Oker | Letzter Akt am Bosporus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Ein Fall für Remzi Ünal

Oker Letzter Akt am Bosporus

Ein Fall für Remzi Ünal. Kriminalroman. Ein Fall für Remzi Ünal (3)
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-293-30248-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fall für Remzi Ünal. Kriminalroman. Ein Fall für Remzi Ünal (3)

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Ein Fall für Remzi Ünal

ISBN: 978-3-293-30248-8
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Remzi Ünal, Privatdetektiv in Istanbul, hat einen Fehler gemacht. Er hat eine junge, hübsche Schauspielerin nicht ernst genommen, die sich bedroht fühlte. Jetzt ist sie tot. Um sein Gewissen zu beruhigen und seine Ehre wieder herzustellen, macht sich Remzi an die Arbeit und sticht in ein Wespennest. Er dringt in das Szene-Milieu von Off-Theatern, dunklen Bars und obskuren Spielhöllen ein, um die Wahrheit herauszufinden. Denn nur die kann ihn retten.

Mit seinen Kriminalromanen rund um den Ermittler Remzi Ünal zeigt uns Celil Oker ein Istanbul, wie es nicht im Reiseführer steht.

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Ich verabscheute es, das Leben anderer Menschen zu verändern. Ja, ich war es leid. Ich habe längst vergessen, wie oft ich mir das selbst schon gesagt habe. Mehr noch als die Veränderung, die ich herbeiführte, hasste ich es, dem Leben anderer Menschen ein Ende zu bereiten. Die beste Methode, um zu vermeiden, das Leben anderer Menschen zu verändern, war Schlaf. Ich ging nach Hause und schlief. Ich schaute weder auf die Uhr, noch schaltete ich den Fernseher ein. Kaum hatte ich die Wohnung betreten, warf ich meine Kleider in eine Ecke, legte mich aufs Bett und schlief ein. Ein anderer wäre wahrscheinlich nicht eingeschlafen. Ich sah weder ein spitzes Schwert auf mich zukommen, noch erschien mir Marilyn Monroe im Traum. Ich schlief tief und fest. Und sehr lange. Ich schlief so lange, bis mich die verrückte Musik aus der Stereoanlage des Jungen in der Wohnung über mir weckte. Als ich die Augen öffnete, verspürte ich Hunger. In Unterhose und Unterhemd ging ich in die Küche und fand etwas altes Brot und Schafskäse, der schon ganz trocken war, weil ich ihn offen draußen hatte stehen lassen. Ich setzte mich an den kleinen Tisch und aß mein karges Mahl, während ich die Kratzer auf dem mit Kunstharz beschichteten Tisch zählte. Dann legte ich mich wieder ins Bett und schlief. Ich stand auf, pinkelte und legte mich wieder hin. Das Telefonklingeln weckte mich. Ich ging nicht ran. Der Anrufbeantworter sprang an. Ich lag im Bett, blickte an die Decke und lauschte der Stimme der Frau, die mir eine Nachricht hinterließ. Ihre Stimme war zittrig, und gegen Ende der Nachricht begann sie zu weinen. Sie versprach mir einen Betrag in Höhe der Jahresmiete meiner Wohnung, wenn ich ihren drogenabhängigen Sohn finden und ihn vor seinen schlimmen Freunden bewahren würde. Ich war jetzt nicht mehr müde, blieb aber trotzdem im Bett liegen. Ich schlug die Decke beiseite. Ich lag auf dem Rücken, breitete die Arme aus und schloss die Augen. Das Einzige, was mir einfiel, war zu atmen, immer wieder tief ein- und auszuatmen. Ich zog die abgestandene Luft im Zimmer so oft tief in die Lunge, bis mir schwarz vor den Augen wurde. Ich hielt die Augen geschlossen und versuchte mir vorzustellen, was ich sehen würde, wenn ich beim Landeanflug auf den Flughafen Zürich aus dem Cockpit einer Boeing 747 nach draußen schauen würde. Aber es gelang mir nicht. Wieder klingelte das Telefon, wieder ging ich nicht ran. Als er den Beantworter hörte, legte der Anrufer am anderen Ende auf. Schließlich stand ich auf. Ich streifte mir etwas über, machte mir einen Kaffee und schaute aus dem Fenster. Draußen war es mittlerweile so dunkel wie immer zu der Tageszeit, in der die Menschen in ihre Wohnungen heimkehrten. Ich hatte Hunger, und weil ich das Elend in meinem Kühlschrank schon kannte, bestellte ich telefonisch ein Fladenbrot mit Hackfleisch, dazu zwei Joghurtgetränke. Ich schaltete den Fernseher ein, suchte den Sender Fashion TV und drehte den Ton ab. Die Models liefen unaufhörlich auf und ab. Das Telefon klingelte wieder. Ich ging nicht ran. Als der Anrufbeantworter ansprang, hörte ich die verärgerte Stimme meines Freundes aus der Werbebranche. »Nun geh schon ran. Nimm endlich ab, ich weiß, dass du zu Hause bist. Ich habe vorhin schon angerufen, und da war besetzt.« Die Models gingen auf dem Laufsteg immerzu auf und ab. Ich blieb regungslos sitzen. »Mensch, nun nimm doch schon ab, lass uns ein paar Sätze miteinander reden.« Ich ging nicht ran. Ich dachte, wenn ich erst anfange zu reden, dann würde ich vielleicht nicht aufhören können … »Okay, ich gebe auf! Wenn du wieder in besserer Stimmung bist, dann ruf mich doch bitte an. Ist das klar? Ruf mich auf jeden Fall an. Wenn du das nicht tust, dann schalte ich deine Anzeige nicht mehr, klar?« Wenn du die Anzeige nicht mehr schalten willst, dann lass es sein, sagte ich zu mir selbst. Er hatte mir ein schönes Inserat gestalten lassen und es im Anzeigenteil der Tageszeitung Hürriyet platziert. Wir hatten uns näher kennen gelernt, als ich einen kleinen Auftrag für ihn erledigte. Als Geste des Dankes bekam ich die Anzeige zu einem sehr ermäßigten Preis. Und wenn ich mal vergaß, die Rechnung zu bezahlen, dann lief er der Sache auch nicht hinterher. Das Inserat stach in der Rubrik »Ermittlungen und Nachforschungen« hervor und sorgte dafür, dass mein Telefon häufig genug klingelte und ich nie ohne Aufträge blieb. Es gab sogar einige Kollegen in der Branche, die mein Inserat kopierten. Wenn du die Anzeige nicht mehr schalten willst, dann lass es. Das kommt mir sehr gelegen. Wenn es so viel Schmerz und Leid bereitet, das Leben anderer Menschen zu verändern, dann wäre es vermutlich gut, mein eigenes Leben zu ändern. Die Models auf Fashion TV gingen weiter auf und ab. Mit unerschöpflicher Energie, mit endlosem Lächeln auf den Gesichtern und mit ständig neuen verrückten Klamotten. Ich hatte nicht den Mut, mir die Nachrichten anzuschauen. Etwas später klingelte es an der Tür. Ich nahm mein Fladenbrot mit Hackfleisch von einem Botenjungen aus dem Kebap-Imbiss entgegen. Der Junge trug eine Uniform im Stil eines Pizza-Hut-Auslieferers. Ohne auf das Wechselgeld zu warten, machte ich ihm die Tür vor der Nase zu. Bevor ich das fettige Päckchen auf den Tisch legen konnte, klingelte es erneut an der Tür. »Das ist schon in Ordnung«, brüllte ich. Es klingelte nicht noch einmal. Ich öffnete das Päckchen und aß das fettige, mit zu wenig Hackfleisch belegte Fladenbrot. Es schmeckte, als wäre es wieder aufgebacken worden. Ohne mir die Hände zu waschen, ging ich zurück ins Bett. Der Fernseher blieb an, die Models auf Fashion TV gingen auch ohne mich weiterhin auf und ab. Als ich aufstand, fühlte ich mich etwas besser. Aber ich mochte mir noch immer keine Nachrichten ansehen. Ich schaute auch nicht vor die Wohnungstür, ob der Junge aus dem Krämerladen mir meine Zeitung und mein Brot schon hingestellt hatte. Nach zwei Tassen Kaffee und zwei Zigaretten hintereinander war mein Kopf wieder einigermaßen in Ordnung. Ich trank Kaffee und schaute dabei den Models zu, die immer noch auf dem Laufsteg auf und ab gingen. Ich war nicht in der Verfassung, wieder ins Bett zu gehen. Zu tun hatte ich auch nichts. Also setzte ich mich an den Computer und flog ein wenig herum. Die technischen Tricks des Flugsimulators reichen an die Atmosphäre bei einem echten Flug nicht heran. Nun gut, das Programm kommt der Realität sehr nahe, es ist mehr als ein Spiel und kann Reaktionen auslösen, wie sie auch in Wirklichkeit vorkommen. Und wenn man den Realitätsmodus auf die höchste Stufe stellt, dann kann einem alles widerfahren, was auch im Flugzeug hoch über den Wolken passieren kann. Trotzdem reicht der Flugsimulator an einen echten Flug nicht heran. Zum Beispiel vibriert der Sessel unter einem nicht, die Sonne blendet die Augen nicht, die Schweißperlen auf der Stirn sind nicht echt. Und ganz egal wie schnell die Anzeigen sich bewegen, man kann jederzeit in die Küche gehen und sich einen Kaffee holen. Im Programm des Flugsimulators fehlt auch der Applaus, den man bei manchen Flügen von hinten hören kann, sobald die Räder bei der Landung aufsetzen. Es gibt nur das, was man vor sich hat: eine Tastatur und einen Bildschirm. Ich weiß nicht, warum, aber ich traute mich nicht an die Flugzeuge heran, die zu fliegen meine Lizenz als Berufspilot mir erlaubte, bevor sie für ungültig erklärt wurde. Ich begnügte mich mit einer Cessna 182 RG und flog unter Sichtbedingungen zwischen den Flughäfen Meigs und O’Hare International hin und her. Bei einem von zwei Landemanövern ging die Maschine zu Bruch. Im Programm des Flugsimulators gibt es auch keinen Inspekteur, der nach dem Preis des abgestürzten Flugzeugs fragt. Als das Telefon klingelte, war ich nicht verärgert über mich, sondern über den Wind, der ablandig wehte. Ich verließ meine Cessna bei 030 »heading« und ging ans Telefon. »Na endlich«, rief mein Freund. Ich brummte etwas Unverständliches. »Was hast du?« Wieder brummte ich in den Hörer. »Du kommst doch zum Training, oder?«, wollte er wissen. »Ich komme«, antwortete ich kurz angebunden. »Danach gehen wir noch los, gemeinsam etwas essen.« Ich brummte. »Schon kapiert. Du bist nicht in der richtigen Stimmung«, sagte mein Freund aus der Werbebranche. »Aber komm doch zum Training. Ich habe demnächst meine Prüfung. Lass uns gemeinsam üben, okay?« »Dann üben wir gemeinsam.« »Wir sehen uns.« Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, schaute ich zum ersten Mal nach meiner Rückkehr in die Wohnung auf die Uhr. Dann sah ich aus dem Fenster. Es war ein ruhiger Abend. Ich atmete tief durch und ging in das Gästezimmer, das nie benutzt wurde. Dort hatte ich meinen Gi zum Auslüften aufgehängt. Ich packte ihn ein. Er lüftete schon eine Woche dort. Eigentlich müsste er mal wieder gewaschen werden. Mein Freund aus der Werbebranche wollte einen höheren Grad erreichen. Wir hatten uns kennen gelernt, als wir gemeinsam mit dem Aikido begonnen hatten, nur legte er beim Training...


Cumart, Nevfel
Nevfel Cumart, geboren 1964 in Lingenfeld, studierte Turkologie, Arabistik und Islamwissenschaft und lebt seit 1993 als freiberuflicher Übersetzer und Journalist bei Bamberg. Bei Vorträgen und Seminaren setzt er sich mit türkeikundlichen Themen auseinander.

Oker, Celil
Celil Oker, geboren 1952 in Kayseri, gestorben 2019, studierte Anglistik in Istanbul. Danach arbeitete er als Journalist, Übersetzer und Leiter einer Werbeagentur. Seit 1998 lehrte er an der Fakultät für Kommunikation an der Istanbuler Bilgi-Universität.

1999 las er in der Zeitung die Ausschreibung für den ersten türkischen Wettbewerb für Kriminalliteratur. Er beschloss, seinen Lebenstraum zu verwirklichen, und schrieb Schnee am Bosporus. Er gewann den ersten Preis und hat seither fünf Bände der Remzi-Ünal-Serie veröffentlicht.



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