Ohme | Das 6. Ökumenische Konzil von Konstantinopel (680/681) | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Greek, Modern (1453-), 693 Seiten

Ohme Das 6. Ökumenische Konzil von Konstantinopel (680/681)

Eine engelgleiche Versammlung?
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-11-170878-2
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine engelgleiche Versammlung?

E-Book, Deutsch, Greek, Modern (1453-), 693 Seiten

ISBN: 978-3-11-170878-2
Verlag: De Gruyter
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Das Konstantinopler Konzil von 680/681, das sechste „ökumenische“, hat mit seiner Lehrentscheidung zum zweifachen Wirken und Willen Jesu Christi für die Römisch-Katholische Kirche und die Orthodoxen Kirchen normative Bedeutung. Bisher fehlte jedoch eine moderne Darstellung und Analyse seines Zustandekommens, seiner Akten und Protokolle, seiner Entscheidungen und seiner Folgen. Diese Lücke wird hier geschlossen. Das Konzil sollte einen jahrzehntelangen theologischen Streit um die Christologie beenden. Am Ende aber stand die größte Zahl jemals auf einem ökumenischen Konzil verurteilter Bischöfe, darunter ein Papst. Singulär war auch die kaiserliche Leitung und Überwachung, beklemmend die politische Situation, denn das Imperium kämpfte im Ansturm der islamischen Araber um seine Existenz. Diese Monographie analysiert erstmals umfassend die kritisch edierten Akten und Protokolle der 18 Sitzungen dieses Konzils in historischer, philologischer und theologischer Hinsicht. Sie stellt die Frage nach der Authentizität der Protokolle, nach der Plausibilität der theologischen Argumentationen, nach den Gründen für das Scheitern einer Verständigung und nach den Verschränkungen vom Verlauf und den Entscheidungen mit dramatischen politischen und sozialen Vorgängen außerhalb der Konzilsaula.

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Zielgruppe


Theolog*innen, Historiker*innen, Byzantinist*innen, Mediävist*inn / Scholars in the fields of theology, history, Byzantine studies, m


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Teil I: Die Krise des „monenergetisch- monotheletischen Streites“


A Theologische Entwicklungen am Vorabend des „monenergetisch-monotheletischen Streites“


1 Aspekte des Neuchalcedonismus als theologische Grundlage


Der griechische Begriff energeia (?????e?a), lateinisch operatio, actio, efficacia, im Deutschen üblicherweise mit Wirken, Wirksamkeit, Tätigkeit oder Aktivität wiedergegeben, stand zusammen mit dem Willensbegriff, griechisch thelema/thelesis (????µa/????s??), im Zentrum einer theologischen Kontroverse des 7. Jahrhunderts, die sich zu einer kirchlichen Krise mit einem zeitweisen Schisma, staatlichen Gesetzen zu theologischen Sprachregelungen, Synoden, Hochverratsprozessen mit drakonischen Strafen und einer präzedenzlosen Zahl an Anathematismen auswuchs. Die Dramatik der Ereignisse erklärt sich neben manch anderen Ursachen daraus, dass der Streit ins Zentrum des christlichen Glaubens zielte. Denn in der Frage, wie das Wirken und Wollen Jesu theologisch korrekt zu beschreiben sei, ging es um das sachgemäße Verständnis der Person Jesu Christi. Seit den ersten Jahrhunderten stand folgende Frage im Zentrum der christlichen Theologie: Wie kann das im Leben, Wirken, Sterben und Auferstehen des Menschen Jesus Christus geglaubte und bekannte Wirken Gottes dem apostolischen Zeugnis entsprechend denkerisch stringent und plausibel beschrieben und ins Verhältnis zu seinem Menschsein gesetzt werden? Im Kern waren damit drei Fragestellungen gegeben: 1. Wie verhalten sich die im Neuen Testament überlieferten sogenannten Hoheits- und Niedrigkeitsaussagen zueinander?1 2. Wie sind die damit verbundenen Extreme so zu denken, dass darüber nicht die Einheit der Person Jesu verloren geht? 3. Wie kann Göttliches und Menschliches im Wirken Jesu so ausgesagt werden, dass sein wahres Menschsein nicht in Frage gestellt wird? Bei der denkerischen theologischen Beantwortung dieser Fragen, die erst seit dem 17. Jahrhundert mit dem Begriff „Christologie“ bezeichnet wird,2 waren zwei Irrwege von vornherein ausgeschlossen. Ausgeschlossen waren alle Aussagen, die um der Einheit willen von Göttlichem und Menschlichem in der Person Jesu und seinem Wirken diesen als ein „Zwischenwesen“ zwischen Gott und Mensch erscheinen ließen. Ebenso auszuschließen waren Aussagen, die das Niedrige und Hohe so weit voneinander trennen, dass die Einheit der Person gefährdet ist und das Göttliche und Menschliche auseinanderzufallen drohte – schlimmstenfalls in zwei getrennte Individuen. Für diese beiden auszuschließenden Irrwege stehen traditionell die Namen des Konstantinopler Archimandriten Eutyches (ca. 370?–?nach 451) und des Konstantinopler Erzbischofs antiochenischer Herkunft Nestorius (ca. 381?–?ca. 451).

Die christliche Theologie der ersten Jahrhunderte hat sich bei der Beantwortung dieser Grundfragen der in der Philosophie bereitliegenden Begriffe und Kategorien bedient. So hat das 4. Ökumenische Konzil von Chalcedon im Jahr 451 zur Lösung dieser Aufgabe in seiner dogmatischen Definition (Horos)3 den ontologischen Begriff der „Natur“ (f?s??/physis) herangezogen und formuliert, dass „ein und derselbe Christus in zwei Naturen erkannt wird“. Um die genannten Irrwege zu vermeiden, hat das Konzil weiterhin im selben Satz festgelegt, dass Christus in diesen beiden „Naturen“ stets „unvermischt, unverwandelt, ungetrennt und unteilbar erkannt wird“4 und dass „der Unterschied der Naturen wegen der Einheit niemals aufgehoben, sondern die Eigentümlichkeit einer jeden der beiden Naturen bewahrt wird – auch im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase“.5 Der griechische philosophische Begriff ‚Hypostase‘ (?p?stas??/hypostasis) – hier so viel wie Einzelwesen – ist damit neben den Begriffen ‚Person‘ (p??s?p??/prosopon) und ‚Natur‘ von zentraler Bedeutung für das Verständnis der chalcedonensischen sogenannten Zwei-Naturen-Lehre. In seiner Definition hat das Konzil weiterhin mehrere Lehrtexte rezipiert und als maßgebliche Erklärungen der dogmatischen Definition autorisiert. An erster Stelle waren diese zwei Texte des Erzbischofs von Alexandrien, Cyrill (412?–?444), nämlich sein 2. Brief an den oben genannten Nestorius6 und sein Brief an den Erzbischof Iohannes von Antiochien vom April 4337 und „mit diesen“ hat es als dritten Referenztext den Brief Papst Leos I. (440?–?461) an den Konstantinopler Erzbischof Flavianus (446?–?449), den sog. Tomus Leonis,8 „verbunden“. Aus dem Schreiben Leos hat es auch den Nebensatz des letztgenannten Zitates in den Text der dogmatischen Definition aufgenommen und zu dem von Leo verwendeten Begriff persona explikativ „und Hypostase“ hinzugesetzt,9 ohne diesen Begriffen allerdings weitere Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Frage, was dieses „Zusammenkommen“ der beiden Naturen „zu einer Person und Hypostase“ bedeutet, war Ausgangspunkt einer enormen theologischen Produktivität – vor allem im griechischen Osten – von der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts bis ins 7. Jahrhundert. Es ging darum, den „in zwei Naturen“ bekannten Christus dem neutestamentlichen Zeugnis entsprechend als einzelnes unverwechselbares Subjekt seines Lebens zu beschreiben und dabei das Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem im Lebensweg und Werk der Person Jesu zu beachten. Die ontologischen Begriffe der Definition von Chalcedon, die das Geheimnis seiner Person sichern sollten, wurden am Christuszeugnis der Evangelien auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Eine Vielzahl von Theologen hat sich in diesem Zeitraum dieser Aufgabe verschrieben, die auch durch die argumentativen Herausforderungen der Gegner des Beschlusses von Chalcedon ihr spezifisches Profil fanden. Die wichtigsten sind: Iohannes Grammaticus aus Caesarea/Cappadocia (Ende 5./Anfang 6. Jh.), Iohannes von Scythopolis (1. Hälfte 6. Jh.), Leontius von Byzanz († 543), Leontius von Jerusalem (1. Hälfte 6. Jh.), Kaiser Justinian I. (527?–?565), Ephraem von Antiochien (von Amida) († 545); Anastasius von Antiochien (sedit 559?–?570.593?–?598), Pamphilus von Jerusalem (um 600), Theodoros von Raïthu/Pharan (ca. 570/80–vor 638), Sophronios von Jerusalem (ca.550?–?638[639]) und nicht zuletzt Maximos Homologetes (ca. 579?–?662). Auch wenn sich Abhängigkeiten untereinander feststellen lassen, kann man doch nicht von einer „Schule“ sprechen. Gleichwohl werden die durch sie vorangetriebenen Fortschreibungen der chalcedonensischen Christologie zusammen mit den dogmatischen Beschlüssen des 5. Ökumenischen Konzils (553) seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts unter der Bezeichnung „Neuchalcedonismus“ zusammengefasst. Will man die theologischen Grundlagen der kirchlichen Krise des 7. Jahrhunderts verstehen, ist es zweckmäßig, einige Merkmale dieser Weiterentwicklung der Christologie zu verdeutlichen, denn sie stellt die gemeinsame Grundlage dar, auf der schließlich auch die Kontrahenten des „monenergetisch-monotheletischen Streites“ im Osten theologisch argumentiert haben.

Die Erforschung dieser Entwicklungen fand in den vergangenen ca. 80 Jahren schwerpunktmäßig im Bereich der römisch-katholischen Theologie statt10 mit nur wenigen Beiträgen orthodoxer Theologen.11 Initiiert wurde sie allerdings durch Verdikte und Hypothesen liberaler protestantischer Theologen des 19. Jahrhunderts, die enorme Verbreitung erlangten, sich aber inzwischen als nicht haltbar erwiesen haben.12 Das betrifft zuerst Thesen Adolf von Harnacks und seines Schülers Friedrich Loofs. Harnack hatte die Entwicklungen der Christologie in dieser Zeit vor allem als Maßnahmen kaiserlicher Kirchenpolitik gedeutet, die zu einer „Correktur des Chalcedonense“ geführt hätten, durch die das angeblich in Chalcedon überwundene Denken Cyrills wieder zur Geltung gebracht worden sei und in einen „Machtkampf zwischen abendländischen und orientalischen Theologen“ ausgeartet sei.13 Loofs sah in den beiden Leontii eine Person und hielt diesen Theologen für die Schlüsselfigur der theologischen Entwicklungen des 6. Jahrhunderts, in dessen Christologie der Gestalt Jesu die menschliche Individualität abhandengekommen sei.14 Patrick Gray hat demgegenüber klargemacht, dass die Initiativen zum sogenannten Neuchalcedonismus nicht von der kaiserlichen Kirchenpolitik ausgingen, sondern von der Basis der Kirche und den sich hier engagierenden Theologen, die einerseits das Dogma von Chalcedon gegen eine „nestorianisierende“ Interpretation schützen und anderseits das der Frömmigkeit wesentliche Christusbild der einen unverwechselbaren Person deutlich machen wollten.15

Eine wesentliche Erkenntnis für die Neubewertung dieser neuchalcedonensischen Christologie erbrachte im Jahr 1976 der Nachweis von André de Halleux, dass die Reihenfolge der in der Definitio von Chalcedon autorisierten Lehrtexte keine zufällige ist, sondern dass es sich vielmehr um eine „hiérarchie descendante“ handelt. Das bedeutet, dass es nach der Entscheidung des Konzils nicht der...


Heinz Ohme, Humboldt-Universität zu Berlin.

Heinz Ohme, Humboldt University Berlin, Germany.



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