in der 'Hölle von Gusen' in eine beispiellose Lynchorgie ausartete.
Magister Jerzy Osuchowski war einer der wichtigsten Berichterstatter zum ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagerkomplex Gusen in Österreich. 1911 im polnischen Krakau geboren schloss er nach dem Besuch eines Gymnasiums 1937 ein Studium der Romanistik an der philosophischen Fakultät der Jagiellonen Universität ab und wirkte bis zum Überfall des Deutschen Reiches auf Polen im Jahre 1939 als Redakteur bei der monatlich erscheinenden Zeitung "Gwarek". Als potentieller politischer Aktivist für sein Heimatland Polen wurde er 1939 nur 28-jährig bereits am ersten Kriegstag inhaftiert und über die Konzentrationslager Buchenwald und Mauthausen im Mai 1940 als einer der ersten Häftlinge in das damals im Aufbau befindliche "neue" KZ Gusen deportiert. Als junger Pole überlebte er dieses, 1940 als "Vernichtungslager für die Polnische Intelligenz" eingerichtete und unfassbar grausame Zwillingslager des KL Mauthausen in verschiedenen Funktionen als Schreiber volle fünf Jahre. Nach seiner Befreiung aus dem KL Gusen I ging er zunächst nach Italien und gründete dort eine Familie. Nachdem Magister Osuchowski in den Nachkriegsjahren auch einige Zeit als Gymnasialprofessor in Frankreich tätig war kehrte er schließlich nach Polen zurück, um am Höheren Institut für Bergbau in Kattowitz als wissenschaftlicher Redakteur für facheinschlägige Lexika und ein Wörterbuch tätig zu sein. In diesen Jahren verfasste er auch seine beiden bedeutenden Bücher zu den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern KL Gusen und KL Buchenwald, die er in Polen 1961 und 1975 veröffentlicht hatte. Mag. Osuchowski verstarb 1983 in Kattowitz.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Der Bau des Lagers
Die Hauptbeschäftigung der Häftlinge des Lagers Mauthausen, sowie eine Haupteinnahmequelle für hochrangigste SS-Führer in der nationalsozialistischen Hierarchie, die auch Gesellschafter der Firma DESt17 waren, waren die mörderischen Arbeiten in den Steinbrüchen. Um ihre Einkünfte zu maximieren, übernahmen diese SS-Führer eine möglichst große Anzahl von Steinbrüchen, die es in der Gegend von Mauthausen im Überfluss gab. Die Arbeit im Steinbruch Kastenhofen – von Mauthausen fünf bis sechs Kilometer entfernt – zu dem die Häftlinge jeden Tag morgens aufbrachen, um abends wieder oder auch nicht wieder zu kommen, war verbunden mit dem Bau eines neuen Lagers in der Nachbarschaft.18 Die ersten Arbeiten fingen im Jänner 1940 an.19 Aus Mauthausen brachen zwei Arbeitskommandos auf: „Steinbruch Kastenhofen“ und „Barackenbau Gusen“. Der Kapo des Kommandos „Steinbruch Kastenhofen“ war ein gewisser Karl Pastewka, ein Schurke von einem dunklen Stern, von dem noch oftmals die Rede sein wird.20 Der „Barackenbau Gusen“ unterlag einem zweiten, berüchtigten Mörder namens Adam.21 Bis zum Eintreffen des ersten Transports mit 800 Polen aus Buchenwald (8. März 1940) arbeiteten in den oben erwähnten Kommandos nur Deutsche und Österreicher.22 Ein äußerst kleiner Teil waren Tschechen. Die Kommandos wurden mit den frisch eingetroffenen Polen aufgefüllt und von diesem Tag an begann ihre Hölle in Mauthausen-Gusen.23 Täglich um 05:00 Uhr früh – egal ob Regen oder Schnee – marschierte die ausgehungerte, vor Kälte zitternde Freitags-Kolonne unter strenger Eskorte der SS-Männer in nasser Kleidung, die kaum trocken wurde, und in zerrissenen Schuhen, die das eiskalte Wasser aus den Pfützen aufsogen wie ein Schwamm. Angetrieben wurden sie durch die Stöcke der Kapos und ihrer Helfer. Gestoßen und angeschoben wie eine Herde Schafe, gingen die Häftlinge resigniert vor sich hin – konzentriert und ernst, vorbereitet auf alles, was noch kommen mochte. Der tragischste Moment ihres Marsches erwartete sie auf dem Abschnitt des Weges, wo die Straße steil vom Hügel herabfiel. Zu allem Übel befand sich an dieser Stelle eine enge Kurve. Durch das auch noch Mitte März vorkommende Glatteis, starben dort immer einige Menschen.24 Die durch die Eskorte aufgehetzten Kapos stießen dort die hinteren Fünfer-Reihen, sodass dadurch die Häftlinge auf ihre Vordermänner fielen, und diese, da sie sich in weiterer Folge auf dem glatten Untergrund nicht halten konnten, übereinander fielen und somit den Marsch der ganzen Kolonne stoppten. Das Auseinanderbrechen der Reihen war der Anlass für ein darauffolgendes, unmenschliches Massaker, welches von Schimpfwörtern wie „Saubande!“ und ähnlichen Phrasen begleitet wurde. Unweit vom Steinbruch Kastenhofen teilte sich die Kolonne in zwei Teile auf. Die 300 Häftlinge aus dem „Barackenbau“ setzten ihren Weg geradeaus fort, die Häftlinge aus dem Kommando „Steinbruch“ hingegen bogen rechts ab. Die Arbeit ging bis 17:00 Uhr, mit einer halben Stunde „Pause“ für das Mittagessen, welches sich aus einer Portion angefrorener Wurst und einem halben, meist kalten, Liter bitteren Tees zusammensetzte. Nach so einem Mittagessen musste man noch vier Stunden weiterarbeiten und einen einstündigen Marsch zurück absolvieren, bevor man sich endlich mit jenem Liter Suppe stärken konnte, welcher normalerweise für das Mittagessen vorgesehen war, jedoch erst nach der Rückkehr nach Mauthausen ausgegeben wurde. Zur Suppe erhielten die Häftlinge dort dann auch eine Portion Brot, welche damals 750 Gramm ausmachte. Die Rückkehr ins Lager Mauthausen war mit denselben Schikanen verbunden wie der Hinmarsch. Abwechslungsreicher gestaltet wurde sie nur noch von der Kolonne, welche am Ende ging – beziehungsweise, besser gesagt, dem Trauerzug. Die stärkeren Häftlinge trugen dort die bei der Arbeit verstorbenen Kameraden auf ihren Schultern. Täglich acht oder zehn; manchmal auch mehr. Trotz dieser zusätzlichen Belastung mussten sie das allgemeine Tempo des Marsches halten. Aus der Nähe des Lagers ertönte das altbekannte, lärmende und verhasste „Los, Los!“, welches zu einer Steigerung des Tempos aufrief. Dieses Antreiben begleitete die Rückkehrenden bis zum Appellplatz, auf dem schon die anderen Häftlinge warteten, die ihre Arbeit bereits früher beendet hatten und nun auf ihre verspäteten Kameraden warteten. Über all dem wachte an der Spitze ein degeneriertes Trio von Folterknechten der SS, welches sich aus Kommandant Franz Ziereis25, Schutzhaftlagerführer Bachmayer26 und Rapportführer Ernstberger27 zusammensetzte, um die Qual für die Häftlinge größtmöglich zu machen. Die Sphäre der „Schoßhündchen“ – der niedrigen SS-Ränge – und die der ausgewählten Kapos wachte darüber, dass die gegebenen Befehle strikt eingehalten wurden. So lässt sich auch erklären, dass manche Kommandos schneller dezimiert wurden – je nachdem, wie eifrig ihr Kommandoführer war. Je mehr ihm an der Erlangung eines höheren Dienstranges lag, desto schneller richtete er die ihm unterstellten Menschen zugrunde. Die Arbeiten am Bau der Baracken in Gusen gingen schnell voran. Anfang April waren jene fertig, die für die Räumlichkeiten der SS-Männer vorgesehen waren, wie auch zwei (die späteren Blöcke 7 und 8), welche für die Unterbringung der in Gusen arbeitenden Häftlingskommandos vorgesehen waren, welche zuvor zur Arbeit aus Mauthausen nach Gusen kamen. Die dauerhafte Überstellung in diese neuen Baracken nach Gusen nahmen die Häftlinge mit großer Freude an. Die mörderischen Märsche fielen weg und das Mittagessen wurde zur normalen Mittagszeit ausgegeben. Die Freude hielt jedoch nicht lange an. Die Arbeitszeit im Steinbruch wurde um eine Stunde verlängert – um genau jene Stunde, welche zuvor für die Rückkehr in das Lager Mauthausen benötigt wurde. Außerdem wurden die im Steinbruch arbeitenden Häftlinge zu zusätzlichen Arbeiten beim Bau des Lagers angetrieben. Und was für Arbeiten das waren! Allein für sich wären sie wahrscheinlich nicht so schwer gewesen, wäre da nicht die unmenschliche Behandlung der Häftlinge gewesen. Die SS-Männer, wie auch eine immer größer werdende Zahl der Kapos, dachten sich die unterschiedlichsten Schikanen aus, um die Häftlinge bis aufs Letzte zu quälen. Das Tragen von Zement, Sand, Kies, Brettern und Steinen, sind Arbeiten, welche Arbeiter auf der ganzen Welt ausführen, ohne sich groß darüber zu beklagen. Hier jedoch machte man aus diesen Tätigkeiten eine Quälerei. Die schwachen, erschöpften und von der Arbeit im Steinbruch bereits ausgelaugten Menschen ließ man auf sogenannte Tragen möglichst viel Sand, Kies oder Zement aufladen. Unter dem Gewicht verbog sich ihr Rücken, knackten die Gelenke und es traten die Adern hervor. Das hatte keine Bedeutung. Wichtig war nur das Arbeitstempo. Es ging darum die Menschen fertig zu machen. Man trieb sie mit einem Stock an – öfter noch mit dem Stiel einer Schaufel und prügelte blind auf sie ein, wie es gerade passte: Kopf, Rücken, Hände, Beine. Wenn jemand hinfiel, peinigte man ihn weiter; schlug ihn, trat ihn und trampelte auf ihn ein. Und so war es überall. Die Kapos trennten sich nicht von ihrem Stock. Man brauchte eine ordentliche Portion Glück, um einen Tag ohne Blessuren zu überstehen. Auf Schritt und Tritt lauerte Gefahr. Abb. 8: Die Häftlingsküche des KL Gusen I am nördlichen Ende des Appellplatzes. Danteske Szenen spielten sich bei der Essensausgabe ab – besonders beim Mittagessen. Im Steinbruch, wohin das Essen bislang aus Mauthausen gebracht wurde, herrschte mehr oder weniger Ordnung. Aber im Lager… Die ausgehungerten Menschen, welche sich oft kaum mehr auf den Beinen halten konnten, schoben sich für eine zusätzliche Portion Suppe, von der jedoch immer nur ein paar Portionen übrig blieben, aneinander vorbei. Es halfen keine Schreie, Schläge oder Tritte. Der Hunger betäubte alles und machte unempfindlich gegenüber den Schlägen. Jeder zusätzliche Löffel Suppe erschien einem als Seelenheil. Die im Laufe des Aprils dahingemordeten Häftlinge des Bau-Kaders wurde mit einem frischen Polentransport aus Mauthausen aufgefüllt. Später wurden von Zeit zu Zeit weitere Häftlinge nachgeschickt, um die durchschnittliche Häftlingszahl bei 600 zu halten. Durch das Eintreffen neuer Arbeitskräfte gingen die Arbeiten zügig voran. Die fertigen Baracken sprossen wie Pilze aus dem Boden. In der letzten Etappe wurde mit dem Bau der Küche begonnen. Der Lagerführer von Gusen – SS-Obersturmführer Chmielewski – hatte die Angewohnheit, bei den Arbeiten, welche an...