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E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

nifbe Gemeinsam an einem Strang ziehen

Zusammenarbeit mit vielfältigen Familien in der KiTa
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-451-82840-9
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zusammenarbeit mit vielfältigen Familien in der KiTa

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-451-82840-9
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das klassische Verständnis einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Kita und Familie muss heute verstärkt unter besonderer Berücksichtigung vielfältiger Lebenslagen in den Blick genommen werden. Familienmodelle und -kulturen haben sich, vor allem durch Flucht, Migration und soziale Benachteiligung - aber auch durch viele weitere Faktoren - verändert. Wie eine gute Zusammenarbeit zwischen Kita und Familie gelingen kann, zeigt dieses Buch.

Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) wurde 2007 gegründet und verbindet auf innovative Weise die interdisziplinäre Forschung mit der Praxis sowie der Aus- und Weiterbildung im Elementarbereich.
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Autoren/Hrsg.


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Die wechselseitigen Erwartungen von Eltern und Fachkräften an ihre Zusammenarbeit


Bernhard Kalicki

Nationale wie internationale Studien belegen den überragenden Einfluss der Familie auf die kindliche Entwicklung (NICHD 2002; Tietze et al. 2013). Wenngleich in der späten Kindheit und im Jugendalter weitere Akteure und Sozialisationsinstanzen wie Schule, Freunde und Gleichaltrigengruppe (Peers) an Bedeutung gewinnen, prägen Merkmale der Familie (z.B. Bildungshintergrund, Sozialstatus, familiärer Lebensstil) sowie elterliche Handlungen und Entscheidungen den Entwicklungsverlauf. Dem trägt die rechtliche Stellung der Eltern in Deutschland – zunächst im Grundgesetz (Art. 6 Abs. 2 GG), dann aber auch in der Kinder- und Jugendhilfe (§ 1 Abs. 2 SGB VIII) – Rechnung: Eltern haben das Recht und die Pflicht der elterlichen Sorge und der Erziehung ihrer Kinder. Im System der Kinder- und Jugendhilfe besitzen Eltern vergleichsweise starke Rechte; die Unterstützung der Eltern zählt zu den Aufgaben der Kindertagesbetreuung. Diese Unterstützung erfolgt über die Entlastung der Erziehungsverantwortlichen in der elterlichen Sorge, insbesondere jedoch über eine bessere Vereinbarkeit von familiären und beruflichen Aufgaben für Mütter und Väter.

Zur Präzisierung und Gestaltung des Verhältnisses von außerfamiliärer Kindertagesbetreuung und Familie hat sich das Konzept der »Erziehungspartnerschaft« von KiTa und Familie etabliert (Betz et al. 2017; Roth 2014; Textor 2006). Dieses skizziert eine ausgewogene (symmetrische) Beziehung zwischen Eltern und Fachkräften, sucht die Verknüpfung der beiden kindlichen Lernorte und strebt insgesamt eine Intensivierung der Zusammenarbeit an. Dieses Konzept wird inzwischen durchaus kritisch diskutiert, da etwa grundlegende Merkmale partnerschaftlicher Beziehungen wie die Freiwilligkeit oder eine Machtbalance beider Partner hier schlicht nicht vorliegen oder der Status zentraler theoretischer Aussagen – als normative Zielvorgabe oder empirisch beobachtbare oder realisierbare Variante der Elternkooperation – nicht geklärt ist (Betz et al. 2017). Besondere Beachtung verdient die Ausweitung des Auftrags der Kindertagesbetreuung (über die Unterstützung der Familie in der elterlichen Sorge und der Erziehung und frühen Bildung des Kindes hinaus) auf die Familienberatung, Familienbildung oder Erziehung der Eltern.

Tatsächlich fordern VertreterInnen einer offensiven Einwirkung der frühpädagogischen Fachkräfte auf die Familie, dass KiTa-Teams selbst die elterliche Partnerschaft beobachten und thematisieren: »Besonders wichtig sind laut den Bildungsplänen längere Gespräche, bei denen […] Erziehungsfragen der Eltern diskutiert werden und ihre Erziehungskompetenz gestärkt und unterstützt wird. Zugleich werden sie für die große Bedeutung der Qualität ihrer Partnerschaft und des Familienlebens […] sensibilisiert« (Textor 2006, S. 18f.).

Vorbehalte von Eltern gegen solche Eingriffe werden zwar antizipiert, jedoch nicht geteilt oder beachtet: »Zunächst müssen aber oft Widerstände bei einzelnen Eltern überwunden werden, die in der Familienerziehung eine private Angelegenheit sehen« (ebd., S. 51).

Vorliegende Befunde aus einer eigenen familienpsychologischen Längsschnittstudie deuten darauf hin, dass Eltern eine unaufgeforderte Erziehungsberatung ablehnen und auf entsprechende Versuche defensiv reagieren. So beobachtete Peitz (2004; vgl. auch Kalicki 2010), dass die Wahrnehmung von Verhaltensauffälligkeiten bei einem Kind durch die pädagogische Fachkraft mit einer Abwertung dieser Erzieherin durch die Mutter des Kindes einhergeht – und dies selbst bei einer Blindkonstellation (die Mutter ist nicht über die kindbezogenen Einschätzungen und Beurteilungen der Erzieherin ihres Kindes informiert). Wir haben dieses Ergebnismuster als Schutzreaktion gedeutet: Wenn das eigene Kind kritisiert wird, reagieren Eltern mit einer Abwertung der Quelle dieser Kritik. Dies dient dem Erhalt des Selbstwerts und kann als eine Strategie betrachtet werden, die zur psychischen Gesundheit beiträgt.

In der hier dargestellten Studie soll diesem Pfad nachgegangen werden, indem die Eltern und Bezugserzieherinnen einer größeren und repräsentativen Stichprobe von betreuten Kindern nicht nur nach ihren wechselseitigen Erwartungen an die Zusammenarbeit von KiTa und Familie befragt werden. Einschätzungen zum Zielkind (etwa im Sinne von schwierigem Temperament) und Einschätzungen der Eltern zur Bezugserzieherin ihres Kindes (Sympathieurteil und Kompetenzzuschreibung) ermöglichen es, die Beziehungsdynamiken in der Elternkooperation näher zu beleuchten.

Fragestellungen

In diesem Zusammenhang interessieren eine Reihe offener Fragen. In einem ersten Schritt gilt es herauszufinden, welche Vorstellungen Eltern und frühpädagogische Fachkräfte von der Kindertagesbetreuung haben. In einem zweiten Schritt kann dann ermittelt werden, inwiefern diese Vorstellungen und Erwartungen der Eltern und der Fachkräfte konvergieren bzw. divergieren. In einem dritten Schritt soll schließlich überprüft werden, ob sich auch in dieser Studie das Muster einer defensiven, den eigenen Selbstwert schützenden Reaktion von Müttern auf vermeintliche Kritik an ihrem Kind beobachten lässt.

Die zentralen Forschungsfragen lauten im Einzelnen:

1. Welche Erwartungen haben Mütter und die Betreuungspersonen ihrer Kinder an die Pädagogik der Kindertagesbetreuung?

2. Inwiefern decken sich die aus diesen beiden Perspektiven formulierten Erwartungen?

3. Welche Vorstellungen oder Erwartungen haben Mütter und frühpädagogische Fachkräfte bezüglich ihrer Zusammenarbeit?

4. Inwiefern decken sich diese Vorstellungen?

5. Welche Vorstellungen bzw. Erwartungen haben Mütter und frühpädagogische Fachkräfte bezüglich auf die Familie gerichteter Unterstützungsangebote und -maßnahmen?

6. Inwiefern decken sich diese Vorstellungen?

7. Lässt sich auch an diesem Datensatz nachweisen, dass die Wahrnehmung von Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsproblemen des Kindes durch die Fachkraft mit einer Abwertung dieser Fachkraft durch die Mutter dieses Zielkindes einhergeht?

Zusätzlich interessiert, inwiefern insbesondere die elterlichen Erwartungen von familiären Hintergrundvariablen (wie Sozialstatus, Familienform, Bildungsgrad) oder Kindmerkmalen (Alter und Geschlecht des Kindes, von den Eltern wahrgenommene Entwicklungsauffälligkeiten des Kindes) abhängen.

Anlage der Studie

Die hier präsentierten Daten fokussieren ausschließlich Kinder in der institutionellen Kindertagesbetreuung. In einer standardisierten Befragung wurden sowohl die Eltern als auch die Bezugserzieherinnen zufällig ausgewählter Kinder befragt (abhängige Stichproben). Die 568 Kinder dieser Stichprobe waren im Alter von einem bis sechs Jahren, darunter 317 Jungen und 251 Mädchen. Etwa ein Drittel der Stichprobe wurde in Ostdeutschland rekrutiert, zwei Drittel in

Tabelle 1: Kennzeichen der Untersuchungsstichproben

Westdeutschland. Die Gruppe der befragten Eltern bestand zu 93 Prozent aus Frauen (Mütter), die Gruppe der befragten Fachkräfte zu 94 Prozent. 81 Prozent der befragten Eltern verfügten über die allgemeine Hochschulreife als höchsten schulischen Bildungsabschluss (siehe Tab. 1).

Das Erhebungsinstrument bestand aus einem Fragebogen, der in parallelisierten Varianten für Eltern und Fachkräfte zunächst folgende normative Erwartungen im Sinne von subjektiven Qualitätsstandards umfasste:

Pädagogische Standards: Einschätzungen zu den subjektiven Erwartungen an die Frühpädagogik der Kindertageseinrichtung (Wichtigkeitseinschätzungen zu 14 Aussagen bei vierstufiger Zustimmungsskala von 1 = »vollkommen unwichtig« über 2 = »eher unwichtig«, 3 = »eher wichtig« bis 4 = »vollkommen wichtig«). Diese Einschätzungen lassen sich vier Subskalen oder Dimensionen zuordnen (Kindliches Wohlbefinden; Soziales Lernen; Förderung; Regelbefolgung).

Standards zur Elternkooperation: Einschätzungen zu Art und Umfang der subjektiv gewünschten Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Familie (Wichtigkeitseinschätzungen zu 16 Aussagen bei vierstufiger Zustimmungsskala). Diese Einschätzungen lassen sich vier Subskalen zuordnen (Übereinstimmung in Erziehungsfragen; Kindbezogener Austausch; Beteiligung und Kritik; Interesse an der Familie).

Standards zu familiengerichteten Angeboten: Einschätzungen zu den subjektiven Erwartungen bezüglich solcher Angebote der Kindertageseinrichtung, die die Familie adressieren (Wichtigkeitseinschätzungen zu 14 Aussagen, vierstufige Zustimmungsskala). Diese Einschätzungen lassen sich zwei Subskalen zuordnen (Klassische Elternarbeit; Beratung und Elternbildung).

Darüber hinaus lieferten die befragten Eltern und pädagogischen Fachkräfte subjektive Einschätzungen zum Zielkind. Diese umfassten den Bereich...


Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) wurde 2007 gegründet und verbindet auf innovative Weise die interdisziplinäre Forschung mit der Praxis sowie der Aus- und Weiterbildung im Elementarbereich.



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