Neureiter Burgfrieden
2012
ISBN: 978-3-8392-3793-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 1, 230 Seiten
Reihe: PR-Beraterin Sommer
ISBN: 978-3-8392-3793-9
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Auf der mittelalterlichen Burg Runkelstein bei Bozen wird eine alte Handschrift entdeckt. Mutmaßlicher Verfasser: der deutsche Dichtersänger Walther von der Vogelweide. Kaum aufgetaucht, verschwindet das Dokument wieder. PR-Beraterin Jenny Sommer wird zur Detektivin wider Willen. Ihre Suche nach dem wertvollen Manuskript gerät zu einer abenteuerlichen Jagd quer durch Bozen bis ins Weindorf St. Magdalena und auf den Hausberg Ritten …
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;N u l l;8
2;E ins;12
3;Zwei;33
4;Dr e i;52
5;V i e r;61
6;Fünf;79
7;Sechs;88
8;S i eben;105
9;Acht;119
10;Neun;130
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13;Zwölf;179
14;Dr e i z ehn;190
15;V i e r z ehn;215
Zwei
Heißt mich willkommen, Denn ich bringe Euch Neuigkeiten. Alles, was man Euch bisher erzählt hat, sind leere Worte. Fragt lieber mich! Ich will allerdings ein Honorar dafür: Wenn das angemessen ist, dann werdet Ihr das zu hören bekommen, was Euch gefällt. Also, wie steht’s mit der Bezahlung? Nach Walther von der Vogelweide »Ir sult sprechen willekommen« Zügig marschierte die kleine Prozession das linke Talferufer flussaufwärts. Vorneweg schritten der Professor und sein Assistent weit aus, dicht gefolgt von den Studenten. Mordred und Lukas hatten Tina in die Mitte genommen, es schien wieder Eintracht zwischen den dreien zu herrschen. Jenny und Dozentin Schmied-Schmiedhausen bildeten das Schlusslicht. Letztere gab sich Jenny gegenüber etwas weniger zugeknöpft, als dies heute während der Zugfahrt der Fall gewesen war. Ja, sie ließ sich sogar zu einem Du herab, wie es unter ehemaligen Kommilitonen durchaus üblich war. Jenny war sich nicht sicher gewesen, wie die andere, die rein vom akademischen Standpunkt gesehen inzwischen die Ranghöhere war, eine solche Vertraulichkeit auffassen würde, und hatte daher bisher eine direkte Anrede tunlichst vermieden. Jetzt war die Sache geklärt, und vielleicht konnte man mit Xenia ja doch noch in ein vernünftiges Gespräch von Frau zu Frau kommen, das nicht von wissenschaftlichen Thesen strotzte. Um eines beneidete Jenny sie jedenfalls: um ihre zwar höchst unansehnlichen, dafür aber umso bequemeren Halbschuhe. Sie selbst war leider dem Rat des Professors, den dieser ihr noch kurz vor dem Aufbruch gegeben hatte, nämlich möglichst praktisches Schuhwerk zu tragen, nur bedingt gefolgt. Zwar hatte sie nach seiner Warnung, dass sie am Ende ihrer Wanderung ein ziemlich unwegsames Steilstück erwartete, umdisponiert und sich statt der geplanten Hochhackigen für Riemchensandalen mit gemäßigtem Absatz entschieden. Aber davon, dass der gesamte Weg entlang der Talfer mit Kies bestreut war, hatte der Professor nichts gesagt. Immer mehr spitze Steinchen sammelten sich unter ihren Fußsohlen. Hätte sie bloß auf Arthur gehört. Besser noch, sie hätte Lenz Hofer gefragt, der war ja schließlich von hier. Von hinten betrachtete sie seine schlanke, groß gewachsene Gestalt. Er war der Radfahrer gewesen, mit dem sie heute ihren Beinahe-Zusammenstoß gehabt hatte. Als sie ihn dann mit dem Professor im Salon sitzen sah, hätte sie sich am liebsten unsichtbar gemacht. Nicht, dass sie sich in ihren Shorts nicht hätte blicken lassen können. Aber es war einfach keine angemessene Bekleidung für die erste offizielle Begegnung mit Arthurs Assistenten. An Jenny nagte das schlechte Gewissen. Sie war sich dessen bewusst, dass sie unfair zu dem jungen Kollegen gewesen war. Gut, sie hatte sich über seine Nonchalance geärgert, mit der er über den Vorfall hinweggegangen war. Aber schließlich war ihr ja nichts passiert. Dass er an der Fast-Kollision ganz alleine schuld war, bezweifelte sie mittlerweile ohnehin. Schließlich war sie ja auch nicht besonders achtsam gewesen. Als er sie dann aber bei der Begrüßung so durchdringend angesehen hatte, war ihr Unmut wieder hochgekommen. Um sich Luft zu machen und um ihre Verlegenheit angesichts ihres leicht bekleideten und ein wenig verschwitzten Zustandes zu überspielen, hatte sie ihn einfach abblitzen lassen. Wobei abblitzen vielleicht ein wenig zu viel gesagt war. Er hatte ihr ja keine Avancen gemacht. Aber einen kleinen Dämpfer hatte sie ihm halt versetzen wollen. Das schien ihr auch gelungen zu sein, wenn sie bedachte, wie förmlich er sie seither behandelte. Nur ein einziges Mal hatte er bisher überhaupt das Wort an sie gerichtet und sie mit »Guten Abend, Frau Doktor« begrüßt, als sie in die Eingangshalle heruntergekommen war. Sein flüchtiger Blick auf ihre Beine war ihr allerdings nicht entgangen. Oder hatte er sich etwa insgeheim über ihre Sandalen mokiert? Die verfluchte Jenny mittlerweile. Jetzt bemerkte sie auch, dass sie hinter den anderen zurückgefallen war. Xenia hatte sich an die Spitze des Zuges gekämpft und redete auf Arthur ein, dahinter schlossen die Studenten auf. Sie fragte sich gerade, wo Lenz war, denn sie konnte ihn nirgends mehr sehen. Da fiel ihr Blick auf Runkelstein. Majestätisch ragte das mächtige Bauwerk in den Abendhimmel, an dem die Sonne nur zögerlich ihren Weg Richtung Horizont antrat. Jenny war überwältigt. Sie hatte zwar schon Fotos von der Burg gesehen, doch das war kein Vergleich mit dem Anblick, der sich ihr jetzt bot. Staunend blieb sie stehen und betrachtete das imposante Mauerwerk, das sich hoch auf einem bewaldeten Felsen erhob, der zur Talfer hin steil bergab fiel. Dort auf der Burg würden sie nicht nur den heutigen Abend, sondern auch die nächsten Tage verbringen. Es galt, die gefundene Schrift Wort für Wort zu analysieren und mit überlieferten Texten Walthers von der Vogelweide zu vergleichen. Nur diese aufwendige Methode würde es ihnen ermöglichen, die Echtheit des Manuskriptes einigermaßen gesichert zu bestätigen. Wobei Jenny bezweifelte, dass sie hierzu einen wesentlichen Beitrag würde leisten können. Über 20 Jahre war es jetzt her, dass sie die Uni verlassen und sich ins Berufsleben fern der hohen Wissenschaft gestürzt hatte. Bei den Untersuchungen selbst würde sie wohl kaum von Nutzen sein. Doch Arthur hatte befunden, dass sie, um die geplante Pressekonferenz möglichst fundiert vorbereiten zu können, auch in die Forschungsarbeit eingebunden sein sollte. Jenny seufzte. Sie hoffte bloß, dass sie ihn nicht enttäuschen und sich selbst nicht blamieren würde. Zu letzterem war sie ohnehin schon auf dem besten Wege. Denn jetzt bemerkte sie, dass die anderen ihr weit voraus waren. In einiger Entfernung sah sie die Gruppe die Talferbrücke überqueren. Dort, auf der anderen Seite des Flusses, begann der Aufstieg zur Burg. Sie würde rennen müssen, um die anderen noch einzuholen. Dazu musste sie aber erst einmal ihre Schuhe entleeren. So leicht, wie die Steinchen dort hineinfanden, so schwer war es, sie wieder herauszubekommen. Als sie sich hinkniete, um die Schließe der ersten Sandale zu öffnen, fiel plötzlich ein Schatten auf sie. »Ich kann vielleicht helfen?« Lenz Hofer stand direkt vor ihr und blickte zu ihr hinunter. Jenny richtete sich langsam auf. * »Ich will Euch willkommen heißen, Denn wer Gutes bringt, seid Ihr. Werdet uns die Richtung weisen, hin zur Ehre und zur Zier. Ich will Euch daher heute Geben Speis und Trank. Das ist, wenn ihr’s mir erlaubt, mein bescheid’ner Dank Für Euch gescheite Leute.« Die kleine Schar mit Arthur Kammelbach an der Spitze glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Sie hatten das letzte beschwerliche Wegstück durch den dichten Wald hinter sich gebracht, als eine schallende Männerstimme begann, die Verse zu deklamieren, die sie als sehr freie Adaption von Walther von der Vogelweides »Ir sult sprechen willekommen«, des sogenannten Preisliedes, wiedererkannten. Aus dem Burgtor traten ihnen zwei Gestalten entgegen, die einer der mittelalterlichen Darstellungen der großen Liederhandschriften entsprungen zu sein schienen. Ein ziemlich kleiner Mann hatte seine füllige Gestalt in eine Art blaue Toga gehüllt, die ihm bis zu den nach oben gebogenen Spitzen seiner Schnabelschuhe reichte. Den Halsausschnitt des Gewandes zierte ein Pelzbesatz von derselben Beschaffenheit wie die Krempe der Kopfbedeckung, unter der ein rötlichblonder Haarkranz hervorschimmerte. Die linke Hand hatte der Mann auf seine Brust oder vielmehr auf die darunter vorragende Wölbung seines Bauches gelegt. Den rechten Arm bot er der neben ihm stehenden Dame, die darauf ihren linken Unterarm samt dem langen, trichterförmig herabhängenden Ärmel platziert hatte. Er war Bestandteil eines Kleides aus dunkelrotem Samt, das von der gegürteten Taille in weichen Falten zu den gebogenen Schuhspitzen herabfiel. Auch hier war der großzügige Ausschnitt mit einer Art Pelz besetzt, der sich als Hutbesatz wiederfand. Über den üppigen Busen legten sich zwei Zöpfe, die bis weit über die Taille reichten. Das Einzige, was an dem gesamten Ensemble aus dem Rahmen fiel, war der große Schlüsselbund, den die Dame an ihrem Taillengürtel befestigt hatte. Ansonsten stimmte alles perfekt: Der Herr verkörperte ganz offensichtlich den Sänger Walther von der Vogelweide, wie er in der nach ihrem Aufbewahrungsort benannten »Großen Heidelberger Liederhandschrift« dargestellt wird. Die Dame wiederum war zweifellos die lebensgroße Nachbildung der allegorischen Figur Frau Minne. Nun hob der männliche Part wieder zu sprechen an: »Liebreizende Damen, gelehrte Herren, es ist mir eine große Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen«. Bei dieser Anrede begann sich das erste Mitglied der Delegation aus der Erstarrung zu lösen, die bisher alle erfasst hatte. Es war Xenia Schmied-Schmiedhausen, die ob dieser nach ihrem Dafürhalten groben Verletzung der politischen Korrektheit verächtlich die Mundwinkel nach unten zog. Wie kam sie als Dozentin dazu, sich von diesem Möchtegern-Walther als »liebreizende Dame« bezeichnen zu lassen. Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte sie sich dem neben ihr stehenden Arthur Kammelbach zu. In dem Moment wurde auch dieser wieder Herr seines...