E-Book, Deutsch, Band 14, 110 Seiten
Reihe: QueerWelten
Olthafer / Malzmüller / Weidemann Queer*Welten 14-2023 - Das queerfeministische Phantastikmagazin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-95869-440-8
Verlag: Ach je Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 14, 110 Seiten
Reihe: QueerWelten
ISBN: 978-3-95869-440-8
Verlag: Ach je Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Queer*Welten ist ein halbjährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Magazin, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Microfiction, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar machen. Außerdem beinhaltet es einen Queertalsbericht mit Lesetipps, Veranstaltungshinweisen und mehr.
In dieser Ausgabe: Deep Space Testosteron Blues von Beau Maibaum (Kurzgeschichte)
Meerfrau wider Willen von Katja Rocker (Kurzgeschichte)
Der Duft von Flieder von Lisa Olthafer (Kurzgeschichte)
Parasiten von Katharina Malzmüller (Kurzgeschichte)
Duell der Magix von Kai Weidemann (Kurzgeschichte)
Von Ende zu Ende: Das ungenutzte Potenzial der (literarischen) Apokalypse von Dr. Marie-Luise Meier (Essay)
Der Queertalsbericht 01/2025
Cover von: Mari
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Meerfrau wider Willen
von Katja Rocker
Inhaltshinweise
Verzehr von rohem Meeresgetier, Fantasy-Version von Body Dysmorphia
Tags
Fantasy, Piratencrew, Schatzsuche, Meerwesen, Body Positivity und Körperbilder, magische Gegenstände
Asmodea de Luce, ihres Zeichens Kapitänin des Freibeuterschoners Phönixschwingen, sonnte sich auf der Kaimauer und ließ ihre nackten Füße lässig ins Wasser hängen.
Die Wellen schwappten von der leichten Brise schmatzend hin und her und durchtränkten allmählich ihre Hosenbeine. Sie rückte ihre Brille zurecht und blätterte in der Zeitung. Hier am Ende des Kais übertönte das Plätschern der Wellen beinahe das geschäftige Treiben im nahen Hafen. Die Rufe der Fischersleute, die grade den Fang des Tages entluden, tönten zusammen mit dem Kreischen der unzähligen Möwen über die kleine Bucht.
„Riri, ich habe dich gerochen. Du stinkst.“
„Orr … Nie kann ich dich überraschen.“
Die Meerfrau Riri, eigentlich Orithyia, schnellte aus dem Wasser und landete bäuchlings auf dem Kai. Zappelnd drehte sie sich um und bugsierte ihren glatten, schwarz-weißen Körper behutsam neben die Korsarin. Mit der rechten Flossenhand stellte sie eine zerkratzte Flasche auf die Mauer.
„Dir hängt noch ein Tentakel aus dem Mund.“
„Ich hatte Hunger.“ Riri sog den Krakenarm ein und kaute ihn genüsslich.
„Du hast immer Hunger.“
„Ja und? Dafür hängst du mit der Nase ständig in irgendwelchem Papierzeugs. Was liest du denn grade?“ Neugierig beugte sich Riri zu Asmodea hinüber und studierte die Zeitung.
„Nichts Interessantes. Der übliche Klatsch und Tratsch eben.“
„Hm. Steht da zufällig auch etwas über abgelegene Inseln drin?“
Asmodea blickte über ihre Brille hinweg zu der Orcanidin und senkte die Blätter.
„Warum, sollte es das?“ Ihr Blick wanderte zu der Flasche. „Was ist da drin?“
Riri beantwortete die Frage nicht. „Ich kenne mich auf und im Meer aus, aber nicht an Land.“ Riri grinste, soweit das ihre straffen Gesichtszüge zuließen, und wedelte mit der Flaschenpost.
Die Korsarin faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben sich auf den Boden. Die Brille steckte sie nachlässig in ihren Blusenausschnitt.
„Heraus mit der Sprache. Was willst du? Musst du wieder einen Verehrer loswerden? Ich habe dir doch gesagt, dass du deine Flossen von den neuen Matrosen lassen sollst.“
Riri schüttelte den Kopf. „Ach die. Die sind langweilig. Die schnappen nach Luft und zappeln herum, wenn sie endlich mal im Wasser sind, und schon ist es vorbei mit dem Spaß. Dann kommen immer die mit den Booten und ziehen sie raus.“
Asmodea schaute sie ernst an. „Du weiß schon, dass die wenigsten von ihnen schwimmen können?“
„Das können sie nicht? Echt nicht? Scheiße!“ Riri sah sie entsetzt an. „Wieso können die nicht schwimmen? Ich dachte, alle Menschen können schwimmen. So wie du!“
Asmodea schüttelte den Kopf. „Aus meiner Crew kann außer Glatze und mir niemand schwimmen. Wenn man Boote hat, muss man das nicht selbst können. Na, was soll’s. Solange es niemand aus meiner Mannschaft war ... Sag schon, um was geht’s dir wirklich?“
Riri schaute sich aufmerksam um, keine Sterbensseele schenkte ihnen die geringste Beachtung. Das Fischer- und Hafenvolk hatte anderes zu tun, als eine Orcameerfrau und eine Korsarin zu beobachten.
Trotzdem senkte sie die Stimme. „Dea, hast du Lust auf Juwelen? Völlig ohne Risiko.“
Asmodea runzelte die Stirn. „Riri, willst du mich wieder in Schwierigkeiten bringen? Die Amphore letzten Monat war eine Fälschung, von wegen ‚die ist garantiert antik!‘, und die Kiste mit ‚königlichen Ballkleidern‘ entpuppte sich als mottenzerfressene Lumpen!“
Die Meerfrau verzog ihren Mund. „Was du wieder über mich denkst! Dann eben nicht. Es waren auch schon gute Sachen dabei.“ Sie war im Begriff, die Kaimauer herunterzugleiten, als die Korsarin seufzte. „Ist ja schon gut, ich schau es mir an.“
Riri setzte sich wieder aufrecht hin und entstöpselte mit ihren Flossenhänden die Flasche. „Hier drin ist eine Karte. Und auf dieser Karte ist eine Insel eingezeichnet. Ich sag dir, das ist eine Schatzkarte, auf der ein Versteck markiert ist!“
„Eine Schatzkarte.“ Asmodea sah Riri ungläubig an. „Das soll eine Schatzkarte sein? Eine echte? Mit der wir Gold und Juwelen finden? Bei allen Göttern, Riri, wir sind hier in der Karibik! Hier ist jede Insel mindestens zehnmal umgebuddelt worden! Hier gibt es keine geheimen Schätze mehr!“
„Und wenn ich dir sage, dass ich die Schatzkarte von meinem Vater stibitzt habe?“
Asmodea stutzte. Riri sprach nicht oft über ihren hohen Rang bei den Wasserwesen. Wenn ihr Vater, ein Edler der Orcaniden, diese Karte besessen hatte, steckte mehr dahinter.
„Was springt für mich und meine Crew dabei heraus? Ich muss sie bei Laune halten, unser letzter Profit war nicht so üppig, wie ich gehofft hatte.“
„Ich brauche deine Unterstützung. Selbst hingehen klappt ja nicht. Also Hälfte-Hälfte?“
„Oh nein. Ich trage das Risiko, ich besitze das Schiff und ich habe mehr Ausgaben. Achtzig zu zwanzig.“
„Oh, das ist nicht fair! Ohne mich wüsstest du nix davon! Sechzig zu vierzig“
Die Korsarin schüttelte nur den Kopf.
„Also gut, siebzig zu dreißig, das ist mein letztes Angebot.“
Asmodea schlug ein. „Abgemacht. Wir laufen mit der nächsten Flut aus.“
***
Ein paar Stunden später befanden sie sich auf hoher See und studierten in Asmodeas Kajüte eingehend die Karte. Die Meerfrau lag auf dem Bett und knackte eine Schnecke nach der anderen. Dea sah Riri skeptisch an.
„Du bist dir wirklich sicher, dass es die Totenkopfinsel ist? Die Insel ist nahezu vollständig durchlöchert von den ganzen Versuchen, dort einen Schatz zu finden.“
Riri nickte vehement. „Wenn isch esch doch schage.“ Sie kaute knackend und schluckte eine ganze Portion herunter. „Das Kreuz ist so nah an der Küstenlinie, da muss die Kiste in einer der Höhlen liegen. Die haben die Eingänge unter Wasser, ich kenne die alle, aber das ist Jahre her. Damals war ich noch ein Kalb. Der Schatz ist bestimmt in einem Höhlenteil versteckt, der über der Flutlinie liegt. Da kann ich aber nicht hin. Ohne Beine geht nix. Also musst du in die Höhle hineinschwimmen und wieder hinaus.“
Dea seufzte. „Ich werde deine Hilfe brauchen, ich bin nicht grade die beste Taucherin. Nun gut, packen wir es an. Ich lasse die Crew bald ankern, dann geht es los.“
***
Die Sonne stand im Zenit, als sie am nächsten Tag die kleine, bewaldete Insel erreichten. Asmodea ruderte auf die zerklüfteten Klippen zu. Das unwegsame Ufer war von scharfkantigen Felsen gesäumt, die ein Anlanden nahezu unmöglich machten. Nur an einer Stelle bedeckte feinkörniger weißer Sand das Ufer. Sie pullte, bis sich der Kiel in den Boden grub, zog die Ruder ein und sprang ins knietiefe Wasser.
„Riri, ich werde hier noch narrisch mit deiner Hin- und Herschwimmerei. Hilf mir lieber mal.“
Grinsend steckte diese den schwarzglänzenden Kopf aus dem Wasser. „Es macht einfach Spaß! Herrliches Wetter, das Wasser ist himmlisch, und wir beide allein und zusammen mitten in einem Abenteuer! Was will man mehr?“ Riri schoss davon und platschte Dea mit ihrer Schwanzflosse nass.
„Riri!“ Asmodea wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. „Komm wieder zurück und hilf mir, das Boot auf den Strand zu ziehen!“
„Ist ja gut, ich komm ja schon.“ Riri schwamm heran und presste ihren Unterleib in den Sandboden, während sie mit ihren kräftigen Armen gegen das Boot drückte. Dea zog auf der anderen Seite mit aller Kraft. Gemeinsam schafften sie das Boot aus dem Tidenbereich.
„Du bist dir sicher mit diesem Küstenabschnitt? Die Höhle ist hier?“
Die Orcanide nickte vehement. „Lass uns einfach nachschauen, ja? Ich bin mir ziemlich sicher.“
Dea schaute skeptisch. „Wenn wir hier nichts finden, war das das letzte Mal, dass ich auf dich gehört habe! Dann war’s das! Vielleicht hätten wir doch meine Crew mitnehmen sollen.“
„Vertrau mir!“
Asmodea zog ihre Stiefel aus und zögerte. Sollte sie nackt schwimmen? Nein, sie wusste nicht, wie eng die Höhle war. Ein wenig Schutz vor den scharfen Felsen war nicht verkehrt. Sie zog sich bis auf ihre locker fallende Unterhose und ihr Bustier aus und ließ sich ins Wasser gleiten. Sie kraulte auf die Stelle zu, an der Riri auf sie wartete.
„Du musst gar nicht weit tauchen, siehst du den Felsen, der so aussieht wie ein Holzfass? Da ist einer der Höhleneingänge.“
Asmodea kniff die Augen zusammen und musterte die Küstenlinie, die voller Treibgut lag.
„Also gut, ich tauche dort nach dem Höhleneingang. Und wie geht es weiter?“
„Mir ist dieser Eingang zu eng, ich nehme einen längeren, aber weiteren Eingang. Du tauchst hier einfach hinein und nach zwei, drei Flossenschlägen siehst du dann schon das Sonnenlicht, das in die Höhle scheint, und du bist drinnen.“
„Du denkst schon daran, dass ich auch irgendwann atmen muss?“
„Jaa ... also, ein wenig die Luft anhalten muss du schon. Glaub ich.“
„Riri!“
„Ist ja schon gut, also halt die Luft an und tauch rein, und dann kannst du, da wo es hell wird, auch wieder atmen.“
„Und dort...