E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MM City
Nestmeyer Marseille MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag
3. Auflage 2024
ISBN: 978-3-96685-329-3
Verlag: Michael Müller Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Individuell reisen mit vielen praktischen Tipps. Inkl. Freischaltcode zur mmtravel® App
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MM City
ISBN: 978-3-96685-329-3
Verlag: Michael Müller Verlag
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Wege durch Marseille Hafenblicke Tour 1 Die Keimzelle und der ideelle Mittelpunkt von Marseille ist der Alte Hafen. An seiner Nordseite steht nicht nur das barocke Rathaus, sondern mit dem MuCEM auch das Symbol für den Wandel der Stadt. MuCEM, futuristischer Museumsbau mit Panoramaterrasse Hôtel de Cabre, ältestes Haus der Stadt La Montée des Accoules, malerische Treppe zum Panier-Viertel Entlang des Vieux Port bis zum MuCEM Nördlich des Vieux Port Mit seinen von Hafenkais eingefassten Rändern bildet der Alte Hafen gewissermaßen den größten Platz der Stadt. An seiner Nordseite gründeten die aus Phokaia stammenden Griechen ihre Kolonie Massalia. Die Griechen hatten den Platz mit Sorgfalt ausgewählt und ihre Stadt an einem hervorragend geschützten, Calanque-ähnlichen Naturhafen errichtet. Der Erfolg sollte ihnen Recht geben. Mehr als zwei Jahrtausende war Marseille einer der größten Warenumschlagplätze am Mittelmeer und zugleich die wichtigste Handelsdrehscheibe Südfrankreichs. Seine Bedeutung als Handelshafen verlor der Vieux Port aber schon im 19. Jh., als im Norden von Marseille ein künstlicher Hafen entstanden war, der vom Meer durch eine parallel zur Küste ausgerichtete Mole geschützt wurde. Heute liegen an den Anlegestegen des Vieux Port ausnahmslos zahllose Privatjachten und ein paar Ausflugsboote. An das Flair vergangener Zeiten erinnert allmorgendlich die kleine Schar der Fischhändler. Marseille hat ein ambivalentes Verhältnis zu seinem Hafen. Auf den Vieux Port gründet sich der Wohlstand und Reichtum der Stadt, doch auch der Tod kam über das Meer. Ein aus Syrien kommendes Schiff mit dem Namen Le Grand Saint Antoine brachte 1720 die Pest mit. Der Kapitän hatte zwar die Hafenverwaltung vor den an Bord befindlichen Kranken gewarnt, doch machten sich einflussreiche Kaufleute für die Umgehung der Quarantäne stark, da sie sehnlichst auf die Fracht des Schiffes warteten. Hafenviertel sind auf der ganzen Welt schlecht beleumundet, einen besonders üblen Ruf hatte aber schon immer jenes von Marseille. In den engen Gassen waren seit jeher Armut, Kriminalität und Prostitution zu Hause. Vor allem zu Beginn des 20. Jh. zeigten sich von Vladimir Nabokov bis zu Ernst Jünger zahlreiche Schriftsteller von dem Gestank und den Geräuschen gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen: streunende Hunde und halbnackte Kinder, die zwischen Müllbergen spielten, während sich hinter den zerschlissenen Gardinen ganze Bootsbesatzungen mit der käuflichen Damenwelt vergnügten. Dann kam der Zweite Weltkrieg: Nachdem die Deutschen in das bis dahin unbesetzte Südfrankreich eingerückt waren, befahl SS-Reichsführer Heinrich Himmler die „Ausräumung dieses französischen Verbrechernestes“ und wies eine „radikale Sprengung“ an. Innerhalb von 17 Tagen wurde im Februar 1943 nach der Evakuierung der Bewohner das gesamte Hafenviertel mit seinen knapp 1500 Häusern in Schutt und Asche gelegt, um dieses „Geschwür“ zu vernichten und eines der ältesten urbanen Siedlungsgebiete Europas in eine Ruinenlandschaft zu verwandeln. Einzig die Hafenfront sparte man aus, doch diese Häuserzeile fiel dann dem planmäßigen Wiederaufbau nach Kriegsende zum Opfer. Aus diesem Grund wird die Nordfront des Vieux Port von fünf lang gestreckten Nachkriegsbauten mit einer durchgehenden Traufhöhe dominiert, die sich durch große Balkone und ein von Arkadengängen geprägtes Erdgeschoss auszeichnen. Es handelt sich um Stahlbetonskelettbauten, deren Fassaden mit Kalkstein verkleidet wurden. Der Architekt Fernand Pouillon war ein Schüler von Auguste Perret, der für den zum UNESCO-Weltkulturerbe geadelten Wiederaufbau von Le Havre verantwortlich war und als Lichtgestalt der französischen Architektur galt. Die Bebauung des Hafennordrands kann als gelungenes Projekt bezeichnet werden, denn es ermöglichte, den Vieux Port wieder als urbane Raumfigur erlebbar zu machen. Der alte Straßenverlauf hinter der Hafenfront ging hingegen vollständig verloren. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt der Quai du Port durch die Umbaumaßnahmen für die Wahl von Marseille zur Europäischen Kulturhauptstadt des Jahres 2013. Spaziergang Direkt bei den Fischhändlern, die am Vormittag ihren Fang in bunten Plastikwannen feilbieten, beginnt die Erkundung des nördlichen Ufers des Vieux Port. Der Quai du Port, der direkt am Nordufer verläuft, wurde weitgehend verkehrsberuhigt, sodass man gemütlich an der Häuserseite oder an der Wasserfront mit direktem Blick auf die Jachten entlangschlendern kann. Die gleichförmigen Häuserfronten im Stil der 1950er-Jahre erinnern daran, dass das Hafenviertel 1943 bis auf wenige Gebäude zerstört wurde. Längst gehören die lichtdurchfluteten Wohnungen mit ihren großen Balkonen aufgrund ihres Hafenblickes zu den begehrtesten und teuersten Wohnlagen der Stadt. Eines der wenigen historischen Bauwerke, die von den Sprengungen verschont geblieben sind, ist das barocke Hôtel de Ville (Rathaus), an dessen gegenüberliegender Seite auch die Hafenfähre anlegt. Rechter Hand führt die kleine Rue de la Prison zur Maison Diamantée, die zu den ältesten Häusern Marseilles gehört. Das stattliche Renaissancepalais, das seinen Namen der in Diamantenform behauenen Fassade verdankt, beherbergte früher das Musée du Vieux Marseille. Heute ist es nur noch von außen zu besichtigen. Die angrenzende Place Jules Verne wurde unlängst mit 26 großen, dekorativen Blumentöpfen mit Olivenbäumen aufgepeppt, die die 26 Jahrhunderte der Stadtgeschichte symbolisieren sollen. Ein gut gewählter Ort, wurden hier doch die Reste eines antiken Schiffes ausgegraben, das im Musée d’Histoire de Marseille zu bewundern ist. Der Freiraum zwischen den Blumentöpfen wird als Restaurantterrasse genutzt und lädt zu einer Pause ein. Ein kleines Stück weiter trifft man im Untergeschoss eines Hauses auf das Musée des Docks Romains mit seinen antiken Funden der einstigen römischen Hafenanlage. Ehedem befand sich hier das im Krieg zerstörte Quartier Saint-Jean mit seinen schmalen Gassen, in dem die einfachen Fischer und Seeleute lebten sowie Prostituierte das Bild prägten. Wir gehen wieder hinunter zum Hafenkai und laufen in Richtung Fort Saint-Jean, eine mächtige Hafenfestung, die auf den Grundmauern eines von den Johannitern errichteten Wehrturms steht. Im Zweiten Weltkrieg war im Fort die Fremdenlegion untergebracht. Der deutsche Industrielle Philip Rosenthal ließ sich hier als Nazigegner im September 1939 von der Fremdenlegion rekrutieren, wurde aber zu seinem Unmut nach Südmarokko geschickt. Nach dem letzten Wohnhaus geht es über mehrere Treppen hinauf zum Vorplatz der Seemannskirche Saint-Laurent, ein sehenswertes Beispiel für den romanisch-provenzalischen Baustil. Direkt hinter der Kirche befindet sich das um einen rechteckigen Platz gruppierte Wohnviertel La Tourette, das in der Nachkriegszeit ebenfalls von dem Architekten Fernand Pouillon geplant worden war. Unterhalb der Kirche befinden sich zwei lang gestreckte, eingeschossige Gebäude, die einst die Consignes Sanitaires beherbergten. Die Aufgabe der Sanitärverwaltung war es, die einlaufenden Schiffe unter Quarantäne zu stellen, um die Bevölkerung Marseilles vor ansteckenden Krankheiten zu schützen. Über eine schmale dunkle Metallfußgängerbrücke erreicht man von Saint-Laurent das MuCEM, das 2013 eröffnete Museum zur Kulturgeschichte Europas und des Mittelmeerraums. Direkt unterhalb der Brücke befindet sich am Quai de la Tourette die in Würfelform errichtete Gedenkstätte Mémorial des Déportations, die an die Todeslager der Nationalsozialisten erinnert. Am Eingang zum MuCEM muss man eine Sicherheitskontrolle passieren, doch ist der Eintritt zum Areal mit den Festungsmauern und den zugehörigen Gartenanlagen ebenso kostenlos wie der Zutritt zur Dachterrasse des Museums, die man über eine weitere spektakuläre Fußgängerbrücke erreicht. Vieux Port Nach einer Besichtigung des MuCEM gehen wir wieder auf demselben Weg über die Brücke zurück zur Kirche Saint-Laurent. Wir folgen der Rue Saint-Laurent - an einem kleinen Abhang rechter Hand befand sich ehedem das griechische Theater - und erkunden mit der Rue Caisserie das historische Hafenviertel bzw. das, was davon noch übrig geblieben ist. Alle Gebäude rechter Hand unterhalb der Straße fielen der deutschen Zerstörungswut zum Opfer, links hinauf zum Panier-Viertel blieb die historische Bausubstanz weitgehend erhalten. In einer Kurve öffnet sich die Straße auf der linken Seite zu einem Platz. Die rechteckige Place de Lenche mit ihren Restaurants markiert wahrscheinlich die Lage des griechischen Marktplatzes, der antiken Agora, südlich davon wurden Reste des griechischen Theaters ausgegraben. Wir laufen weiter geradeaus auf der Rue Caisserie, die zusammen mit der Grand Rue noch heute den Verlauf der antiken...