Obrist / Städeli / Grassi Klassenführung (E-Book)
3. Auflage, Überarbeitete Ausgabe 2013
ISBN: 978-3-03905-899-0
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Unterrichten mit Freude, Struktur und Gelassenheit
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: hep praxis
ISBN: 978-3-03905-899-0
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Klassenführung greift einige der wichtigsten Fragen auf, mit denen jede Lehrerin, jeder Lehrer in der Praxis konfrontiert ist. Wie werden Einstiegs- und Anfangssituationen gestaltet? Welche Kommunikations- und Verhaltensregeln haben sich im Unterricht bewährt, wie führt man solche Regeln in der Klasse ein, und wie setzt man sie durch? Wie lassen sich die Kompetenzen der Lernenden fördern, wie Prüfungen gestalten, die aussagekräftig und zugleich fair sind? Wie gelingt es, Struktur in den Unterricht zu bringen, damit die Lernenden ihrem Leistungspotenzial entsprechend gefördert werden?
In ihren Ausführungen orientieren sich die Autoren an drei zentralen Prinzipien: Gelassenheit oder innere Ruhe ist die Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen die Fassung zu behalten. Struktur meint den Aufbau des Unterrichts, von der einzelnen Lektion über den Schultag bis hin zur Semester- und Jahresplanung. Freude ist eine emotionale Reaktion auf positive Erinnerungen und angenehme Begegnungen mit Lernenden, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen. Solche Emotionen übertragen sich auf die Lernenden und tragen dazu bei, dass diese sich motiviert mit den Inhalten des Unterrichts auseinandersetzen.
Autoren/Hrsg.
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Der Umgang mit den Lernenden
... wie ich dazu beitrage, dass in der Klasse ein gutes Unterrichtsklima herrscht
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Das Klima, in dem Unterricht stattfindet, hängt von vielerlei Faktoren ab. Auch die Rahmenbedingungen (Klassengröße und -zusammensetzung, Alter und Vorwissen der Lernenden) beeinflussen das Unterrichtsklima. Solche Bedingungen sind nicht zuletzt Produkt eines bildungs- und finanzpolitischen Aushandlungsprozesses. Das sind indessen Fragen, die den Rahmen dieses Buches sprengen – hier soll es lediglich darum gehen, welche Handlungen der Lehrperson das Klassenklima positiv beeinflussen. Im Wesentlichen sehen wir sechs Faktoren, die zu einem guten Unterrichtsklima beitragen: • Beziehung, • Transparenz, • Regeln, • Präsenz, • Leistungsanforderungen im Unterricht, • Humor. So wird’s gemacht
Wir gehen davon aus, dass Lernende beim Lernen zwei elementare Grundbedürfnisse befriedigen wollen: • das Bedürfnis nach Anerkennung und menschlicher Zuwendung, • das Bedürfnis nach Herausforderung und Selbstwirksamkeit. Wenn diese beiden Bedürfnisse in der Klasse angemessen befriedigt werden können, stehen die Chancen gut, dass ein förderliches Unterrichtsklima entsteht. Bleiben sie unbefriedigt, so werden die Lernenden auf die eine oder andere Weise auf den Mangel aufmerksam machen. Lehren und Lernen ist Beziehungsarbeit
Wie schon ausgeführt, betrachten wir die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden als wesentliche Grundlage für Lernklima und Leistungsbereitschaft. Beziehung muss geknüpft und gepflegt werden, von allem Anfang an – vor, während und nach dem Unterricht. Vollzeit-Lehrpersonen an Berufsfachschulen unterrichten in einer Woche oft über hundert Lernende. Dass es unter solchen Umständen nicht einfach ist, eine tragfähige Beziehung zu ihnen aufzubauen, versteht sich von selbst. Desto mehr werden wir diesen Aspekten Rechnung tragen. Lernende sind mehr als Namen, Zensuren und Zeugnisinhaber
• Wann haben Sie Ihrer Klasse zum letzten Mal etwas über sich als Privatperson, als Mutter oder Familienvater erzählt, wann zum letzten Mal berichtet, was sie als Bürger, als Mensch beschäftigt? Wissen die Lernenden, wo und wie Sie wohnen? Wissen sie, wie Sie Ihre Sonntage oder die Ferien verbringen? Wissen sie etwas über Ihre Freizeitbeschäftigungen? • Es geht nicht darum, Intimitäten auszubreiten oder innerste Regungen nach außen zu kehren. Es geht vielmehr darum, Einblick zu gewähren in unser Menschsein, darum, dass wir uns auch als Menschen zeigen, jenseits unserer Funktion und Aufgaben als Lehrperson. • Wie nehmen wir selbst die Lernenden wahr? Was wissen wir über ihren Hintergrund, ihre Werte, Ziele, Visionen und Ängste? • Wir können viel über die Lernenden erfahren, wenn wir uns bereits einige Minuten vor Unterrichtsbeginn im Klassenzimmer einfinden, wenn wir wahrnehmen, in welcher Stimmung sie in der Schule eintreffen, wenn wir uns nach ihrem Befinden erkundigen, uns für ihre Fortschritte im Lehrbetrieb und Sportverein interessieren, wenn wir wahrnehmen, was die Lernenden lesen, welche Musik sie hören, womit sie sich neben ihrem Berufschulalltag beschäftigen, u.a.m. • Mit solchen Kurzgesprächen signalisieren wir: Wir erwarten euch zum Unterricht, und es ist uns wichtig, wie es euch geht. • Wir erfahren viel über die Lernenden, wenn wir Unterricht als ein schrittweises Sich-Annähern an optimale Lösungen verstehen. Wenn es uns interessiert, mit welchen Überlegungen Lernende zu einem Ergebnis kommen. Wenn falsche Antworten nicht als Makel, sondern als wichtiger Schritt auf dem Weg zu beruflicher und schulischer Kompetenz gesehen werden. • Wir erfahren viel über die Lernenden, wenn wir am Ende der Stunde beobachten, wer es eilig hat, wegzukommen, wer noch Fragen hat, die er nicht vor der ganzen Klasse stellen möchte, wer noch einen kleineren oder größeren Kummer hat, den er einer aufmerksamen Zuhörerin oder einem aufmerksamen Zuhörer anvertrauen möchte. Lernende und Lehrpersonen wollen als Menschen wahrgenommen werden. Beide Seiten sollen auch in der Schule Gelegenheit erhalten, am Leben der anderen Anteil zu nehmen und Facetten von sich zu zeigen, die im Unterricht aber zu kurz kommen. Dieses Sich-einander-Öffnen kann ein Klima des gegenseitigen Respekts nur fördern. Transparenz – ein wichtiger Faktor des Unterrichtsklimas
»Wer nicht sagt, was er will, bekommt, was er befürchtet.« Lehrpersonen sind dafür verantwortlich, dass im Klassenzimmer ein erfreuliches und förderliches Unterrichtsklima herrscht – diese Aufgabe kann und wird uns niemand abnehmen. Es ist wichtig, dass wir als Lehrpersonen der Klasse verständlich machen können, wie wir uns den Unterricht und die Unterrichtsergebnisse vorstellen – wir sind es, die Standards setzen, nicht im Sinne eines schriftlich abgefassten Tugendkatalogs, sondern als gelebte Praxis der Zusammenarbeit. Gut gelungene Arbeiten persönlich mit den Lernenden zu besprechen, trägt zur Klärung der Qualitätsnormen bei. Ebenso wichtig ist es, dem nachlässig und flüchtig Hingeworfenen entgegenzutreten und den Lernenden darzulegen, weshalb man nicht bereit ist, sich mit Halbheiten zufriedenzugeben. Anforderungen sind sachlich zu begründen; je transparenter und offener wir das tun, desto verständlicher wird es für die Lernenden und desto eher werden sie bereit sein, diese Normen anzunehmen. Qualitätsdiskussionen sind für Lehrende und Lernende Prüfstein ihrer Sozialkompetenz. Kann die Lehrperson ihre Anforderungen sachlich und fundiert begründen? Ist sie bereit, die Argumente der Jugendlichen ruhig und geduldig anzuhören, um sie dann zu würdigen oder allenfalls mit anderen Argumenten zu entkräften? Aus entwicklungspsychologischer Sicht lässt sich gut nachvollziehen, warum Jugendliche herausfinden wollen, ob über gestellte Anforderungen verhandelt werden kann und ob sie sich im Laufe der Diskussion allenfalls korrigieren lassen. Vor allem aber haben Jugendliche das Recht zu testen, ob Erwachsene es mit ihren Qualitätsvorstellungen und Haltungen ernst meinen. Lernende brauchen diese Auseinandersetzung um Werte und Haltungen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Gutes Unterrichtsklima – geregelte Verhältnisse
Aus Wertediskussionen lassen sich ein paar Regeln ableiten, die als gemeinsame Arbeitsbasis dienen können. Es trägt zur Transparenz bei, wenn die ausgehandelten Regeln schriftlich gefasst und die Konsequenzen von Regelverstößen geklärt werden. Klassen brauchen unterschiedliche Regeln. Ihre Anzahl und die Inhalte richten sich nach dem Entwicklungsstand der Sozialkompetenz. Problemloses Verhalten macht keine besonderen Regeln erforderlich. Wenn aber Konflikte auftreten, ist zu prüfen, ob gleichartige Konflikte künftig durch das Aufstellen einer Regel vermieden werden können. Als Leitidee mag gelten: So wenig Regeln wie möglich, so viele Regeln, wie für ein konstruktives Arbeitsklima nötig sind. Das Formulieren von Regeln der Zusammenarbeit ist nur der erste Schritt; ebenso wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass die ausgehandelten Regeln eingehalten werden. Auch wenn im Sinne der Mitverantwortung die Lernenden über die Einhaltung der Regeln wachen, bleibt es letztlich Aufgabe der Lehrperson, für ein förderliches Lernklima zu sorgen. Dabei ist es wichtig, Grenzüberschreitungen umgehend festzustellen und zu signalisieren, dass sie wahrgenommen wurden. Wann und wie Regelverstöße geahndet werden, muss je nach Situation entschieden werden. Es gilt dabei, nicht aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, andererseits wird das Ignorieren von Übertretungen oft als Aufforderung zu weiteren Grenzüberschreitungen verstanden. Der Glaube, wenn man nicht reagiere, erledige sich eine Sache von selbst, erweist sich sehr oft als trügerisch; andererseits führt eine Nulltoleranz-Haltung zu dauernder Anspannung, was sich negativ auf das Lernklima auswirkt (mehr zum Thema »Regeln« ?Kommunikation). Diskussionskultur – Streitkultur – Konfliktfähigkeit üben
Wer Jugendliche in der Adoleszenz unterrichtet, darf nicht konfliktscheu sein. Werte und Haltungen entwickeln sich einerseits durch konsequentes Vorbildsein und Vorleben, andererseits in der Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen und Erwachsenen. Auseinandersetzungen anzunehmen, sie mit Argumenten fair zu führen, eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden oder sich einsichtig zu zeigen gegenüber besseren Argumenten – all dies sind wichtige Übungsmöglichkeiten zur Entwicklung der Konfliktfähigkeit. Ein Teil unserer Lehrtätigkeit besteht darin, exemplarisch und fair Auseinandersetzungen um Grenzen und Haltungen zu führen. Jugendliche sehen sich am Arbeitsplatz und in der Freizeit oft mit fragwürdigen Formen der Auseinandersetzung konfrontiert: Wegschauen, Ignorieren und Nichthandeln auf der einen Seite, unkontrollierte Macht- und Gewaltausübung auf der anderen Seite sind keine praktikablen Lebenswegweiser. Die berufliche Ausbildung soll Gelegenheit bieten, sich auch im Gebiet der...