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E-Book, Deutsch, 637 Seiten
Oberloskamp Energie, Ökologie, Markt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-593-45981-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bundesdeutsche und britische Neuansätze in den 1970er und 1980er Jahren
E-Book, Deutsch, 637 Seiten
ISBN: 978-3-593-45981-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
PD Dr. phil. Eva Oberloskamp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte München - Berlin und Privatdozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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2.Umweltpolitik und ihre Relevanz für den Energiesektor
Ab 1969/70 wurden die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich auf je eigene Weise von der internationalen umweltpolitischen Dynamik ergriffen. Die hiermit einhergehende Aufbruchsstimmung, die in beiden Staaten zu beobachten ist, gewann teils erhebliche Auswirkungen auf den Energiesektor. Ziel dieses Kapitels ist es zunächst, in vergleichender Perspektive die nationalen Entwicklungen der allgemeinen Umweltpolitik sowie die ihr zugrundeliegenden Prinzipien und Denkmuster zu analysieren. Hierauf aufbauend soll gefragt werden, welche speziell auf den Energiesektor bezogenen umweltpolitischen Maßnahmen ergriffen wurden. Wenngleich marktbasierte Politikinstrumente bereits in den frühen 1970er Jahren diskutiert wurden, bewegte sich das tatsächlich zur Anwendung gebrachte Instrumentarium weitgehend im Spannungsfeld von ordnungsrechtlichen und kooperativen Ansätzen.
2.1Internationale und europäische umweltpolitische Impulse
Die bundesdeutsche und britische Umweltpolitik der 1970er und 1980er Jahre stand in enger Wechselwirkung mit der internationalen und europäischen Ebene. Im Untersuchungszeitraum gewannen grenzüberschreitende Kommunikation und Harmonisierungseffekte vielfach großen Einfluss auf die jeweilige nationale Umweltpolitik.34 Zur internationalen und europäischen Umweltpolitik liegt mittlerweile eine Reihe wichtiger Studien vor, auf deren Grundlage im Folgenden die für den bundesdeutschen und britischen Fall zentralen grenzüberschreitenden Kontexte umrissen werden sollen.35
Um 1970 gab es einen Aufschwung globaler Umweltdiskurse und -politik, der die bundesdeutsche ebenso wie die britische Umweltpolitik stark beeinflusste.36 Ein wichtiger Hintergrund hierfür war zunächst die Arbeit internationaler Gremien und Organisationen, die im Laufe der 1960er Jahre immer mehr Daten global aggregiert und so die Ausmaße von Umweltproblemen erkennbar gemacht hatten.37 Eine Rolle spielten auch die seit den 1950er und 1960er Jahren erfolgten Mahnrufe von US-amerikanischen Wissenschaftlern und Intellektuellen wie Fairfield Osborn, William Vogt oder Rachel Carson, die auch international intensiv rezipiert wurden.38
Darüber hinaus besaßen zu Beginn der 1970er Jahre die USA eine wichtige Rolle als Vorreiter und Schrittmacher einer internationalen Umweltpolitik. Schon seit Mitte der 1960er Jahre hatte der Umweltschutz hier eine prominente innenpolitische Bedeutung gewonnen. Unter ihrem 1969 neu gewählten Präsidenten Richard Nixon wurde der wegweisende National Environmental Policy Act verabschiedet, der Council on Environmental Quality als Beratungsgremium des Präsidenten eingerichtet und die Environmental Protection Agency als Behörde gegründet, welche die Umsetzung und Einhaltung der neuen Umweltschutzvorschriften garantieren sollte.39 Zudem wirkten die USA auch außenpolitisch gegenüber ihren internationalen Partnern auf eine aktivere Umweltpolitik hin. Dies geschah zunächst im Rahmen der NATO,40 die im November 1969 auf Anregung Nixons einen Ausschuss zur Verbesserung der Umweltbedingungen einrichtete und damit die NATO-Aufgaben um eine »dritte Dimension« erweiterte. Die NATO erschien der US-amerikanischen Regierung unter anderem deshalb als geeigneter Rahmen, weil sie auf unmittelbarer Regierungsebene verhandelte und weil sie sich seit den fünfziger Jahren als effizientes Instrument für einen Austausch von militärischem Wissen und technologischem Knowhow erwiesen hatte.41 Möglicherweise spielte auch eine Rolle, dass sich die wissenschaftliche Umweltforschung in den USA teilweise im Kontext militärischer Forschung herausgebildet hatte. So hatte sich beispielsweise der einflussreiche, ursprünglich auf militärische Themen fokussierte kalifornische Thinktank Research and Development (RAND) Corporation seit den 1960er Jahren vor dem Hintergrund computerbasierter und systemtheoretischer Zugänge zunehmend mit ökologischen Fragen befasst.42
Neben der NATO waren auch die Vereinten Nationen ein wichtiges internationales Gremium, das seit den späten 1960er Jahren die Umweltpolitik auf die Agenda gesetzt hatte. Ein wegweisender Schritt erfolgte hier mit der Intergovernmental Conference for Rational Use and Conservation of the Biosphere, die 1968 von der UNESCO in Paris ausgerichtet wurde. Diese erste internationale Konferenz überhaupt zum Thema der globalen Biosphäre stieß weitreichende Entwicklungen in der internationalen Umweltpolitik an. Eine unmittelbare Folge war das 1970 von der UNESCO lancierte Programm »Man and the Biosphere«, das auf den Schutz von Ökosystemen durch die Einrichtung geschützter UNESCO-Biosphärenreservate zielt und bis heute fortgeführt wird.43 Des Weiteren folgte aus der Tagung von 1968 die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen, die 1972 in Stockholm stattfinden sollte.44 Die Vorbereitungen der Konferenz von 1972 durch die bundesdeutschen und britischen Bürokratien und Regierungen führten zu jeweils intensiven umweltpolitischen Bestandsaufnahmen und teils auch programmatischen Erklärungen.45 Weitere wichtige Wegmarken der UN-Umweltpolitik bis zum Ende der 1970er Jahre waren die Arbeit an der schließlich 1980 publizierten »World Conservation Strategy« (»Welt-Naturschutz-Strategie«) sowie das 1979 im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa unterzeichnete Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung.46
Auf europäischer Ebene wurden zunächst der Europarat und die OECD aktiv. Ersterer verabschiedete bereits am 8. März 1968 eine »Deklaration über Grundsätze zur Reinhaltung der Luft«. Für 1970 rief der Europarat 1966 ein »Europäisches Naturschutzjahr« aus, im Zuge dessen europaweit Aufklärungs- und Bildungskampagnen zum Schutz der Umwelt durchgeführt wurden. Darüber hinaus organisierte der Europarat im Rahmen des »Naturschutzjahrs« eine große Konferenz in Straßburg, auf der eine »Deklaration zum europäischen Naturschutzjahr 1970« verabschiedet wurde. Insgesamt gilt das Ereignis als ein Wendepunkt für die Herausbildung eines breiten umweltpolitischen Bewusstseins in Europa.47 Im Rahmen der OECD gab es schon ab 1967/68 Komitees, die sich mit Wasser- und Luftverschmutzung befassten, und 1970 wurde hierauf aufbauend ein OECD-Umweltkomitee eingerichtet, um die wirtschaftlichen Implikationen nationaler Umweltpolitiken zu diskutieren und um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern. Unter anderem beschloss die OECD auf dieser Grundlage bis 1974 mehrere Empfehlungen zur Implementation des Verursacherprinzips.48 Des Weiteren führte die OECD auch wichtige Studien zu Umweltthemen durch, so etwa zur überregionalen Dispersion von Luftschadstoffen und zu sauren Niederschlägen in Europa.49
Besonders relevant wurden ab Beginn der 1970er Jahre die umweltpolitischen Entwicklungen auf Ebene der EG. Hier hatte das Europaparlament 1970 die Kommission gedrängt, Vorschläge zu einer EG-Umweltpolitik vorzulegen, was zunächst zwei »Umweltmitteilungen« der Kommission in den Jahren 1971 und 1972 nach sich zog.50 Im Oktober 1972 forderten daraufhin die EG-Staats- und Regierungschefs die Kommission zur Ausarbeitung eines EG-Umweltprogramms auf. Dies führte zur Verabschiedung eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz am 22. November 1973, das gemeinhin als Geburtsstunde der europäischen Umweltpolitik gilt. Das Aktionsprogramm war von bundesdeutschen Vorstellungen und vom bundesdeutschen Umweltprogramm geprägt und legte großes Gewicht auf die Bedeutung des Verursacherprinzips.51 Die EG-Umweltpolitik war freilich zu diesem Zeitpunkt noch nicht Bestandteil der Europäischen Verträge und gemeinsame Beschlüsse hierzu mussten im Ministerrat einstimmig gefasst werden. Dennoch entwickelte sich das Politikfeld auf EG-Ebene dynamisch und es kam zur Verabschiedung einer Reihe von wichtigen Verordnungen.52 1986/87 schließlich sollte die Umweltpolitik mit der Einheitlichen Europäischen Akte in die Gemeinschaftspolitik...