Özmen | Politische Philosophie zur Einführung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: zur Einführung

Özmen Politische Philosophie zur Einführung


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96060-016-9
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-016-9
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Insofern sich politische Philosophie mit normativen Fragen beschäftigt, stellt sie sich vielfältigen Begründungsfragen. Soll es das Politische überhaupt geben und wenn ja, in welcher Form? Welche politischen Handlungsweisen sind in welchem Ausmaß legitim? Wie können politische Autorität und politische Verpflichtungen gerechtfertigt werden? Welche Akteure, Handlungen oder Zwecke sollen aus welchen Gründen überhaupt als 'politisch' gelten und welche nicht? In dieser Bedeutungsvielfalt klingen verschiedene Perspektiven der politischen Philosophie nach, die unsere Vorstellungen von dem, was überhaupt 'politisch' genannt werden kann, geprägt haben. Diese Einführung geht ihnen historisch wie systematisch nach und präsentiert neben klassischen Positionen aktuelle Paradigmen und ausgewählte Schlüsseldebatten der politischen Philosophie.

Elif Özmen ist Professorin an der Universität Regensburg.
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Autoren/Hrsg.


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Inhalt:
1. Einleitung: Perspektiven der politischen Philosophie
1.1 Was ist politische Philosophie?
1.2 Begründung als Grundproblem
2. Philosophiehistorische Bruchlinien
2.1 Das Gute und die Gemeinschaft
2.2 Freiheit und politische Gerechtigkeit
2.3 Gleichheit und soziale Gerechtigkeit
2.4 Demokratie und Menschenrechte
3. Paradigmen der politischen Philosophie der Gegenwart
3.1 Liberalismus (John Rawls)
3.2 Deliberative Demokratie (Jürgen Habermas)

3.3 Der Capability-Ansatz (Martha Nussbaum)
4. Aktuelle Debatten und Kontroversen
4.1 Der Einzelne und die Gemeinschaft
4.2 Die Anderen
4.3 Statt eines Fazits: Eine kurze Apologie der freiheitlichen Demokratie
Anhang: Anmerkungen; Literatur; Über die Autorin


2.Philosophiehistorische Bruchlinien


Die politische Philosophie hat nicht nur eine lange Geschichte, die bis ins 5. Jahrhundert v.u.Z. zurückreicht, sondern sie ist auch eine sich wiederholende und dabei erneuernde Geschichte der philosophischen Begründungen der politischen Ordnung. Einige Fragen, Begriffe und Gegenstände tauchen in dieser Geschichte immer wieder auf, manchmal aber in so verschiedenen Perspektiven und Kontexten, dass es sich eigentlich um unterschiedliche politikphilosophische Phänomene handelt. Andere Problemstellungen und Argumentationsweisen sind historisch erstmalig und stellen wirklich neuartige Konzepte dar. Im Folgenden wird die Geschichte der politischen Philosophie nur partiell und in systematischer Absicht, d.h. in Hinsicht auf ihre »Bruchlinien« gewürdigt. Zwar erscheint die Rede von Brüchen historisch insofern irreführend, als diese nie radikal und umfassend, sondern über Jahrhunderte an verschiedenen Orten von verschiedenen Personen vollzogen wurden. Dennoch kann mithilfe solcher Bruchlinien der historische Wechsel von einem Paradigma der Begründung zu einem anderen verständlich gemacht werden. Auf diese Weise werden zudem die zeitgenössischen Paradigmen, Themen und Kontroversen der politischen Philosophie historisch verankert und erhalten eine auch für die systematische Perspektive unerlässliche (Vor-)Geschichte.

2.1 Das Gute und die Gemeinschaft


Am Anfang der Philosophie stand der Bruch. Die Liebe zur Weisheit als einer Tätigkeit, die an allgemeinen Regeln des Denkens, Argumentierens, Schlussfolgerns und Begründens ausgerichtet ist, entwickelte sich vor allem durch Abgrenzungen von den in der Archaik etablierten Formen und Methoden des Wissens. Zu diesen gehörten neben göttlicher, religiöser oder schlechthin charismatischer Autorität, dem Kultus, der Überlieferung und den Weisheitssprüchen vor allem dichterische und gleichnishafte Reflexionen. Vom 7. bis ins 5. Jahrhundert v.u.Z sind es primär Mythos und Epos, Tragödie und Komödie, in denen sich Deutungen und Infragestellungen der menschlichen Existenz und des Zusammenlebens auffinden lassen – wenngleich in Stellvertretung durch eine konfliktreiche Götter- und Halbgötterwelt. Mit der Vorsokratik beginnt das eigentlich philosophische Geschäft des Denkens und Argumentierens in Ordnungs- und Gesetzesbegriffen, zunächst in Bezug auf naturphilosophische und kosmologische Fragestellungen. Auch wenn die hier unterstellte Einheit von Kosmos und Polis, von Welt und Stadt, es durchaus ermöglicht, über das Recht und die rechtlich-sittliche Ordnung der Menschen zu reflektieren, ist dies indes noch keine politische Philosophie, sondern bleibt : die passive Erkenntnis von nicht begründungsbedürftigen, da zeitlosen, allgemeinen und notwendigen Prinzipien.

Die Philosophie wird praktisch (und zugleich politisch) erst, indem sich ein Problem der Legitimität des Vorfindlichen und Althergebrachten stellt, also die zentrale Frage der Begründung derjenigen Prinzipien, Regeln und Institutionen aufgeworfen wird, die nicht länger als notwendig und unveränderlich gelten. Der Mensch und die von den kosmischen Gesetzmäßigkeiten nunmehr unterschiedenen menschlichen Angelegenheiten rücken ins Zentrum der philosophischen Reflexion. Es sind die von Platon viel geschmähten Sophisten, die die politische Philosophie durch eine Gegenüberstellung von Natur (im Sinne des Gegebenen) und Gesetz (im Sinne des Gemachten, der konventionellen Sitten und Bräuche) initiieren. So steht der Gegensatz von Physis und Nomos auch im Hintergrund der sophistischen Überlegungen zur Lehr- und Lernbarkeit der Tugenden und der Bezahlung dieser wertvollen Lehre, an der sich die Kritik Platons entzündet. Ergeben sich die Fertigkeiten und Tugenden, die die Kunst des guten Regierens ausmachen – und zugleich politische Autorität konstituieren – gleichsam von selbst, etwa qua adliger Geburt, Reichtum, Stärke oder gar »von Natur aus«? Oder kann und muss die gelernt und geübt werden; kann man hier, insbesondere in der Kunst der Rede und Überredung, unterwiesen werden?

Platons Antwort ist für die politische Philosophie der Antike richtungweisend. Die durchaus lehr- und lernbare Rhetorik mag hilfreich sein bei der Realisierung des Ziels, eine oder die eigene Meinung durchzusetzen, Unterstützer zu gewinnen und Mehrheiten zu organisieren. Aber weder ist das eine Tugend, noch führt es zu Tugend, insbesondere nicht zu dem umfassenden Wissen, aufgrund dessen man nicht »über irgendeine einzelne staatliche Angelegenheit, sondern über den Staat als Ganzes«27 zu urteilen vermag und das im Zentrum der politischen Tugend der Weisheit () steht. Wissen, nicht Überredung, Tugend, nicht ihr bloßer Schein, sind der wahre Gegenstand der politischen Philosophie, den die scheinweisen Sophisten nicht zu erkennen vermögen. Sie geben sich mit subjektiven und kontingenten Meinungen über das Gute zufrieden, wie es Platon Protagoras in den Mund legt: »Für einen jeden Staat sei dasjenige […] gerecht und ungerecht, […], was er dafür hält und auf Grund dessen zur gesetzlichen Einrichtung macht, und in diesen Dingen gäbe es keinen Unterschied der Weisheit.«28 Platon geht es gerade nicht um die konventionellen Meinungen, sondern um wahre und gerechtfertigte Überzeugungen, um die Erkenntnis des Guten. Diese kann nicht durch das Erlernen einer politischen Technik, etwa eines rhetorischen Handwerks, produziert werden, sondern sie setzt eine die Persönlichkeit grundlegend verändernde Umwendung der Seele voraus, wie sie im Höhlengleichnis, im siebten Buch der , veranschaulicht wird. Schließlich könne man wahres Wissen und die ihm folgenden Kenntnisse »nicht in einem anderen Gefäß davontragen, sondern hast Du den Preis bezahlt, so mußt Du sie in deine Seele selbst aufnehmend lernen und hast deinen Schaden oder Vorteil schon weg, wenn Du gehst«29. Die von Platon in diesem Gleichnis als durchaus schmerzhaft, langwierig und elitär beschriebene Umkehrung der Seele von Meinung zu Wissen, von Schein zu Sein, von Irrtum zu Wahrheit formt – bildet – den Menschen. Die Einsicht in das Gute und das ihm gemäße Handeln im Sinne des Könnens und des Wollens der guten Handlungen fallen für ihn in eins. Nicht zuletzt deswegen sollen in der idealen Polis die Philosophen herrschen als diejenigen, die die Idee des Guten geschaut haben und derart auch über das Wissen und die Tugenden verfügen, die für Gerechtigkeit konstitutiv sind.

Aristoteles bricht diese Engführung von metaphysischer Ontologie und Erkenntnistheorie mit politischer Philosophie und Ethik auf, indem er eine systematische Aufteilung der Wissenschaften und Wissensformen vornimmt, die die praktische Philosophie als einen von der theoretischen unterschiedenen, eigenständigen Wissensbereich mit spezifischen Gegenständen, Methoden und Zielen begreift.30 Politisches Wissen ist demzufolge aktives, mit den menschlichen Angelegenheiten, insbesondere mit Handlungen und Entscheidungen befasstes, umrisshaftes, wirkendes Wissen, dessen vortreffliche Ausübung nicht länger Weisheit, sondern Klugheit () heißt. Aber auch dieses praktische Wissen wird auf eine außerhalb der menschlichen Angelegenheiten stehende Ordnung gegründet, auf eine metaphysische, genauer: eine essentialistische Wesensbestimmung des Menschen im vernunftgemäßen Tätigsein von Denken und Handeln.31 Aristoteles verbindet die Frage nach dem Guten (die er mit der Frage nach dem guten Leben, der , identifiziert) mit der teleologischen Vorstellung, dass es ein spezifisches natürliches Wesen () des Menschen gibt, das sowohl definiert als auch normiert, was es heißt, ein guter Mensch zu sein, ein gutes Leben zu führen, eine gute politische Ordnung zu verfassen. Selbst wenn dieses ethische und politische Wissen im Umrisshaften bleibt, schafft es doch einen allgemeinen und verbindlichen Rahmen dafür, was das Gute ist und wie es sich realisiert, in welchen Lebensformen, welchen individuellen und politischen Tugenden, welchen seelischen und politischen Verfassungen. Auch für Aristoteles ist das Gute von unseren Meinungen und unserem Fürwahrhalten letztlich unabhängig, wenngleich er im Unterschied zu Platon den vorfindlichen Meinungen und Traditionen eine mögliche Vernünftigkeit nicht von vorneherein abspricht und die Exklusivität des politischen Wissens sowie der phronetischen Tugend (und damit auch das Philosophenkönigstum) zurückweist. Dennoch: Nur ein gemeinsames Maß des gerechten und guten Lebens und Zusammenlebens stiftet politische Harmonie und Stabilität, ja bürgerschaftliche Freundschaft zwischen denjenigen, die zum politischen Handeln fähig sind.

Das Gute fungiert als der gemeinsame und verbindende Maßstab der Polis, die »um einer vollkommenen und autarken Lebensweise willen« existiert.32 Derart wird aber die Begründung der politischen Ordnung an den Bestand einer anderen Ordnung gebunden. Kosmologische, metaphysische, ontologische und anthropologische...


Elif Özmen ist Professorin an der Universität Regensburg.



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