Opitz / Rühmkorf | Des Reiches genialste Schandschnauze | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 280 Seiten

Opitz / Rühmkorf Des Reiches genialste Schandschnauze

Texte und Briefe zu Walther von der Vogelweide
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8353-4097-8
Verlag: Wallstein Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Texte und Briefe zu Walther von der Vogelweide

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

ISBN: 978-3-8353-4097-8
Verlag: Wallstein Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Peter Rühmkorf und Walther von der Vogelweide: eine freundschaftliche Annäherung zweier großer Lyriker über die Jahrhunderte hinweg, erzählt anhand von Gedichten, Briefen und Tagebuchnotizen.

Peter Rühmkorf fand in den 1970er Jahren eine erstaunliche und für sein weiteres literarisches Werk bedeutsame Nähe zu Walther von der Vogelweide. Davon erzählt dieses Buch.
Rühmkorfs Anverwandtschaft über einen Zeitraum von acht Jahrhunderten hinweg zeigt sich in seinen Übersetzungen der mittelhochdeutschen Gedichte Walthers von der Vogelweide, »des Reiches genialster Schandschnauze«. Parallel dazu schrieb Rühmkorf einen auch literaturwissenschaftlich bemerkenswerten Essay über den »Reichssänger und Hausierer«, für den er sich von dem bedeutenden Mediävisten Peter Wapnewski Rat holte.

Der Briefwechsel zwischen Dichter und Wissenschaftler, in dem sie über den ›richtigen‹ Zugang zu Walther streiten, wird hier dem Essay zur Seite gestellt. Die Beschäftigung mit dem mittelalterlichen Dichterkollegen half Rühmkorf auch bei der Überwindung seiner ›poetischen Krise‹: Erstmals nach zehn Jahren entstanden um 1975 wieder eigene Gedichte. Diesen Zusammenhang belegen Passagen aus den unpublizierten Tagebüchern Rühmkorfs, die in diesem Band auszugsweise dokumentiert sind.

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I. Walthers Gedichte – Rühmkorfs Übertragungen
  Nû wil ich mich des scharpfen sanges ouch genieten:   dâ ich ie mit vorhten bat, dâ wil ich nû gebieten.   ich sihe wol daz man hêrren guot und wîbes gruoz   gewalteclîch und ungezogenlîch erwerben muoz. 5 singe ich mînen höveschen sanc, sô klagent siz Stollen.   dêswâr ich gewinne ouch lîhte knollen:   sît si die schalkheit wellen, ich gemache in vollen kragen.   ze Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen:   dâ wil ich mich allerêrst beklagen: 10 vind ich an Liupolt höveschen trôst, so ist mir mîn muot entswollen.     (ge)nieten üben, sich befleißigen | vorhte Angst, Sorge | guot Vermögen, Besitz | Stolle(n) wohl Eigenname eines nicht mehr bekannten Dichters | lîhte leicht | knollen Wut (eig. ›dicker Hals‹) | in ihnen | vollen kragen machen redensartl. für ›durchprügeln‹ | Liupolt Leopold VI. (1176–1230), Herzog von Österreich und der Steiermark | muot hier: schlechte Gemütslage (›daß mir der Kamm abschwillt‹)   Jetzt will ich meine scharfe Klinge auch mal nutzen.   Wo ich sonst Klinken putzte, ein paar Federn stutzen.   Ich weiß schon, daß man Herrenlohn und Frauendank   am ehesten erreicht mit Lärm und Mißgesang 5 Singe ich höfisch, werd ich gleich bei Stolle angeschmiert –   Paßt auf! für Wutanfälle wird nicht garantiert.   Wer mich bespeien will, dem geh ich an den Kragen.   In Österreich hab ich gelernt zu dichten und den Takt zu schlagen.   Dort will ich mich zunächst beklagen: 10 Wo Leopold mich stützt, mag sein, daß sich mein Grimm verliert.       Ton 12, IV; WKI Nr. 2. Textvorlage Rü: Stapf S. 118; textkritischer Standard: Bein S. 104. Im Nachlaß Rü Entwicklung der Übertragung und Varianten auf 9 Typoskriptseiten, darunter: Jetzt will ich meine scharfe Klinge auch mal zeigen. / Wo ich sonst höflich anstand, meine Meinung geigen. / Ich weiß schon, daß man Herrenlob und Frauendank / bestens erreicht mit Dreistigkeit und Mißgesang. / Singe ich höfisch, werd ich gleich bei Stolle angeschmiert – / Paßt auf! für Wutanfälle wird nicht garantiert. / Wer mich bespeien will, dem fahr ich an den Kragen. / In Österreich hab ich gelernt, den Takt zu schlagen. / Dort will ich mich zu allererst beklagen. / Wo Leopold mich schützt, vielleicht, daß sich mein Grimm verliert.   Swer mir ist slipfic als ein îs   und mich ûf hebt in balles wîs,   sinewell ich dem in sînen handen,   daz sol zunstæte nieman an mir anden, 5 sît ich dem getriuwen friunde bin   einlœtic unde wol gevieret.   swes muot mir ist sô vêch gezieret,   nû sus nû sô, dem walge ich hin.     in balles wîs wie einen Ball | sinewel kugelrund, rollend | zunstæte ze unstæte, als Unbeständigkeit | einlœtic von gleichem Lot (Gewicht) | vêch bunt | walge(n) (sich) wälzen, rollen   Wer mir eisglatt begegnet und   mich packt als wär ich kugelrund,   dem werd ich wie ein Ball entgleiten.   Redet mir nicht von Schlüpfrigkeiten: 5 Bei treuen Freunden hab ich festen Stand,   völlig im Lot und klar umrissen –   Nur dem, der selber tappt im Ungewissen,   mal so – mal so, dem roll ich aus der Hand.         Ton 54 (Bogenerton), VII; WKI Nr. 3. Textvorlage Rü: Stapf S. 222; textkritischer Standard: Bein S. 321. Im Nachlaß Rü Entwicklung der Übertragung und Varianten auf 2 Manu-, 3 Typoskriptseiten, darunter V. 5–9 in 3 Fassungen: 1. Die treuen Freunde bauen auf mein Wort, / das steht im Lot und klar umrissen – / Wer selber tappt im Ungewissen, / mal so, mal so – dem flieg ich fort; 2. Bei treuen Freunden hab ich festen Stand: / Ich bin im Lot und scharf umrissen – / Nur dem, der selber tappt im Ungewissen, / mal so, mal so – dem roll ich aus der Hand; 3. Dem treuen Freunde stell ich mich / lotrecht und klar gehauen (lotrecht und handlich zugehauen) / Wer … / mal so, mal so – dem flieg ich weg wie Spreu.   Man hôhgemâc, an friunden kranc,   daz ist ein swacher habedanc:   baz gehilfet friuntschaft âne sippe.   lâ einen sîn geborn von küneges rippe: 5 er enhabe friunt, waz hilfet daz?   mâgschaft ist ein selbwahsen êre:   sô muoz man friunde verdienen sêre.   mâc hilfet wol, friunt verre baz.     kranc auch: arm | baz besser | âne ohne | er enhabe er habe nicht | mâgschaft Verwandtschaft | selbwahsen von allein gewachsen | mâc Blutsverwandter | verre baz weit besser   Hoch von Geburt, an Freunden arm,   das ist ein rechter Gotterbarm:   lieber will ich die Freundschaft loben.   Laßt einen sein von ganz hoch oben 5 und ohne Freund – die Welt bleibt leer.   Ist Sippschaft schon Verdienst zu nennen?   Nichts! Aber Freunde binden können.   Vetter mag gut sein – Freund ist mehr.       Ton 54 (Bogenerton), V; WKI Nr. 4. Textvorlage Rü: Stapf S. 218, Wap S. 202; textkritischer Standard: Bein S. 320. Im Nachlaß Rü Entwicklung der Übertragung und Varianten auf 8 Manuskriptseiten, darunter: Hoch von Geblüt, an Freunden arm.   in dem dône Ich wirbe umb allez daz ein man.       Ein man verbiutet âne pfliht ...


Rühmkorf, Peter
Peter Rühmkorf, (1929-2008), studierte zunächst Pädagogik und Kunstgeschichte, später Germanistik und Psychologie. Von 1951 bis 1956 gab er zusammen mit Werner Riegel die Literaturzeitschrift »Zwischen den Kriegen« heraus. Sein literarisches Debüt erfolgte mit dem Gedichtband »Heiße Lyrik«. Ab 1969 war er Gastdozent an zahlreichen Universitäten, er war Mitglied der Gruppe 47, des P.E.N. sowie der Akademie der Künste (Berlin) und der Freien Akdamie der Künste in Hamburg. Zu seinen bekanntesten Werken zählen »Irdisches Vergnügen in g« (1959), »Die Jahre, die Ihr kennt« (1972), »Der Hüter des Misthaufens. Aufgeklärte Märchen« (1983).
Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (1979), dem Arno-Schmidt-Preis (1986), dem Georg-Büchner-Preis (1993), dem Hoffmann-von-Fallersleben-Preises für zeitkritische Literatur (2000) und der Carl-Zuckmayer-Medaille (2000).

Opitz, Stephan
Stephan Opitz, geb. 1951, Germanist und Skandinavist, Gründer und langjähriger Leiter des Nordkollegs Rendsburg; seit 2009 ist er Professor am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er ist einer der beiden Testamentsvollstrecker von Peter Rühmkorf.
Veröffentlichung u.a.: Peter Rühmkorf. Jazz & Lyrik. Aufnahmen 1976-2006 (Hg., 2009); Marcel Reich-Ranicki, Peter Rühmkorf. Der Briefwechsel (Hg. mit Christoph Hilse, 2015).



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