E-Book, Deutsch, Band 2, 392 Seiten
Reihe: Göttererbe
Niemeitz Göttererbe 2: Hades' Vermächtnis
22001. Auflage 2022
ISBN: 978-3-646-60752-9
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantasy über eine Studentin, die ein ungeahntes göttliches Erbe antritt
E-Book, Deutsch, Band 2, 392 Seiten
Reihe: Göttererbe
ISBN: 978-3-646-60752-9
Verlag: Carlsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Merit Niemeitz wurde 1995 in Berlin geboren und lebt noch immer dort, in einer Wohnung mit unzähligen Flohmarktschätzen, Pflanzen und Büchern. Seit ihrer Kindheit liebt sie Worte und schreibt ihre eigenen Geschichten. Während und nach ihrem Studium der Kulturwissenschaft arbeitet sie seit Jahren in der Buchbranche und möchte eigentlich auch nie etwas anderes tun.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
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***
Die Schwärze schluckte mich und spuckte mich mit dem nächsten Atemzug wieder aus.
Schwer atmend schoss ich hinauf und stieß mit dem Kopf fast an einen hervorstehenden Holzbalken. Mein Puls raste, das dünne Nachthemd klebte feucht an meinem Körper. Ich presste eine Hand auf mein wild klopfendes Herz und konzentrierte mich auf seine Kraft, die mir zeigte, dass ich am Leben war. Auch wenn es sich seit Wochen nicht mehr so anfühlte.
Minutenlang saß ich da und betrachtete den Sonnenstrahl, der unter der Türschwelle hindurchkletterte. Im Bett auf der anderen Seite der Hütte erkannte ich Hazels schmalen Körper unter ihrer Decke. Sie atmete gleichmäßig, aber ich wusste, dass sie wach war. Mit mir in einem Zimmer zu schlafen war ein Garant für eine Schlafstörung.
In den ersten Tagen hatte sie mich immer wieder geweckt, wenn ich in einem Albtraum festhing, aber irgendwann hatte ich darum gebeten, es zu lassen. Lex hatte recht gehabt: Es spielte keine Rolle, ob ich wach war oder schlief. Ich wachte auf, aber der Albtraum endete nicht. Das, was in der Ruine passiert war, wiederholte sich in mir in Dauerschleife – ganz gleich, ob Lex sich die Mühe machte, mich daran zu erinnern, oder ob er mir eine Nacht Pause gönnte. Und egal, wie oft ich diesen Moment durchlebte: Ich konnte nichts daran ändern, wie er ausging.
Vorsichtig stieg ich aus dem Bett und nahm den Pullover vom Kopfende. Vespers dunkle Jacke hing daneben, aber ich wagte es nicht, sie überzuziehen. Allein der Gedanke daran, einen letzten Rest seines Geruchs am Stoff auszumachen, erfüllte mich mit kaum aushaltbarem Schmerz.
Die kleine Siedlung der Nymphen-Nachfahrinnen war noch verschlafen. Die Wäscheleinen bewegten sich im Morgenwind, silbrig beleuchtet von der Herbstsonne, die zwischen den Baumwipfeln hing. Ein paar Rehe grasten an der Grenze zum Wald. Die Tiere hier hatten erkannt, dass von Jo und ihren Freundinnen keine Gefahr ausging, und sie als ebenbürtige Bewohnerinnen ihres Zuhauses akzeptiert. Oft kamen sie so nah an die Holzhäuser und die Frauen heran, dass man sie hätte berühren können. Nicht nur Rehe und Hirsche, auch Dachse und Rotfüchse liefen zwischen den Hütten umher, als wären die Nachfahrinnen der Nymphen ebenso ein natürlicher Teil des Waldes wie sie.
Meine Schuhe waren feucht vom Morgentau, als ich bei der Lichtung ankam und mich auf einen umgefallenen Baumstamm sinken ließ. Es trieb mich immer wieder hierher, obwohl dieser Ort keinen Trost spenden konnte.
Hier hatte ich vor wenigen Wochen gehört, wie Jo und Vesper über die Legende sprachen. Diese Legende, die vielleicht der Kern alles Übels war. Wenn zwischen Vesper und mir wirklich irgendeine göttliche Verbindung gewesen war, aufgrund derer er mich beschützen wollte, dann war er chancenlos gewesen. Und selbst wenn nicht: hatte es gewusst. Ich hatte gewusst, dass es ihm letztlich wehtun würde, wenn ich ihn an mich heranließ. Und ich hatte es trotzdem getan. Weil ich egoistisch und schwach und dumm gewesen war. So dumm zu glauben, es bestünde Hoffnung für uns. Für mich.
Ich kniff mir in die Nasenwurzel und fixierte den Baumstamm unter mir. Zwischen dem Holz und dem knöchellangen Gras glänzte ein Spinnennetz. Ein paar Tautropfen hatten sich darin verfangen – und in der Mitte ein Schmetterling. Ich schob die Hände zwischen meine Oberschenkel, um sie daran zu hindern einzugreifen. Es war längst zu spät. Die Spinne war im Zentrum ihres Netzes angekommen und begann die Flügel des Schmetterlings anzunagen. Die schönen, bunt beäugten Flügel, die im kühlen Licht schimmerten. Der...