E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Hinterm Deich Krimi
Nygaard Biikebrennen
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86358-758-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Hinterm Deich Krimi
ISBN: 978-3-86358-758-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Es ist die Zeit des Biikebrennens: Überall entlang der nordfriesischen Küste werden Feuer entfacht, um die bösen Geister zu vertreiben. Doch die Bewohner von Runeesby werden Zeugen eines grausigen Spektakels: An ein Kreuz gebunden verbrennt vor ihren Augen ein Mensch. Und das ist erst der Anfang einer Anschlagsserie, der noch mehr Menschen zum Opfer fallen werden. Christoph Johannes und Große Jäger ermitteln im vielleicht schlimmsten Fall ihres Lebens...
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ZWEI Das Wetter hatte sich übers Wochenende nicht von der besten Seite gezeigt. Schneegriesel, dazu ein frischer bis stürmischer Wind, der die Temperaturen wesentlich kälter erscheinen ließ, als die Anzeige des Thermometers zeigte, und der nur wenige Spaziergänger ins Freie gelockt hatte. Anna hatte aus dem Fenster gesehen, den Kopf geschüttelt und Christoph allein zum Gang über den Deich geschickt. Sie hatte nichts gesagt, aber ihre Verstimmung über sein plötzliches Fortgehen hatte noch den ganzen Sonnabend über angehalten. Christoph hatte im Internet recherchiert, Kontakt zum Präsidenten des Jazzclubs aufgenommen und gefragt, ob es ein Mitgliederverzeichnis gebe. »Ich komme am Montag zu Ihnen«, hatte Jens Ehret versprochen. Es klopfte, und ein Mann mit weißem Vollbart streckte seinen Kopf zur Tür herein. »Ich wollte zu Herrn Johannes«, sagte er. »Das bin ich.« Christoph bot ihm den Besucherstuhl an seinem Schreibtisch an. »Herr Ehret?«, riet er. Der kräftig gebaute Mann, der ein wenig an einen pensionierten Kapitän erinnerte, nickte. »Wir haben einen Button des Louisiana Café Jazzclubs gefunden«, begann Christoph. Ehret hob den Zeigefinger. »Es soll nicht besserwisserisch klingen, aber wir heißen Jazzclub Louisiana Café. Genau umgekehrt. Das ist wichtig, weil unser Club nach einem Stück des bekannten Jazzpianisten Jan Luley benannt ist.« »Diese Buttons geben Sie an Mitglieder Ihres Clubs aus?« »Richtig. Wir erheben keine regelmäßigen Clubbeiträge. Wer Mitglied werden möchte, erwirbt gegen einen geringen Betrag den Button. An unseren Clubabenden, die regelmäßig am ersten Donnerstag im Monat bei ›Tante Jenny‹ in Husum stattfinden, sind die Mitglieder durch den Button erkennbar.« »Das bedeutet, dieser Button wird nur von Clubmitgliedern getragen?« Ehret druckste ein wenig herum. »Na ja«, kam es zögerlich über seine Lippen. »Überwiegend.« »Es gibt Ausnahmen?« »Schon. Leute, die sich um die Husumer Jazzszene verdient gemacht haben, erhalten den Button als Ehrengabe.« »Musiker?« »Fast nur.« »Fast?« »Musiker, die in Husum aufgetreten sind. Ganz selten aber auch andere Leute.« »Gibt es ein Mitgliederverzeichnis?« Ehret nickte und griff in seine Jackentasche. »Ich habe es Ihnen mitgebracht.« Christoph warf einen kurzen Blick darauf. Er lächelte. »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte Ehret. »Meine Frau und ich waren zufällig am Tag der Clubgründung zu Gast bei ›Tante Jenny‹. Wir haben auch einen Button erworben. Ich finde meinen Namen aber nicht auf der Liste.« »Es war hektisch an dem Abend, zumal wir auch noch einen großartigen Gast hatten.« »Ich weiß. Jan Luley ist gemeinsam mit den Lokalmatadoren aufgetreten.« »Es tut mir leid«, bekannte Ehret. Das bedeutet, dachte Christoph, dass die Liste nicht vollständig ist. »Um was geht es überhaupt?«, fragte der Clubpräsident. »Wir haben an einem Tatort einen Clubbutton gefunden und suchen den Inhaber als Zeugen.« »Als Zeugen?« Es klang misstrauisch. »Ja. Hat sich seit dem vergangenen Freitag jemand bei Ihnen gemeldet und um einen Ersatzbutton gebeten, weil er seinen verloren hat?« »Nein. Das klingt mysteriös.« »Keineswegs«, versuchte Christoph abzuwiegeln. »Falls das noch geschehen sollte, bitte ich Sie, uns zu benachrichtigen.« »Ich könnte dem Clubkollegen dann sagen, er soll sich direkt mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte Ehret. »Mir wäre der umgekehrte Weg lieber«, entgegnete Christoph. »Es wäre auch gut, wenn Sie es vertraulich behandeln würden.« »Also … Auch dem Musikfreund nichts sagen?«, fragte Ehret ungläubig. »Richtig.« »Das ist ja ein Ding.« Erschrocken drehte er sich um, als es hinter ihm schepperte und die Tür mit einem lauten Krachen gegen die Wand schlug. »Das ist mein Kollege, Große Jäger«, stellte Christoph vor und zeigte dann auf den Clubpräsidenten. »Herr Ehret hat uns eine Übersicht der Mitglieder des Jazzclubs gebracht.« Große Jäger knurrte nur. Christoph wunderte sich über dessen Beratungsresistenz. Auch Heidi Krempl hatte ihn nicht von seinen Gewohnheiten abbringen können. Er trug weiterhin die abgenutzte Jeans und die speckige Lederweste. Auf den unrasierten Wangen und am Kinn bildeten die Bartstoppeln einen dunklen Kontrast. Und die Haare glänzten. Es war mit Sicherheit kein Gel, das der Oberkommissar für den Kopfschmuck nutzte. Große Jäger ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen. Christoph war froh, dass er in Gegenwart eines Besuchers darauf verzichtete, seine Füße in der herausgezogenen Schreibtischschublade zu parken. »Sollten Ihnen weitere Namen einfallen«, sagte Christoph zu Ehret, »verständigen Sie uns bitte.« Der Clubpräsident versprach es und verabschiedete sich. »Sonst gibt es keine Neuigkeiten?«, fragte Große Jäger. »Viel ist es nicht. Wir wissen immer noch nicht, wer das Opfer ist.« »Du könntest –«, begann Christoph. Der Oberkommissar winkte ab. »Ich bin kein Amateur. Ich werde alle Vermisstenmeldungen durchgehen.« Er sah zur Fensterbank. »Wird Zeit, dass wieder ein Kind zu uns kommt.« »Du meinst einen jungen Kollegen?« »Hörst du mir nicht zu? Der könnte diese Aufgabe übernehmen und Kaffee kochen«, fügte er an, griff sich den Becher, dessen Außenseite Rinnsale trockenen Kaffees zierten, und verließ das Büro. Wenig später kehrte er zurück. »Wird Zeit, dass hier ein anderer Wind weht. Nirgendwo bekommt man Kaffee. Tante Hilke ist krank. Grippe.« »Wir haben einige Ausfälle«, bestätigte Christoph. »Du wirst dir deinen Kaffee doch selbst kochen können.« Große Jäger streckte Christoph den Becher entgegen. »Das war dein größter Fehler, dass du Mommsen hast gehen lassen.« Er zeigte auf den freien dritten Schreibtisch. »Hättest du ihn nicht vergrault, gäbe es stets frischen Kaffee.« Natürlich hatte Christoph den damals jungen Kommissar nicht vergrault. Mommsen hatte die Polizeihochschule in Münster besucht, war zum Kriminalrat befördert worden und leitete jetzt die Kriminalpolizeistelle in Ratzeburg. Große Jäger rief in Flensburg an und schaltete den Raumlautsprecher ein. Nach dem üblichen Geplänkel, ob die Flensburger oder die Nordfriesen die besseren Menschen seien, wollte der Oberkommissar wissen, ob die Spurensicherung weitere Hinweise gefunden hatte. »Rund um die Biike gab es zahlreiche Trittspuren. Die aufzunehmen ist aber nicht effektiv. Das waren die Feuerwehrleute, aber auch viele der Besucher der Veranstaltung. Das führt uns nicht weiter. Wir waren am Sonnabend noch einmal bei Tageslicht vor Ort. Auch das hat nichts ergeben. Das gilt auch für die Reifenspuren, die wir aufgenommen haben. Es sieht aus, als könnten wir sie der Freiwilligen Feuerwehr zuordnen.« »Da wir davon ausgehen, dass die Täter mit den Gebräuchen des Biikebrennens und auch der Örtlichkeiten vertraut waren, sind das wertvolle Hinweise. Es wäre doch denkbar, dass sich der Kreis der Tatverdächtigen aus Mitgliedern der Feuerwehr rekrutiert.« Große Jäger nahm Kontakt zum Rodenäser Wehrführer auf. »Wissen Sie, ob das Einsatzfahrzeug in der Zeit von Mittwoch bis Freitag bewegt wurde, also bevor Sie zur Biike gefahren sind?« »Das ist definitiv nicht gefahren«, bestätigte Jens Rieckert. »Sie sind sich absolut sicher?«, hakte Große Jäger nach. »Ja. Nach jedem Einsatz halten wir den Kilometerstand fest. Routinemäßig prüfe ich es. Wir sind nur zur Biike auf dem Platz vorne am Deich gewesen.« »Damit scheidet diese Möglichkeit aus«, sagte Christoph aus dem Hintergrund. »Wir müssen nach anderen Verdächtigen Ausschau halten. Das bedeutet Polizeiarbeit vor Ort. Befragung der Anwohner. Sind dort fremde Autos aufgefallen? Hat sich jemand merkwürdig verhalten? Die Gegend ist so dünn besiedelt, da fallen auswärtige Autos auf. Insbesondere um diese Jahreszeit.« »Gibt es Hinweise auf die Identität des Opfers?«, fragte Große Jäger. »Mir ist nichts bekannt. Das alles liegt jetzt beim LKA in Kiel.« Sie wurden durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Christoph nahm ab. »Ich komme«, sagte er und erklärte seinem Kollegen, dass der Flensburger Polizeidirektor, der nach der Zusammenlegung der Flensburger mit der Husumer Direktion der verantwortliche Leiter war, ihn in den Besprechungsraum gebeten hatte. Behrend Petersen war ein hager wirkender Mann, sportlich und durchtrainiert. Jeder wusste, dass er Marathonläufer war. »Herr Johannes«, empfing ihn der Polizeidirektor und bat Christoph, Platz zu nehmen, nachdem auch der dritte Mann im Raum mit Handschlag begrüßt worden war. »Sie sind als Interimslösung vor zehn Jahren nach Husum gekommen, um kommissarisch die Leitung der hiesigen Kriminalpolizeistelle zu übernehmen. Wie erfolgreich das war, zeigt sich daran, dass niemand daran dachte, Ihr Intermezzo zu beenden. Ganz im Gegenteil. Ungern blicken wir auf den Kalender, aber im nächsten Jahr steht Ihre wohlverdiente Pensionierung an. Jeder, der in Ihre Fußstapfen tritt, wird es schwer haben. Darum sind wir der Überzeugung, Ihr Nachfolger sollte Gelegenheit zur Einarbeitung bekommen.« Natürlich hatte Christoph an das Ende seiner Dienstzeit gedacht, es aber immer wieder erfolgreich verdrängt. Es traf ihn unvermutet wie ein Keulenschlag, dass man schon ein Jahr im Voraus den Nachfolger nach Husum beorderte. Einen Kriminalrat. Die Leitungsfunktion der Husumer...




