E-Book, Deutsch, 521 Seiten
Noble Wo die Liebe zu Hause ist
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98690-555-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 521 Seiten
ISBN: 978-3-98690-555-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Elizabeth Noble wurde 1968 in England geboren und studierte englische Literatur in Oxford. Danach arbeitete sie einige Jahre im Verlagswesen, bis sie die Liebe zum Schreiben schließlich dazu brachte, ihre eigenen Romane zu veröffentlichen, von denen viele zu internationalen Bestsellern wurden. Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane: »Die Farbe des Flieders« »All die Sommer zwischen uns« »Für immer bei dir« »So wie es einmal war« »Das leise Versprechen des Glücks« »Wo die Liebe zu Hause ist«
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Eve
Four Seasons Hotel, East 57th Street
»Guten Morgen, New York!« Eds beste Robin-Williams-Stimme hallte dröhnend in Eves armem Kopf wider.
Gestern Abend war es ihnen als naheliegend, geradezu als unumgänglich erschienen, ihr neues Leben mit mehreren hinterhältigen Grey-Goose-Martinis an der Hotelbar zu begießen. Ein paar Drinks, ein spätes Abendessen, danach heißer Hotelzimmersex, sodass sie gerade mal noch fünf Stunden Schlaf abbekommen hatten. Heute Morgen sah die Sache jedoch anders aus. Die hinterhältigen Wodka-Martinis mochten durchaus ein New Yorker Modegetränk sein, aber Eve war doch noch zu sehr Engländerin aus der Provinz, genauer gesagt, aus Guildford. Und hinterhältig war genau der richtige Ausdruck für das Gebräu. Eve hatte einen schlechten Geschmack im Mund.
Der Versuch, sich das Daunenkissen über den Kopf zu ziehen und damit den hellen Sonnenschein abzuwehren, der durch die Fensterwand im zwölften Stock hereinfiel, nützte nicht viel. Auch Ed kannte kein Erbarmen, als er sein gesamtes Sinatra-Repertoire abspulte, ohne sich der Gefahr bewusst zu sein, dass sie ihm wahrscheinlich in Kürze den Hals umdrehen würde. Du sollst nicht trinken drei Cocktails auf Wodkabasis. Das elfte Gebot.
Es klingelte an der Tür. Ed war wie gewöhnlich besser in Form als sie. Um ihren Mann schachmatt zu setzen, waren mehr als drei Drinks nötig. Mit einem fröhlichen »Guten Morgen« öffnete er die Tür und ließ den Kellner mit dem Frühstück ins Zimmer, der diskret den Tisch deckte, eine Vase samt Orchidee und mehrere Teller mit silbernen Abdeckhauben daraufstellte und wieder verschwand, ohne die stöhnende weibliche Gestalt unter der Bettdecke überhaupt wahrzunehmen.
»Raus mit dir, du Weichei. Frühstück.« Ed, der bereits geduscht und angezogen war, hob den unteren Zipfel der Tagesdecke, unter dem ein nackter Fuß zum Vorschein kam. Er kniff seine Frau in den großen Zeh.
»Autsch!«
»Tee?«
»Hm.«
»Ich war nicht sicher, was du haben wolltest, und aufwecken wollte ich dich auch nicht, also habe ich einfach bestellt: ein paar Pfannkuchen, Speck, Obstsalat, Eiweißomelette ...«
»Welcher Mensch isst schon Eiweiß pur? Das Eigelb ist doch das Einzige, was schmeckt.«
»Und das Einzige am Ei, was dich umbringt ...«
Mürrisch setzte Eve sich auf und nahm gnädig die Tasse Tee entgegen, die Ed ihr hinhielt. »Es geht schon los ...«
»Was geht los?«
»Dass du zum Amerikaner mutierst und Jagd auf Cholesterinsünder machst.«
Ed lachte.
»Dann vermute ich mal, dass du die Pfannkuchen und den Speck haben willst?«
»Hopp oder topp.« Eve kam an den Tisch und spähte unter die silberne Haube an ihrem Platz.
»Ich hoffe doch – topp. Wir haben anstrengende Tage vor uns ...«
Ed prostete ihr mit dem Orangensaft zu und stieß mit dem Glas gegen Eves Tasse.
»Auf unser neues Haus!«
Nur war es leider kein Haus. In ihrem vorherigen Leben hatten Eve und Ed in einem Haus gewohnt, das einen Namen trug, in einer Straße mit einem Namen. Zu dem Haus gehörten ein Garten, eine Auffahrt und eine Garage für ihren Wagen. Ed hatte im Garten einen Werkzeugschuppen. Eve hatte einen Job und lebte nur fünfundzwanzig Minuten Fahrt von ihrer Schwester, ihren Nichten und Neffen, entfernt.
Das war früher gewesen, und jetzt waren sie hier. Eve nahm ihre Tasse Tee mit ans Fenster und sah hinaus auf die grauen Hochhäuser und den tiefblauen Himmel. Aus den Gullydeckeln dampfte es, ganz wie in Filmen. Sie kam sich selbst wie in einem Film vor – sie wurde dieses Gefühl einfach nicht los. Doch das hier war echt. Das war das richtige Leben! Sie waren hier ...
Zwei Pfannkuchen, drei Scheiben knusprigen Frühstücksspeck, vier Tassen Tee und eine Viertelstunde unter der Dusche später fühlte Eve sich wieder als Mensch. Zumindest annähernd. Als sie aus dem Bad kam, das größer war als ihr Schlafzimmer zu Hause, war Ed am Telefon; es ging offensichtlich um die Arbeit. Stirnrunzelnd sah sie ihn an. Heute war ihr Tag.
Ed hob die Hand in einer versöhnlichen Geste und zuckte entschuldigend die Schultern, sprach aber weiter: »Ja, sicher, ja.« Und nach einem Blick auf seine Uhr fügte er hinzu: »Ich bin in einer halben Stunde da. In maximal einer Dreiviertelstunde. Großartig.« Nachdem er aufgelegt hatte, setzte er sich neben sie auf das Bett und legte einen Arm um ihre Schultern.
Vorwurfsvoll sah sie ihn an. »Du hast es versprochen.«
»Ich weiß. Ich werde auch nicht den ganzen Tag dort bleiben, ich verspreche es. Nur ein paar Stunden.«
Keiner von beiden mochte so recht daran glauben.
»Du solltest wenigstens dabei sein, wenn wir die Schlüssel abholen.« Das hieß, um drei Uhr nachmittags.
»Ganz klar.« Ed schlüpfte in sein Jackett. »Wir treffen uns dort.«
»Okay.«
Ed umfasste Eves Gesicht mit beiden Händen und küsste sie innig. »Ich werde heute Abend in jedem Zimmer mit dir schlafen.«
Eve krauste die Nase und kicherte. »Angeber. Nur gut, dass es eine klassische Drei-Zimmer-Küche-Bad- und keine Fünf-Zimmer-Wohnung ist.«
»Du mit deinem New Yorker Makler-Slang.«
»Oh, ich kenne mich mit jedem Kauderwelsch aus.«
Ed versetzte ihr einen Klaps auf den Hintern. »Und nur, damit du es weißt, ich traue mir auch eine Fünf-Zimmer-Wohnung zu, wenn nicht gar eine Doppelhaushälfte.«
Eve lachte. Wahrscheinlich war ihm das tatsächlich zuzutrauen. Als sie in ihr Cottage gezogen waren, hatte er seine Männlichkeit in jedem Raum unter Beweis gestellt, sogar auf dem Tisch im Vorraum und unter der Dusche, wenngleich Eve zugeben musste, dass sie nur noch halbherzig bei der Sache gewesen waren, als sie zum Abschluss in die alte Speisekammer mit der eiskalten Arbeitsplatte aus Marmor gestolpert waren. Eve hatte Ed das Versprechen abgenommen, dass sie von nun an jedes neue Heim auf diese Weise einweihen würden, auch die Seniorenresidenz, in der sie zweifellos enden würden. Er hatte es nicht vergessen.
Noch ein rascher Kuss, ein bedauerndes Seufzen, und dann war er fort.
Wieder zurück ins Bett, wenigstens für eine Weile.
Eve konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich hier war. Alles war so schnell gegangen. Noch vor vier Monaten hatte nichts darauf hingewiesen. Vor vier Monaten hatte sie durch das Fenster in ihren Garten und auf die Beete, die sie im Jahr zuvor angelegt hatte, hinausgesehen und den Frühling herbeigesehnt. Sie hatte diesen Garten geliebt, auch das Haus. Ihr erstes eigenes Haus, ein Cottage mit drei Schlafzimmern in einem Dorf vier Meilen vom Stadtzentrum entfernt. Der Kauf hatte fast ihre gesamten Ersparnisse verschlungen, und es musste noch viel daran gemacht werden. Das alte Paar, von dem sie es gekauft hatten, hatte in zwanzig Jahren nicht ein einziges Mal renoviert. Und so war Eve an den Wochenenden zu einer fanatischen Heimwerkerin mutiert. Sie lernte alte Tapeten abzureißen und Fliesen zu verlegen und zu verfugen. Im Verlauf von ein, zwei Jahren hatte sie den Achtzigerjahrecharme verschwinden lassen und dafür ein Heim geschaffen, wie sie es liebte – mit weißen Wänden und tiefen Sofas. Am schönsten war der Garten geworden, und das war die größte Überraschung für sie. Zuvor hatte Eve nicht die geringste Notiz vom Wechsel der Jahreszeiten genommen. Sie hatte im Haus ihrer Eltern gewohnt und den Garten dort nur zum Spielen und Faulenzen genutzt. In der Zeit danach, in Studentenbuden und Mietwohnungen, war Clapham Common die einzige Grünanlage, die sie an den paar heißen, sonnigen Tagen interessiert hatte – die restlichen dreihundertsechzig Tage im Jahr ignorierte sie den Park. Die erste Tasse Tee des Tages trank Eve auf der kleinen Veranda vor der Küche, wo sie das ganze Jahr über fast täglich den Anblick des Gartens genoss, seine Geräusche und Gerüche.
Auch an jenem Tag hatte sie draußen auf der kleinen Terrasse gestanden, als Ed nach Hause gekommen war. In seiner Barbourjacke, eine bunt geringelte Wollmütze auf dem Kopf, die sie seit ewigen Zeiten besaß und die Ed nur den »Teekannenwärmer« nannte, schlürfte sie einen Becher Earl Grey, während sie ihre Beete inspizierte und von Blumenzwiebeln träumte. Eve war bereits eine Stunde vor Ed zu Hause, der in London arbeitete und auf den unregelmäßig fahrenden Zug angewiesen war. Sosehr sie ihren Mann auch liebte – dies war ihr die liebste Zeit des Tages: Allein und nach einem (meistens) befriedigenden Arbeitstag hatte sie Zeit genug, ihr neues Zuhause zu genießen, in Ruhe das Fleisch für das Abendessen zu marinieren oder ein paar Äste zu stutzen.
An diesem Tag kam Ed später als üblich nach Hause. Sie roch das Bier in seinem Atem, als er sie küsste. »Evie.« Sie mochte es, wenn er sie Evie nannte. Das hatte er von Anfang an getan, und er war der einzige Mensch auf der Welt seit ihrer Mutter.
»Du hast getrunken!«
»Tut mir leid, Mum. Nur ein Glas.«
»Mit wem?« Herausfordernd stemmte sie die Hände in die Hüften, lächelte aber.
»Mit den Jungs aus der Arbeit.« Für Eve waren die »Jungs« ein gestaltloser Haufen Männer, von denen sie den einen oder anderen wahrscheinlich schon einmal kennengelernt hatte – bei der Weihnachtsfeier, beim Familienbetriebsausflug im Sommer (und der Preis für den Tag mit dem irreführendsten Namen geht an ...), aber sie konnte den Gesichtern keine Namen zuordnen: Ben, Dan, Tom, Dave, Tim ... und wie immer sie alle hießen.
»Dann hattest du also einen schönen Tag?«
»Einen großartigen Tag.«
Eves Neugier war geweckt. »Wie das?«
»Komm rein, Baby. Hier ist es ja eiskalt. Ich muss mit dir reden.« Rückwärts auf die Tür zugehend, zog Ed sie an beiden Händen ins Haus. Sie ließ es...




