E-Book, Deutsch, Band 816, 351 Seiten
Reihe: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse
Arbeitsdokumentation eines Symposiums
E-Book, Deutsch, Band 816, 351 Seiten
Reihe: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse
ISBN: 978-3-7001-7160-7
Verlag: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Bei diesem Symposion sollte gezeigt werden, dass in religionshermeneutischer Perspektive „Religion“ ohne eine Diskussion über das Subjekt und ohne die Frage nach seiner Relationalität unvollständig bleibt. Alle Beiträge dieses Bandes nähern sich dem Problem, wie im Kontext einer religiösen Tradition Subjektivität mit Relationalität verbunden werden kann. Dem Subjekt fällt dabei stets eine doppelte Bedeutung zu. Einerseits meint die Relationalität des Subjektes eine grundlegende Bezogenheit auf Transzendenz. Andererseits kennzeichnet Rela-tionalität ein Subjekt in Beziehung zu anderen Subjekten als begegnendes „Mitsein“.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;INHALT;6
2;Einleitende Bemerkungen;8
3;Der Ort, an dem sich Gott ereignet;20
4;Sich dem Unbedingten verdankt fühlen. Vom Ursprung der Religiosität im bewussten Leben;46
5;Transzendenz, Andersheit und Dezentrierung des Subjekts. Theologische Anmerkungen zur zeitgenössischen Hermeneutik der Religionen1;78
6;Menschsein als Gabe;114
7;Der Eine schließt die Anderen nicht aus. Gott als der „Nichtandere“ oder als der „Ganz Andere“;162
8;Relationalität und Einheit bei Meister Eckhart;192
9;Ichlosigkeit als wahres Selbst. Reflexionen zu einer religiösen Subjektivitätskonstruktion;214
10;Über das Verhältnis von Relationalität und Subjektivität;232
11;„Being No One“ oder „Being Someone“. Zur Theorie des „Selbstmodells“ und seine Nähe zu buddhistischen Denktraditionen;254
12;Divine-Human Community as the Standard of Relationship in Vedanta Desika’s Srivaisnava Vedanta;272
13;Self-Awareness (vimarsa) as the Condition of Subject in the Pratyabhijña School;288
14;Zur Bedeutung des Wortes „Ich“ (aham) bei Venkatanatha;310
15;Sach- und Namensindex;342
16;Die Autoren und Autorinnen;350
EBERHARD GUHE (S. 254-255)
„Being No One“ oder „Being Someone“ Zur Theorie des „Selbstmodells“ und seine Nähe zu buddhistischen Denktraditionen
Im Folgenden wird der Versuch einer kritischen Annäherung an die auf Ergebnisse der modernen Hirnforschung aufbauende Selbstmodelltheorie (SMT) Thomas Metzingers unternommen – und zwar unter Einbeziehung der nach Metzingers eigenem Bekunden durchaus konstruktiven Einwände des dänischen Phänomenologen Dan Zahavi gegen die SMT (vgl. Teile 1 und 2).
Insbesondere soll dabei untersucht werden, ob es – wie Metzinger in seinem Hauptwerk „Being No One“ (Metzinger 2003) behauptet – tatsächlich Berührungspunkte zwischen der SMT und der Advaita- Philosophie Sa?karas oder der Vorstellung von der Erleuchtung im Buddhismus gibt, oder ob vielleicht andere Aspekte des Buddhismus eine viel größere Affinität zur SMT aufweisen (vgl. Teil 3). Abschließend werden wir zeigen, dass sich die nur scheinbar gegensätzlichen Positionen Metzingers und Zahavis, die man schlagwortartig mit „Being No One“ (Metzinger) bzw. „Being Someone“ (Zahavi) benennen könnte, unterschiedlichen Beschreibungsebenen zuordnen lassen, zwischen denen eine Supervenienz- Beziehung besteht (vgl. Teil 4).
1.
Zum Verständnis der SMT ist zunächst zu berücksichtigen, dass Metzinger die Begriffe „Subjekt“ und „Ich“ in unterschiedlichem Sinne verwendet: „Was wir in alltagspsychologischen Zusammenhängen als ,das Ich‘ bezeichnen, ist das phänomenale Selbst: Der im subjektiven Erleben unmittelbar gegebene Inhalt des Selbstbewusstseins.“ (MetzingerHp: 3) Vom „Subjekt“ spricht Metzinger hingegen, wenn er eine Eigenschaft des phänomenalen Selbsts hervorheben will, nämlich die, dass wir in unserem Handeln und Erleben Beziehungen zu uns selbst und zur Welt aufbauen.
Er nennt diese Eigenschaft auch „Perspektivität“. In unserem Zusammenhang ist Perspektivität das dominante Strukturmerkmal des Bewusstseinsraums als Ganzer: er wird durch ein handelndes und erlebendes Subjekt zentriert, durch ein Selbst, das Beziehungen zu sich selbst und zur Welt aufbaut. Beispiele für ein Selbst sind Aussagen wie: „Meine Welt besitzt einen unverrückbaren Mittelpunkt und dieser Mittelpunkt bin ich selbst.“ „Bewusstsein zu haben, bedeutet, eine individuelle Innenperspektive zu besitzen.“ „Im Erleben nehme ich diese Ich-Perspektive sowohl auf Personen und Dinge in der Welt, als auch auf meine eigenen geistigen Zustände ein“ (MetzingerHp: 4).