Spielräume düster konnotierter Transzendenz
E-Book, Deutsch, 335 Seiten, eBook
Reihe: Erlebniswelten
ISBN: 978-3-531-90980-6
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun ist Ordinarius für Medienwissenschaft an der Universität Basel/Schweiz.
Dr. Axel Schmidt ist Assistent am Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel/Schweiz.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Danksagung;9
3;Einleitung;10
4;1 Anlage der Studie;24
4.1;1.1 Szeneethnographie als zentraler methodischer Zugangsmodus;24
4.2;1.2 Forschungslogischer Aufbau der Studie;37
4.3;1.3 Erhebungs- und Auswertungsmethodiken;41
4.4;1.4 Gesamtanlage und Durchführung der Studie;52
5;2 Stand der Forschung;61
5.1;2.1 „Die Symbolik des Todes und des Bösen in der Jugendkultur“ – die Studie von Werner Helsper (1992);63
5.2;2.2 Aktuelle Literatur – die schwarze Szene heute;72
5.3;2.3 Einordnung der Studien in die vorliegende Untersuchung;81
6;3 Die Szene heute;84
6.1;3.1 Feldberichte;84
6.2;3.2 Interviewanalysen;104
7;4 Die ‚schwarze‘ Musik;253
7.1;4.1 Die Wurzeln der dunklen Musik;253
7.2;4.2 Die Genrebildung und -benennung innerhalb der schwarzen Musik;260
7.3;4.3 Abschließende Bemerkung;283
8;5 Fazit: Religion, Identität, Postmoderne, Gothic;284
8.1;5.1 Religionsbegriff;285
8.2;5.2 Religion unter den Bedingungen der Modernisierung;293
8.3;5.3 Gothic – Spielräume düster konnotierter Transzendenz;305
9;Literaturverzeichnis;322
Anlage der Studie.- Stand der Forschung.- Die Szene heute.- Die ‚schwarze ‘Musik.- Fazit: Religion, Identität, Postmoderne, Gothic.
4 Die ‚schwarze‘ Musik (S. 257-258)
Judith Platz
Musik vermag Symbol- und Stilgemeinschaften zu schaffen, dient dem Ausdruck eines jeweiligen Lebensgefühls und ist somit ein wichtiges Bindeglied zwischen Lebensvorstellungen, Interessen und Freizeitverhalten von Jugendszenen. In der klassischen Cultural Studies-Forschung, besonders bei den Arbeiten von John Clarke, Stuart Hall und Dick Hebdigde, und neueren Forschungen zu Jugendkulturen, beispielsweise durch Dieter Baacke und Wilfried Ferchhoff, sind diese Zusammenhänge detailliert herausgearbeitet sowie die Begrifflichkeit der ‚Szene‘ für solche Symbol- und Stilgemeinschaften etabliert worden.
Innerhalb der Gemeinschaft der so genannten ‚Gothic‘-, ,Gruftie‘- oder schlicht ‚schwarzen‘ Szene werden Parties mit entsprechender Beschallung aufgesucht, Konzert- und Festivalbesuche besitzen Eventcharakter zum Treffen Gleichgesinnter und Musikmagazine fungieren als Szene-Organe. Die in der schwarzen Szene gehörten Musikrichtungen sind sehr unterschiedlich in ihrer Ausprägung: Die Palette reicht von zarten Balladen über düstere, schnelle Gitarren-Songs, Mittelaltermusik, Avantgarde, verzerrte Industrial-Sounds und vieles mehr. Die meisten Musikgruppen und Künstler sind allein innerhalb der schwarzen Szene prominent, den Weg in die offiziellen Hitparaden oder den Rundfunk finden nur wenige.
4.1 Die Wurzeln der dunklen Musik
Musikalisch kann Düsternis auf mehrere Arten erzeugt werden: Das bekannteste und wichtigste Mittel ist die Verwendung der Tonart Moll bzw. von Moll- Harmonien. Zur Schaffung einer düsteren, dunklen Atmosphäre können außerdem dienen: der Einsatz von Disharmonien bzw. Dissonanzen, metallischen oder ungewohnt schrägen Klängen, viel Hall und Echo zur Schaffung einer (klang-)räumlichen Unsicherheit und die Betonung des Bassbereiches sowie von Tönen aus tiefen Oktaven gegenüber Höhen bzw. ‚hohen‘ Tönen. Gerne findet sich eine (romantisch-)schwermütige Stimmung in Kompositionen der klassischen E-Musik – ‚ernste Musik’ –, lauscht man beispielsweise Werken von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Richard Wagner oder Gustav Mahler.
Ebenso sind auch in der U-Musik – ‚Unterhaltungs-Musik’ – zahlreiche melancholische Varianten zu finden: Neben der in jeder Musikrichtung üblichen Form der Ballade sei vor allem erinnert an den frühen, wehmütigen Blues der 1930er Jahre (z.B. ‚Delta Blues‘) oder nachfolgende Blues-Varianten (z.B. ‚Slide Guitar Blues‘) und natürlich an das französische Chanson, speziell der 1950er und 1960er Jahre, auch in Zusammenhang mit thematischen Motiven des Existenzialismus. Die zeitlich näher liegenden Wegbereiter für die ‚schwarze Musik‘ waren allerdings in den 1970er Jahren Glam-Rock und Psychedelic-Rock à la King Crimson, Pink Floyd und The Doors.
Auch hier sollen Musik, Styling und Anmutung ein Lebensgefühl ausdrücken. So trifft man auch ganz konkret auf Künstler, deren musikalisches Schaffen als eine Art Initialzündung gewirkt hat: z.B. David Bowie, Kraftwerk, The Velvet Underground oder Bauhaus. Die sich zunächst in der musikalischen Dimension durchgesetzte Belegung mit dem Begriff ‚Gothic‘ kann retrospektiv an bestimmten Äußerungen festgemacht werden: 1978 beschrieb im englischen Fernsehsender BBC der damalige Manager der Band Joy Division, Anthony H. Wilson, deren Sound als ‚Gothic‘.Die Musikerin und Sängerin Siouxsie Sioux verwendete für den neuartigen Stil ihrer Band Siouxsie & The Banshees ebenfalls den Begriff ‚Gothic‘. Diesen übernahmen Musikzeitschriften wie ‚Sounds‘ und ‚New Musical Express‘ dankbar und machten so die ganze Musikrichtung unter diesem Namen populär. Der Ursprung des musikalischen Phänomens ‚Gothic‘ liegt demnach in Großbritannien.