E-Book, Deutsch, 206 Seiten
Noack Brombeerzeit
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95824-511-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 206 Seiten
ISBN: 978-3-95824-511-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Barbara Noack (1924-2022) schrieb mit ihren mitreißenden und humorvollen Bestsellern deutsche Unterhaltungsgeschichte. In einer Zeit, in der die Männer meist die Alleinverdiener waren, beschritt sie bereits ihren eigenen Weg als berufstätige und alleinerziehende Mutter. Diese Erfahrungen wie auch die Erlebnisse mit ihrem Sohn und dessen Freunden inspirierten sie zu vieler ihrer Geschichten. Ihr erster Roman »Fräulein Julies Traum vom Glück«, auch bekannt unter dem Titel »Die Zürcher Verlobung«, wurde zweimal verfilmt und besitzt noch heute Kultstatus. Auch die TV-Serien »Der Bastian« und »Drei sind einer zu viel«, deren Drehbücher Barbara Noack selbst verfasste, brachen in Deutschland alle Rekorde und verhalfen Horst Janson und Jutta Speidel zu großer Popularität. Barbara Noack veröffentlichte bei dotbooks ihre Romane »Brombeerzeit«, »Danziger Liebesgeschichte«, »Das kommt davon, wenn man verreist«, »Das Leuchten heller Sommernächte«, »Der Bastian«, »Der Duft von Sommer und Oliven«, »Der Traum eines Sommers«, »Der Zwillingsbruder«, »Die Melodie des Glücks«, »Drei sind einer zuviel«, »So muss es wohl im Paradies gewesen sein«, »Valentine heißt man nicht«, »Was halten Sie vom Mondschein?«, »Die Lichter von Berlin« und »Fräulein Julies Traum vom Glück«. Ebenfalls bei dotbooks veröffentlichte Barbara Noack ihre Romane »Eine Handvoll Glück« (auch erhältlich im eBundle »Schicksalstöchter - Aufbruch in eine neue Zeit«) und »Ein Stück vom Leben«, die auch ebenfalls im Doppelband »Schwestern der Hoffnung« erhältlich sind. Im Sammelband erschienen sind auch »Valentine heißt man nicht & Der Duft von Sommer und Oliven«. Die heiteren Kindheitserinnerungen »Flöhe hüten ist leichter«, »Eines Knaben Phantasie hat meistens schwarze Knie«, »Ferien sind schöner« und »Auf einmal sind sie keine Kinder mehr« sind außerdem im Sammelband »Als wir kleine Helden waren« erhältlich.
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Kapitel 2
Als ich noch die Firma hatte, war ich oft des Nachts so gegen drei Uhr von Alpträumen geweckt worden und danach dem Alp der Realität ausgeliefert gewesen. Um drei Uhr früh pflegte mir alles einzufallen, was in meinem Leben gerade schief lief, und ließ mich nicht wieder einschlafen. Ich hatte mich gefühlt, wie von schweren Gewichten durch die Matratze gezogen bis auf die Auslegware zwischen Pantoffeln rechts und Drehbuch links, das mir beim Einschlafen aus der Hand gefallen war.
In dieser Nacht hatte ich traumlos acht Stunden durchgeschlafen und erwachte als freier, unbelasteter Mensch. Die Sonne schien auf mein Bett.
Unter der Dusche fiel mir Herr Obermayr ein – wie er wohl die Nacht in seinem Lieferwagen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt verbracht haben mochte. Und wie oft er wohl am heutigen Tag die Geschichte seines dramatischen Flugs erzählen würde.
Auch ich hatte das Bedürfnis mich mitzuteilen und rief zuerst bei Karen in der Praxis an.
Es meldete sich eine der Sprechstundenhilfen. »Ach, Frau Hornschuh, Frau Doktor ist gerade in einer Behandlung. Ist es was Dringendes? Soll sie zurückrufen?«
Darauf versuchte ich meinen Sohn zu erreichen. Die Sekretärin sagte: »Er spricht gerade… Moment, jetzt ist die Leitung frei, ich stelle durch.«
Frederiks Stimme, freundlich, aber mit der leicht nervösen Abwehr, die jedes gesellige Plaudern von vornherein ausschloß. »Tag, Mama, wie geht s denn? Ist was?«
»Ich wollte nur sagen, daß ich wieder da bin.«
»Wieso, warst du weg? «
»In Berlin. Habe ich dir doch erzählt. Hans Karlows sechzigster Geburtstag.«
»Ach ja«, fiel es ihm wieder ein. »Wie war’s denn? Schön?«
»Du, ganz lustig. Eine richtige große Kneipenfete wie in alten Zeiten. Auf dem Rückflug war schwarzer Rauch in der Kabine. Wir mußten zurück nach Tegel. Die zwanzig Minuten, bis wir wieder gelandet sind, werde ich so bald nicht vergessen. So ein Flieger hat ja keine Rettungsboote an Bord.«
Frederik interessierte daran weniger die seelische Verfassung seiner Mutter als der technische Defekt, der den Rauch ausgelöst hatte. »Woran hat’s denn gelegen?«
»Keine Ahnung. Das wußte das Bordpersonal selber noch nicht. Ich habe bloß gesehen, wie die Maschine abgeschleppt wurde.«
Kaum hatte ich eingehängt, rief Karen an. »Tag, Mama. Ich sollte dich zurückrufen. Ist was Besonderes? Aber mach’s bitte kurz, du weißt …«
»Ja, ich weiß. Es ist auch nicht so wichtig. Ich wollte dir nur von meinem Rückflug erzählen.«
Karen konnte ich ja nun gar nicht mit dem schwarzen Rauch imponieren. Schließlich hatte sie eine echte Notlandung miterlebt. Damals klemmte das Fahrgestell, und sie mußten über Mailand das Benzin abkreisen. Der Flugplatz war für alle anderen Maschinen gesperrt gewesen, ein Schaumteppich wurde ausgelegt. »Die Passagiere mußten Schuhe und Zahnprothesen ablegen, mußtet ihr das gestern auch? Nein? Na, dann wird’s auch nicht so gefährlich gewesen sein.«
Nach diesem Gespräch kam mir die überstandene Todesangst wie eine Bagatelle vor. Die Dramatik war raus aus dem Geschehen bei dringebliebenen Prothesen der Passagiere.
Apropos Zähne, ich war seit zwei Jahren nicht mehr in Behandlung bei meiner Tochter. Karen war mir zu grob im Mund. Immer wenn ich »Aua«, sagte, sagte sie: »Mama, stell dich nicht so an.« Vielleicht hatten die noch immer im Unterbewußtsein schwelenden Mutter-Tochter-Rivalitäten ihre Hand mit dem Bohrer geführt.
***
Karen war sechzehn und Frederik zwölf, als ihr Vater an einem Herzinfarkt starb.
Das war mitten in einer Serienproduktion gewesen bei Außenaufnahmen auf Sylt. Auf der Fahrt zum Drehort war er zusammengebrochen und gestorben, bevor sie das Krankenhaus erreichten.
Ich war gerade beim Gemüseschnipseln fürs Mittagessen, als ich die Nachricht erhielt. Ich stand am Telefon, in der einen Hand die aufgeregte Stimme des Produktionsleiters, in der anderen das Küchenmesser. Ehe ich das Ausmaß der Nachricht überhaupt begriffen hatte, verlangte man bereits Entscheidungen von mir.
Von diesem Tag an mußte ich meine Kinder vernachlässigen, denn es blieb mir nichts anderes übrig, als die Produzentenrolle selbst zu übernehmen bis zur Abnahme der fertiggestellten Serie.
Dabei kam mir zugute, daß Heinz, mein verstorbener Marin, großen Wert auf mein Urteil legte und somit jedes Projekt von der Stoffsuche an mit mir diskutiert hatte. Ich mußte auch bei allen Besprechungen, die in unserem Haus stattfinden, dabei sein und anschließend mein Urteil abgeben. Die Branche war mir somit nicht fremd, und es blieb mir nichts anderes übrig, als die Firma selbst weiterzuführen, sie war unsere Existenzgrundlage. Damals begann meine Rundreise von Sender zu Sender. Mit Schaudern denke ich noch heute an meine Vorstellungsgespräche als Nachfolgerin meines Mannes und an die kühle Abfuhr der Programmdirektoren mit der Begründung, sie hielten nichts von Witwenwirtschaft. Es war so demütigend gewesen, ein Canossagang nach dem anderen. Und beim Heimkommen die erwartungsvollen Augen der Kinder – wenn sie mein Gesicht sahen, hatten sie erst gar nicht weiter gefragt. Ich hatte keine Aufträge und mußte ein Büro mit drei Angestellten unterhalten und ein Haus mit zwei Halbwüchsigen.
Endlich lief die von Heinz begonnene, von mir zu Ende produzierte Serie an, erhielt wohlwollende Kritiken und, was für den Sender noch wichtiger war, hohe Einschaltquoten.
Man wollte sie fortsetzen, aber nicht mit mir als Produzentin. Das Risiko, einem Neuling – noch dazu einem weiblichen – ein so großes Projekt anzuvertrauen, erschien dem Redakteur denn doch zu groß.
Ich hatte mir inzwischen bei einem Buchverlag eine Option auf einen Wirtschaftskrimi geben lassen und ging damit hausieren.
Ich glaube, es war Napoleon, der einmal gesagt hat: Er ist ein guter Soldat, aber hat er auch Fortune? Ohne Fortune ging gar nichts im Leben. Da konnte man noch so begabt sein und noch so strampeln, es gehörte eben ein Quentchen Glück dazu. Und auf einmal war es da – gleich eine Kette von glücklichen Fügungen. Der Berliner Fernsehsender interessierte sich für meinen Stoff. Ich war deshalb zu Verhandlungen angereist und wohnte bei Hans Karlow, um die Hotelkosten zu sparen. Saß neben ihm am Zeichentisch und sah zu, wie er Figuren für einen Comic Strip entwarf, als ein Freund von ihm vorbeikam, ein junger Regisseur, dem mein Mann vor Jahren die erste Regie anvertraut hatte. Inzwischen hatte er sich einen guten Namen in der Branche erarbeitet. Ich gab ihm meinen Stoff zu lesen, obgleich er für zwei Jahre ausgebucht war und somit als Regisseur nicht in Frage kam. Wenige Wochen später rief er mich in München an. Ein Projekt, für das man ihn engagiert hatte, war auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Somit hatte er eine Lücke von sechs Wochen in seinem Terminkalender. Der Stoff reizte ihn, der Sender akzeptierte ihn mit Freuden als Regisseur – so kam es zu meiner ersten eigenen Produktion.
Ich hatte Fortune, und das nicht nur beruflich. Bereits während der ersten Besprechung am langen Tisch in meinem Wohnraum entstand zwischen uns eine Liebesgeschichte, die drei Jahre anhielt.
Nie vorher, nie nachher habe ich so bewußt mein Leben gelebt wie in dieser Zeit. Ich wurde als Produzentin anerkannt, war glücklich als Frau, nur die Kinder kamen dabei zu kurz.
Frederik hatte nichts gegen den Regisseur, der viele Wochenenden bei uns verbrachte, solange er mit ihm Flippern ging und seine Leidenschaft für Fußball teilte. Aber Karen, die Heinz abgöttisch geliebt und mich von Kindertagen an als ihre Rivalin um seine Gunst bekämpft hatte, ahnte, daß er mein Liebhaber war. Das hat sie mir nicht verziehen, so bald nach dem Tod ihres Vaters. Daß meine Ehe mit Heinz längst keine Ehe mehr gewesen war, nur mehr eine Partnerschaft, daß er mich seit Jahren mit Schauspielerinnen und solchen, die es werden wollten, betrogen hatte, ließ sie als Entschuldigung nicht gelten.
Einen Tag nach ihrem Einser-Abitur verließ sie mein Haus, zog in eine Wohngemeinschaft und fand nur noch als Dauerauftrag auf meinen Kontoauszügen statt. Sie meldete sich bloß, wenn sie meine Unterschrift oder irgendwelche Familiendokumente benötigte. Am Telefon ließ sie sich verleugnen. Von Frederik, der sich ab und zu mit ihr in der Stadt traf, erfuhr ich von ihrem Studienplatz für Zahnmedizin. Er rief mich auch in Paris an, als sie mit einer schweren Salmonellenvergiftung auf der Intensivstation lag. Ich flog mit der nächsten Maschine nach München zurück. Karen war damals zu schwach, um sich gegen meine Anwesenheit zu wehren. Vielleicht hat sie mich auch gebraucht in ihrem elenden Zustand. Zumindest durfte ich von da an wieder einmal pro Woche mit ihr telefonieren, aber auch das nur an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit.
Zähneknirschend hielt ich ihre Termine ein. Was sollte ich machen, ich wollte sie nicht ganz verlieren. Inzwischen bin ich mit Frau Dr. med. dent. Karen Hornschuh ganz gut befreundet, wenn auch nicht intim. Ihren Bekanntenkreis hat sie mir bisher nicht vorgestellt.
Frederik wohnte noch mehrere Jahre zu Hause, versorgt von wechselnden Putzfrauen. In der Schule blieb er sitzen und schikanierte seine Nachhilfelehrer. Wenn ich spät abends nach Hause kam, dröhnten seine Kassetten durchs Haus. In meinen Sesseln hingen mir unbekannte Typen wie knochenlos herum und quälten sich höchstens ein »Hi« ab, wenn ich in der Tür auftauchte. Der Gedanke, sie könnten meinen Sohn zu Drogen verleiten, machte mich damals ganz krank.
Frederik versicherte mir zwar immer...




