Neumann | Die Flucht der Gauklerin | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 548 Seiten

Neumann Die Flucht der Gauklerin

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-796-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 548 Seiten

ISBN: 978-3-96655-796-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Als die Pest die Welt in Atem hielt ... Der historische Roman »Die Flucht der Gauklerin« von Simone Neumann jetzt als eBook bei dotbooks. Westfalen im 14. Jahrhundert. Im letzten Moment ist Maja ihrem brutalen Ziehvater entkommen - aber weiß er, wo sie sich vor ihm versteckt? Für die junge Frau gibt es keinen anderen Ausweg, als sich einer Siedlergruppe anzuschließen, die auf dem gefahrvollen Weg ins weit entfernte Mähren ist - dort, so heißt es, wartet ein Leben in Freiheit und Frieden auf sie. Doch je weiter sie ziehen, umso mehr wächst die Angst vor dem Schrecken, der über das Land hereingebrochen ist: der schwarze Tod. Hat der Kreuzritter Konrad, der seit einiger Zeit mit ihnen reist, die grausame Krankheit aus dem Heiligen Land hierhergebracht? Und während Maja hin- und hergerissen ist zwischen der Furcht vor der Pest und den zarten Gefühlen, die sie für Konrad hegt, wächst ihre Angst, dass ihr Ziehvater ihr immer noch unbarmherzig auf den Fersen ist ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: der historische Roman »Die Flucht der Gauklerin« von Simone Neumann - spannend wie ein Krimi und so lebensecht geschrieben, dass man sich in die abenteuerliche Epoche des Spätmittelalters versetzt fühlt, jene Zeit, in der das heutige Europa wie selten zuvor von religiösen und politischen Krisen erschüttert wurde ... und der Pest, jener Pandemie, die ganze Landstriche entvölkerte. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag.

Simone Neumann, geboren 1977 in Höxter, lebt heute in München. Nach ihrem Studium der Geschichte und Slavistik arbeitete sie zunächst bei einem Verlag als Lektorin und machte sich nach der Geburt ihrer Kinder als Redakteurin und Autorin selbstständig. Bei dotbooks erschienen Simone Neumanns fundiert recherchierten historischen Romane, die sie stets mit einer fesselnden Spannungsnote würzt: »Des Teufels Sanduhr«, »Das Geheimnis der Gewürzhändlerin« (ursprünglich unter dem Titel »Das Geheimnis der Magd« erfolgreich) und »Die Flucht der Gauklerin«.
Neumann Die Flucht der Gauklerin jetzt bestellen!

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Kapitel 1


Im selben Jahr in einem kleinen Dorf in Westfalen

Der Herrgott hatte ihm diese Frau gesandt.

Der Überzeugung war der Bauer Ulrich Filzhut bereits am Tage ihres plötzlichen Erscheinens in seiner bescheidenen Heimstatt gewesen. Und dieser Überzeugung war er auch noch ein Jahr später, obwohl die übrigen Männer und auch die Weiber aus dem Dorf es anders sahen. Und mit dieser ihrer Meinung hielten sie nicht hinterm Berg, raunten Ulrich auf den schmalen Feldwegen, sobald er ihnen mit seinem Karren entgegenkam, Ermahnungen zu, warnten ihn nach einem jeden Kirchgang oder redeten eindringlich auf ihn ein, wenn er – was selten der Fall war – den Dorfkrug aufsuchte.

Eine Undurchschaubare sei sie, eine Fremde, eine Verteufelte gar, viel zu schön für einen alternden, gebeutelten Mann wie ihn. Ob er sich nie frage, woher sie stamme? Ob er sich nie frage, was sie ausgerechnet auf seinen erbärmlichen Hof getrieben habe? Ob er sich nie frage, was ihr eigentliches Ansinnen sei? So oder ähnlich waren ihre Worte.

Ja, die zweite Frau des Bauern Filzhut war wahrlich kein gewöhnliches Weib, und sie gab sich auch nur wenig Mühe, ihren zweifelhaften Leumund zu verbessern. Zwar benahm sie sich sittsam und war fleißig, aber im Gegensatz zu den anderen Frauen des Dorfes und seiner Umgebung legte sie keinen Wert darauf zu reden. Sie sprach mit kaum jemandem. Wäre sie stumm gewesen, so hätte man ihre Verschwiegenheit verstehen können. Doch sie war nicht stumm, sie konnte sprechen und tat es auch, wenn es um das Nötigste ging. Doch darüber hinaus sagte sie nichts. Kein Wort.

War ihr Verhalten den Menschen im Dorf unheimlich, so erkannte Ulrich in ihrer Zurückhaltung einen Segen. Er liebte sie, hielt sie für einen Engel, eine Himmelsbotin, die ihm niemand anders als seine verstorbene Elsa im Auftrag der Mutter Gottes auf die Erde geschickt hatte, um für ihn, den Witwer, und seine drei Kinder zu sorgen. Und sie sorgte in der Tat gut für sie, war emsig, sauber und sich keiner Arbeit zu schade. Sie kümmerte sich rührend um die Kinder, um das Haus, den Garten, den Stall und das Vieh. Sie kümmerte sich auch um Ulrich, verweigerte sich ihm niemals, war immerzu gütig, lauschte seinem Kummer, seinen Sorgen und betete mit ihm. Nichts, aber auch rein gar nichts gab es an diesem Weib zu beanstanden. Es sei denn, man war interessiert an ihrer Vergangenheit und ihrer Herkunft, über welche sie entschieden den Umhang des ihr eigenen Schweigens hüllte.

Keine sieben Tage hatte Elsa unter der Erde geruht, da war Marie plötzlich aufgetaucht. Elsa hatte lange gelitten, nicht mehr arbeiten können, war rasch dünner und dünner geworden, bis schließlich nur noch ein hohläugiges, mit fahler Haut überzogenes Gerippe in dem kleinen Bett des Bauernhäuschens gelegen hatte. Für alle war es eine Erlösung gewesen, dass Gott sich schließlich ihrer erbarmte und sie zu sich nahm. Dennoch war die Trauer groß und Ulrich noch ganz blass und benommen, als es eines Abends leise an seine Kate geklopft hatte.

Spät war es gewesen, starker Regen war gefallen. Ulrich hatte geglaubt, der Pfarrer erbitte Einlass, um wegen der Seelenmessen anzufragen, von denen sich der arme Bauer lediglich eine einzige würde leisten können. Doch nicht der fettleibige Pfarrer hatte vor der Tür im Regen gestanden, sondern eine durchnässte, zitternde, blutende Frau. Eingehüllt in einen grauen Wollmantel, hatte sie Ulrich aus großen Augen flehentlich angeblickt und war dann auf der Schwelle zusammengebrochen. Er hatte sie aufgehoben und auf sein Lager gebettet, und nachdem sie am folgenden Morgen erwacht war, blieb sie. Sie blieb bei Ulrich und seinen Kindern. Man zahlte dem Grundherrn den Stechgroschen, galt somit als verheiratet und lebte seither in Zufriedenheit beisammen.

Ja, Ulrich fühlte sich zeitweise sogar glücklich in diesem neuen Leben.

Nicht so Marie.

Doch darüber sprach sie nicht.

»Du kannst mich nicht verlassen! Ich werde dich finden!«

Von diesen Worten erwachte sie in nahezu jeder dritten Nacht, wenn sie neben ihrem treuen Ulrich in dessen engem Bettkasten ruhte. Ein Albtraum war es, wiederkehrend und zukunftsweisend, denn Marie glaubte fest daran, dass diese Drohung sich eines Tages erfüllen würde. Dann nämlich, wenn er, der ihr so deutlich in diesem Traume erschien, leibhaftig vor ihr stünde.

Er, der bei ihr gewesen war, seitdem sie hatte denken können. Ihr Ziehvater, ihr Begleiter, ihr eigentlicher Gatte. Mit nur zwei Jahren war sie von ihrer Mutter für ein Stück Speck, ein Ei und einen schmutzigen Taler an ihn verkauft worden. Damals in Köln, zu Füßen des unfertigen Domes, war dies gewesen, als die Mutter sich zusätzlich rücklings in eine Nische des Gotteshauses zwängte und er seinen entblößten Unterleib stoßweise an ihr Hinterteil drückte. Danach hatte er das im Dreck sitzende Kind gegriffen und es mit sich genommen. Marie war bei ihm groß geworden, hatte von ihm einiges gelernt: Seiltanz, Singen, Handlesen, Lügen, Stehlen und sich aus dem Staube machen – auf all das verstand sie sich bereits mit fünf Jahren bestens. In den entferntesten Gegenden kamen sie herum, zu Fuß meist, mitunter auf einem gestohlenen Wagen. Oft wurden sie bespuckt, verjagt, verfolgt, litten unter Hunger, Durst und Kälte, aber dennoch blieben sie am Leben, obwohl Marie sich bereits als Kind häufig gewünscht hatte, sterben zu dürfen.

Doch wirklich schrecklich war es erst geworden, als ihre Brüste zu wachsen begannen und die monatlichen Blutungen einsetzten. An jenem Tage veranstaltete er ein Freudenfest für sie beide, er schmückte Marie mit Blumen, kaufte ein ganzes gebratenes Huhn und ließ es sie allein essen. Nicht einmal mit seinen geliebten zahmen Ratten, die ihm sonst wichtiger waren als jedes menschliche Wesen, hatte sie teilen müssen. In der Nacht dann wurde sie erstmals zu seiner Geliebten. Und blieb es dreizehn schreckliche Jahre lang.

Sie hörte in diesen Jahren auf zu zählen, wie oft er mit ihr zu zwielichtigen Hebammen, alten Zigeunerinnen und anderen Engelmacherinnen ging – je nachdem, wo sie sich gerade befanden, ob auf dem Lande oder in der Stadt –, nein, sie zählte nicht mehr, verdrängte die Schmerzen, die Demütigungen, stumpfte ab und fügte sich.

Dann – sie hatte bereits ihr fünfundzwanzigstes Jahr erreicht – wurde sie uninteressant für ihn. Sie genügte ihm nicht mehr, und er kaufte sich in einem kleinen Dorf bei einer armen Tagelöhnerfamilie ein neues Mädchen. Doch dieses Kind überlebte keine Woche in seiner Gesellschaft, es war nicht so stark, so robust, so stumpf wie Marie. Es starb in Maries Armen, nachdem er es gegen sechs Eier eine ganze Nacht lang an eine im Wald lebende Horde von ausgehungerten Aschenbrennern verliehen hatte.

Mit dem Tod dieses unschuldigen Mädchens sollte sich auch für Marie plötzlich alles ändern. In dem Moment, als sie den leblosen, geschändeten Körper zu Boden gleiten ließ, übermannte es sie – das Leben kehrte mit all seiner Wut und Verzweiflung in ihren ebenfalls geschändeten, aber noch nicht gänzlich toten Leib zurück. Rasend stürmte Marie auf den in der Sonne Schlummernden zu, riss das Messer an sich, welches in seinem Gürtel steckte, und stach blind auf ihn ein. Sie traf ihn überall, sie zerschnitt ihm die Haut im Gesicht, zog die Klinge durch sein rechtes Auge, sie rammte sie in seine Schulter, in seinen Rücken, stach ihn in Arme und Beine. Sie schrie dabei. Und als ihr das Messer aus den blutigen Händen glitt, schlug sie mit den Fäusten auf ihn ein. Erst als sie nicht mehr konnte, als sie völlig außer Atem war, als ihr fast schwindelig und übel vor Erschöpfung wurde, erst da ließ sie von ihm ab.

Doch er war nicht tot. Er lebte, lachte sogar noch, lachte sie an.

Marie meinte damals zum ersten Male in ihm den leibhaftigen Teufel zu erkennen. Ohne den Blick von der unberechenbaren Gestalt abzuwenden, griff sie erneut nach dem am Boden liegenden Messer. Sie war plötzlich ganz ruhig geworden, der Zorn war verraucht, Trauer und Müdigkeit hatten sich ihrer bemächtigt. Dennoch musste es sein. Sie würde diese Sache nun zu einem Ende führen müssen, sonst würde er ihr seinerseits ein Ende bereiten.

Als sie aber zum finalen Streich ausholte, ein letztes Mal zustechen wollte, da konnte sie nicht. Es war ihr nicht mehr möglich, es widerte sie an, ihn, den Wehrlosen, den Verletzten, aber nach wie vor so Mächtigen wieder berühren zu müssen. Entsetzt ließ sie das Messer fallen und taumelte davon.

Er aber raffte sich auf, blickte ihr aus dem verbliebenen Auge in seinem entsetzlich entstellten, blutüberströmten Gesicht nach und rief:

»Du kannst mich nicht verlassen! Ich werde dich finden! Das verspreche ich dir. Du gehörst mir.«

Ein ganzes Jahr war seither vergangen. Marie war damals bis tief in die Nacht hinein um ihr Leben gelaufen, hatte zahlreiche Meilen hinter sich gebracht, und auch am folgenden Tage war sie unermüdlich weitergehastet. Erst am zweiten Abend gönnte sie sich Ruhe. Sie war mehr tot als lebendig, als sie auf die nächstbeste Hütte in einem fremden Dorf zusteuerte und mit letzter Kraft an die Türe des Bauern Ulrich Filzhut schlug.

Und obgleich es Marie von da an besser erging als je zuvor in ihrem Leben, blieb dennoch die Angst. Die Zeit strich ins Land. Genügend Zeit für ihn, um zu genesen, um seine berüchtigte Rachsucht reifen zu lassen, um Nachforschungen anzustellen. Marie kannte ihn nur zu gut. Sie wusste, wie zäh, wie unnachgiebig er war. Er würde seine Drohung wahrmachen, er suchte sie längst. Und bald, da war sich Marie sicher, würde er sie finden. Von da an wäre ihr ruhiges und warmes Leben in der Hütte des Bauern Ulrich, umringt von dessen lebhaften Kindern, vorbei. Dann müsste sie...



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