O’Brian | Kanonen auf hoher See | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6, 432 Seiten

Reihe: Die Abenteuer von Aubrey und Maturin

O’Brian Kanonen auf hoher See

Das sechste Abenteuer für Aubrey und Maturin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-311-70568-0
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das sechste Abenteuer für Aubrey und Maturin

E-Book, Deutsch, Band 6, 432 Seiten

Reihe: Die Abenteuer von Aubrey und Maturin

ISBN: 978-3-311-70568-0
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kapitän Jack Aubrey wird in Malaysia überraschend das Kommando über die größte Fregatte der britischen Marine übertragen. Da die Acasta in einem englischen Hafen ankert, machen sich Aubrey und sein Freund und Schiffsarzt Stephen Maturin mit der ersten Reisemöglichkeit auf in Richtung Heimat. Doch während sie noch auf hoher See sind, bricht 1812 der Zweite Unabhängigkeitskrieg zwischen England und Amerika aus und macht die ohnehin nicht ungefährliche Überfahrt zu einer schier odysseischen Irrfahrt. Das Schicksal scheint es wirklich nicht gut mit Aubreys Depeschenboot zu meinen: Als die La Flèche eines Nachts in Brand gerät, kann sich die Besatzung in einem Beiboot in Sicherheit bringen und wird vor der brasilianischen Küste von einem amerikanischen Schiff aufgegriffen und als Kriegsgefangene nach Boston gebracht. Doch auch wenn die Zeiten düster sind, streicht ein echter Seemann nicht die Segel.

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2


»Boot ahoi?«, brüllte Leopards Wachsoldat, was heißensollte: Welches Boot ist das? Wen bringt es?

Die Frage war allerdings überflüssig, denn die Flèche lag keine Kabellänge entfernt in Luv, und alle zurzeit unbeschäftigten Leopards hatten von der Reling aus gesehen, wie deren Kommandant auf das Signal des Admirals hin in seine Gig gestiegen, mit allem Pomp an Land gerudert und eine Stunde später mit einem Dienstumschlag zurückgekehrt war, der bestimmt die Depeschen enthielt. Ganz unzeremoniell war er über die Backbordseite auf sein Schiff geklettert, nach kurzer Zeit mit einem völlig anders aussehenden Päckchen unterm Arm wieder erschienen und schnurstracks auf die Leopard zugekommen. Also eine zur Information unnötige Frage, aber dennoch eine von großer Wichtigkeit, denn nur des Bootsführers Antwortgebrüll: »Flèche!« konnte die jetzt geziemende Empfangszeremonie auslösen.

Das Empfangskomitee war jämmerlich und das Schiff schäbig, aber die Zeremonie wurde bis ins kleinste Detail gewissenhaft ausgeführt: Schiffsjungen flitzten hinab, um mit blendend weißen Handschuhen dem Besucher die Manntaue zu offerieren; die Pfeife des Bootsmanns zwitscherte, als er mit seinen Gehilfen Seite pfiff, und die abgerissenen Seesoldaten präsentierten ihre blank polierten Musketen, sowie Kapitän Yorke den Fuß an Bord setzte und vor dem Achterdeck salutierte. Byron, Offizier der Wache und so präsentabel, wie seine Mittel es zuließen, empfing ihn, und gleich darauf erschien Jack Aubrey, der in der Zwischenzeit die Wombats aus seiner Kajüte vertrieben und eine frische Hose angezogen hatte, um Yorke herzlich zu begrüßen. »Willkommen an Bord!«, rief er. »Freut mich sehr, Sie wiederzusehen.«

Nach dem Händeschütteln stellte Jack seine Offiziere vor – Babbington, Moore und Byron –, ebenso die gerade verfügbaren Kadetten, während Kapitän Yorke sich die ganze Zeit eifrig bemühte, die Schäbigkeit seiner Umgebung zu übersehen. Sowie sich die Tür der Achterkajüte hinter ihnen geschlossen hatte, sagte Yorke: »Ich habe einen Brief für Sie, Aubrey«, und zog ihn aus der Tasche. »Ich habe mir erlaubt, auf meinem Weg nach Portsmouth bei Mrs Aubrey vorzusprechen, nur für den Fall, dass die Leopard – will sagen, dass Sie, falls die Leopard Ostindien erreichte, gern von ihr hören würden.«

»Bei meiner Seele, was sind Sie doch für ein guter Mensch!« Jack errötete vor freudiger Überraschung, nahm den Brief entgegen und starrte mit strahlend blauen Augen darauf nieder. »Sie hätten mir keine größere Freude bereiten können, außer Sophie persönlich mitzubringen. Wie überaus aufmerksam von Ihnen: Ich bin Ihnen wirklich sehr, sehr dankbar. Wie geht es ihr? Welchen Eindruck machte sie auf Sie? Wie kommt sie allein zurecht?«

»Ganz ungewöhnlich gut, kann ich Ihnen versichern. Kam in prächtiger Laune singend die Treppe herab. Habe sie noch nie so strahlen sehen. Sie trug ein neugeborenes Baby im Arm und scherzte darüber, weil es noch ganz zahnlos und kahl war.«

»Oh«, machte Jack.

»Ein neuer Neffe von Ihnen oder auch eine Nichte, genau weiß ich’s nicht mehr. Ich hatte eine ziemlich ernste Miene aufgesetzt, muss ich gestehen, wegen Grants Horrorgeschichten und weil die Leopard so elend lange überfällig war. Deshalb war ich ganz perplex, dass sie förmlich übersprudelte vor Lebensfreude – besonders, als sie mich lachend bat, Ihnen ein Paar warmer Strümpfe mitzubringen. Tatsächlich war ich so vor den Kopf gestoßen, dass ich ihren Erklärungen nicht richtig folgen konnte: Anscheinend hatte sie durch einen Brief aus Amerika von Ihrem Wohlergehen erfahren. Die Details habe ich vergessen, obwohl sie mir den Brief zeigte – sie trug ihn an ihrem Herzen. Nicht dass sie ihn gebraucht hätte, sagte sie; sie sei immer felsenfest überzeugt gewesen, dass Sie überlebt hätten. Trotzdem war sie für den Brief unendlich dankbar und hatte sofort nach seinem Eingang damit begonnen, für Sie neues Unterzeug zu nähen und noch mehr Strümpfe zu stricken. Aber den Brief hätte es nicht gebraucht.«

»Er musste von der amerikanischen Brigg stammen, die Desolation Island anlief, als wir dort zur Reparatur lagen.« Jack lachte vor Freude laut auf. »Solch herzensgute, ehrliche Burschen. Obwohl sie gar nicht danach aussahen. Ha, ha, ha! Gott segne sie. Etwas Gutes steckt doch in jedem Menschen, Yorke, sogar in einem Amerikaner.«

»Aber gewiss«, antwortete Yorke. »Ich selbst habe ein halbes Dutzend Amerikaner in meiner Besatzung, und sie sind erstklassige Seeleute, jeder Einzelne von ihnen. Die habe ich von einer Bark aus Salem gepresst, südlich von Madeira. Anfangs kamen sie uns noch aufsässig, aber bald haben sie das Beste draus gemacht. Prächtige Burschen.«

»Meine Kinder haben Sie wohl nicht gesehen?«, fragte Jack.

»Nein, aber gehört. Sie sangen ein Kirchenlied.«

»Gott segne sie«, wiederholte Jack und lauschte nach draußen. »Das muss unser Arzt sein, der da an Bord kommt. Sie werden ihn mögen: ein Büchernarr wie Sie und erstaunlich gebildet. Dazu ein hochgelehrter Internist, nicht bloß Chirurg, und überdies mein bester Freund. Aber ich muss Ihnen eines sagen, Yorke: Er ist reich …« In Wahrheit wusste Kapitän Aubrey wenig über den angeblichen Reichtum seines Arztes, nur dass er ausgedehnte Ländereien in Katalonien besaß, mit einer verfallenen Burg darauf. Immerhin hatte Stephen beim Mauritiusfeldzug finanziell recht gut abgeschnitten und lebte spartanisch: ein neuer Anzug alle fünf Jahre und dazu vielleicht zwei Hemden – außer für Bücher sah er ihn nie Geld ausgeben. Jack war kein Machiavelli, aber er wusste, dass den Reichen immer weiter gegeben wurde, dass Reichtum eine mystische Bedeutung besaß, dass selbst die Abgeklärtesten ein großes Vermögen und seinen Besitzer respektierten und dass ein Marinearzt, obwohl normalerweise eine völlig unbedeutende Charge, sofort in eine völlig andere Kategorie aufrückte, wenn er ansehnliche private Mittel besaß. Kurz, dass zwar ein gewöhnlicher, nur von seinem Sold lebender Marinearzt auf einem fremden Schiff nicht von vornherein Platz für sein exotisches Viehzeug beanspruchen konnte (zu seiner mehrere Tonnen wiegenden Sammlung zählte auch ein halb zersetzter Riesenkrake), dass aber ein reicher Naturwissenschaftler und Philosoph ein gewisses Entgegenkommen erwarten konnte. Und Jack wusste nur zu gut, wie Stephen an seiner Sammlung hing, die er während ihrer strapaziösen Reise zusammengetragen hatte. »Er ist reich«, wiederholte er deshalb, »und begleitet mich nur wegen der guten Gelegenheit zu naturwissenschaftlichen Beobachtungen. Aber natürlich ist er auch ein erstklassiger Chirurg, und wir können uns glücklich schätzen, ihn an Bord zu haben. Allerdings hatte er auf dieser Reise ausnehmend viele Gelegenheiten zum Sammeln und hat die Leopard praktisch in eine Arche Noah verwandelt. Die meisten seiner Viecher von Desolation sind ausgestopft oder eingelegt, aber es gibt auch einige aus Neuholland, die noch herumhüpfen oder -kriechen. Hoffentlich sind Sie auf der Flèche räumlich nicht allzu beengt?«

»Überhaupt nicht«, versicherte Yorke. »Wir hatten für Ceylon eine Menge Soldaten mit ihrem Gerät an Bord, deshalb ist jetzt reichlich Platz. Das heißt, reichlich für ein Zwanzig-Kanonen-Vollschiff.«

»Also das ist ein Zwanzig-Kanonen-Vollschiff«, sagte Stephen Maturin zu Babbington, als sie an der Reling standen und zur Flèche hinüberblickten. Sie wirkte ungemein schnittig mit ihren scharfen, durch keinen achteren oder vorderen Aufbau unterbrochenen Linien – ein Flushdecker –, und ihre stark nach hinten geneigten Masten ließen sie noch flotter wirken. Sie war erst kürzlich neu gestrichen worden: Ein blauer Streifen, etwas dunkler als Meer und Himmel, reichte bis zu ihren Stückpforten, die schwarz bemalt und weiß abgesetzt waren. Darüber kam ein helleres Blau mit diskreten Goldornamenten, auf denen die Lichtreflexe des Wassers glitzerten. Für die Inspektion durch den Admiral war sie natürlich besonders sorgsam gewienert, geschrubbt und poliert worden, während ihre Segel, von keiner einzigen Falte entstellt, in sauberen Rollen an ihren Rahen aufgetucht waren. Wie sie so dalag, eingerahmt von dem rund eine Meile entfernten grün bewaldeten Kap Kampong und einer flachen Sandinsel mit einigen Palmen darauf, wirkte sie wie ein schwereloses Wesen aus einer anderen Welt, makellos, autark und erhaben über alle irdischen Niederungen.

»Zehn Stückpforten zähle ich auf dieser Seite«, fuhr Stephen fort.

»Und zweifellos sind es auf der anderen ebenfalls zehn. Damit scheint sie ausnahmsweise tatsächlich über die Anzahl Kanonen zu verfügen, die man ihr zuschreibt. Aber wieso ›voll‹? Ihr Deck scheint mir nicht sonderlich voll zu sein, abgesehen von den Masten und der Stange hinten am Heck.«

»Nein, Sir«, antwortete Babbington. »Das ist der Flaggenstock, den wir alle führen. Nein: Man nennt sie Vollschiff, weil sie vollgetakelt ist. Das heißt, alle ihre Masten tragen Rahsegel, und sie wird von einem Vollkapitän kommandiert. Sie ist ein Schiff der sechsten Kategorie, das kleinste Schiff, das ein Vollkapitän bekommen kann, verstehen Sie?«

»Nicht ganz. Jedenfalls hat sie eine seltsam anrührende und ganz eigene Schönheit. Aber sagen Sie, Mr Babbington, ist sie nicht viel zu klein?«

»Na ja, ich schätze sie auf vierhundertfünfzig Tonnen oder so, gegen unsere rund tausend. Ich wette, Sie denken an Ihre Sammlung, Sir?«

»Das tue ich. Aber vielleicht hat sie nicht viele Leute an Bord – vielleicht findet sich Platz dafür. Meine ausgestopften See-Elefanten könnten entleert und zusammengefaltet...


O’Brian, Patrick
Patrick O’Brian, geboren 1914 in Chalfont St Peter bei London, machte früh erste Schreibversuche und veröffentlichte im Alter von fünfzehn Jahren seinen ersten Roman. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als britischer Geheimagent. Nach Kriegsende zog er mit seiner zweiten Frau Mary zunächst nach Wales, später ließen sie sich in Südfrankreich nieder. Lange Zeit lebte O’Brian von bescheidenen Einkünften aus der Schriftstellerei und Übersetzungen, unter anderem von Sartre und Colette. 1969 schrieb er den ersten Band seiner maritimen Abenteuerserie um Jack Aubrey und den Schiffsarzt
Dr. Stephen Maturin, die ihn zum internationalen Bestsellerautor machte. Es erschienen zwanzig Bände, die weltweit Millionenauflagen erzielten. Auch der Hollywoodfilm Master & Commander – Bis ans Ende der Welt basiert auf dieser Reihe. Patrick O’Brian starb 2000 in Dublin, ein einundzwanzigster Band der Reihe blieb unvollendet.



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