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E-Book

E-Book, Deutsch, 576 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Nesbø Die Larve

Harry Holes neunter Fall

E-Book, Deutsch, 576 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0071-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Harry Hole ist endgültig aus dem Polizeidienst ausgestiegen und lebt in Hongkong. Doch dann erreicht ihn ein Alarmruf: Oleg, der Sohn seiner großen Liebe Rakel, sitzt im Gefängnis. Angeklagt wegen Mordes an einem Freund. Sämtliche Indizien deuten darauf hin, dass Oleg tatsächlich der Täter ist. Harry Hole glaubt nicht an diese einfache Lösung. Er kehrt nach Oslo zurück, um den wahren Mörder zu finden – und muss sich seiner eigenen Vergangenheit stellen. Entdecken Sie auch MESSER, den neuen großen Kriminalroman um Kommissar Harry Hole!
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Kapitel 8 Siehst du, dass ich blute, Papa? Dass ich dein Scheißblut blute. Und deines, Oleg. Du bist es, für den diese Kirchenglocke jetzt eigentlich läuten sollte. Ich verfluche dich, verfluche den Tag, an dem ich dir begegnet bin. Du warst auf einem Konzert im Spektrum, Judas Priest. Ich hab draußen gewartet und mich dann unter die herausströmenden Menschen gemischt. »Wow, cooles T-Shirt«, sagte ich. »Wo hast du das denn her?« Du hast mich seltsam angesehen. »Aus Amsterdam.« »Echt, du hast in Amsterdam Judas Priest gesehen, wirklich?« »Ja, warum denn nicht?« Ich wusste nicht die Bohne von Judas Priest, bloß, dass es sich um eine Band handelte und der Sänger Rob und irgendwie weiter hieß. »Fett! Priest bringt’s.« Du bist für einen Augenblick erstarrt und hast mich angesehen. Konzentriert, wie ein Tier, das Witterung aufnimmt. Eine Gefahr, eine Beute, ein Sparringspartner. Oder – wie in deinem Fall – möglicherweise ein Seelenverwandter. Man sah dir deine Einsamkeit an. Du hast sie getragen wie einen langen, schweren Mantel. Oleg mit dem gebeugten Rücken und dem schlurfenden Gang. Genau wegen dieser Einsamkeit habe ich dich ausgesucht, gesagt, dass ich dir eine Cola ausgebe, wenn du mir von diesem Amsterdam-Konzert erzählst. Also hast du über Judas Priest geredet, über das Konzert in der Heineken Music Hall zwei Jahre zuvor und über die beiden achtzehn und neunzehn Jahre alten Freunde, die sich mit einem Gewehr erschossen haben, nachdem sie die Priest-Platte mit der versteckten Nachricht »do it« gehört hatten. Nur dass der eine der beiden überlebt hatte. Priest war Heavy Metal, manchmal mit Ausflügen zum Speed Metal. Zwanzig Minuten später hattest du so viel über Goth und Death geredet, dass es an der Zeit war, das Gespräch auf Meth zu bringen. »Komm, gehen wir nach oben auf den Hügel, Oleg. Feiern wir dieses Treffen von uns zwei Zwillingsseelen ein bisschen, oder?« »Wie meinst du das?« »Ich kenne ein paar Leute, die im Park etwas rauchen wollten. Die machen da Party.« »Ja?« Skeptisch. »Keine harten Sachen, nur ein bisschen Ice.« »Ich mach so was nicht, sorry.« »Mann, ich mach das sonst doch auch nicht. Aber ein paar Züge von einer Pfeife können doch nicht schaden. Du und ich. Echtes Ice, nicht diese Pulverscheiße. Genau wie Rob.« Oleg hielt mitten in einem Schluck Cola inne. »Rob?« »Ja.« »Rob Halford?« »Klar. Sein Roadie war bei demselben Kerl Kunde, bei dem ich uns jetzt gleich was hole. Hast du Geld?« Die Worte kamen ganz leicht über meine Lippen, ganz beiläufig, so dass nicht der Anflug von Misstrauen in deinem ernsten Blick zu erkennen war. »Rob Halford raucht Ice?« Er rückte die fünfhundert Kronen heraus, um die ich ihn bat. Dann stand ich auf, forderte ihn auf zu warten und ging. Über die Straße in Richtung Vaterlands bru. Als ich außer Sichtweite war, ging ich nach rechts über die Straße und die dreihundert Meter hinunter in Richtung Hauptbahnhof. Ich dachte, dass ich Oleg fucking Fauke nie wiedersehen würde. Erst als ich mit einer Pfeife im Mund im Tunnel unter den Gleisen saß, kapierte ich, dass ich mich geirrt hatte. Total. Er stand vor mir, ohne ein Wort zu sagen. Lehnte den Rücken an die Wand und ließ sich neben mir zu Boden gleiten. Streckte die Hand aus. Ich gab ihm die Pfeife. Er inhalierte. Hustete. Und streckte die andere Hand aus. »Das Wechselgeld.« Das war die Geburtsstunde des Teams Gusto-Oleg. Jeden Tag, wenn er bei Clas Ohlson fertig war, wo er einen Sommerjob im Lager hatte, gingen wir runter in die Oslo City, die Parks, badeten im Dreckwasser des Mittelalterparks und sahen zu, wie sie rund um das Opernhaus den neuen Stadtteil hochzogen. Wir erzählten uns gegenseitig, was wir alles tun und werden wollten, wohin wir mal reisen wollten, und rauchten und snifften, was wir für sein Sommerjobgeld kriegen konnten. Ich erzählte, dass mein Pflegevater mich rausgeschmissen hatte, weil meine Stiefmutter mich angebaggert hatte. Und du, Oleg, sprachst von einem Typen, mit dem deine Mutter zusammen gewesen war, einem Bullen namens Harry, der angeblich top notch gewesen ist. Das waren deine Worte. Jemand, auf den du dich verlassen konntest. Trotzdem war irgendwie was dazwischengekommen. Erst zwischen ihn und deine Mutter. Dann wart ihr in einen Mordfall hineingezogen worden, an dem er arbeitete. Deine Mutter hatte daraufhin genug und zog mit dir nach Amsterdam. Ich hab gesagt, dass der Typ sicher »top notch« gewesen sei, aber dass so etwas heute niemand mehr sagte. Du meintest daraufhin, dass es ebenso out sei, ständig fucking zu sagen, und dass das eigentlich auch fuck hieße, aber deshalb nicht minder kindisch sei. Überhaupt wolltest du wissen, warum ich so ein blödes Cockney-Norwegisch redete, ich sei ja nicht mal aus dem Osten der Stadt. Ich konnte darauf nur antworten, dass ich gerne übertrieb, dass das so etwas wie ein Lebensprinzip von mir war und »fucking« das irgendwie zeigte. Vielleicht weil es so falsch war, dass es fast schon wieder stimmte. Oleg sah mich an und sagte, ich sei so dermaßen durch den Wind, dass das tatsächlich irgendwie schon wieder passte. Die Sonne schien, und irgendwie war das für mich das Schönste, was mir jemals jemand gesagt hatte. Wir schnorrten zum Spaß auf der Karl Johan, und ich klaute auf dem Rathausplatz ein Skateboard, das wir eine halbe Stunde später am Bahnhof gegen Speed eintauschten. Dann fuhren wir mit dem Schiff zur Hauptinsel, badeten und schnorrten Bier. Ein paar Frauen wollten mich unbedingt auf dem Segelboot ihres Vaters mitnehmen, und du bist vom Mast gesprungen und wärst um ein Haar auf dem Deck aufgeschlagen. An einem anderen Tag fuhren wir mit der Straßenbahn hinauf zum Ekeberg und bewunderten den Sonnenuntergang. Da oben lief gerade der Norway Cup, und ein traurig aussehender Fußballtrainer aus Trøndelag starrte mich so lange an, bis ich sagte, für einen Tausender würde ich ihm einen blasen. Er blätterte mir die Scheine hin, und ich wartete, bis ihm die Hose auf den Knöcheln hing, und lief los. Du hast mir später erzählt, er habe total verloren ausgesehen und sich dir zugewandt, als wollte er dich bitten, den Job zu übernehmen. Jeez, haben wir gelacht! Dieser Sommer ging echt nie zu Ende, bis dann irgendwann doch Schluss war. Wir nutzten deinen letzten Lohn für Joints, die wir in den bleichen, leeren Nachthimmel bliesen. Du wolltest wieder in der Schule anfangen, wolltest Supernoten kriegen und Jura studieren, genau wie deine Mutter. Und dann wolltest du auf die fucking Polizeischule! Wir haben Tränen gelacht. Aber wirklich, als die Schule anfing, habe ich dich immer seltener gesehen. Du wohntest da oben am Holmenkollåsen zusammen mit deiner Mutter, während ich auf einer Matratze in dem Probenraum einer Band kampierte. Die Musiker fanden das ganz in Ordnung, solange ich auf ihre Instrumente aufpasste und nicht da war, wenn sie probten. Also gab ich dich auf, dachte, dass du wieder heile zurück in deinem Streberleben warst. Etwa zu der Zeit habe ich mit dem Dealen angefangen. Eigentlich durch Zufall. Ich hatte eine Frau beklaut, bei der ich die Nacht über gewesen war. Also ging ich runter zum Bahnhof und fragte Tutu, ob er noch etwas Ice hätte. Tutu hatte ein übles Stotterproblem und war der Sklave von Odin, dem Chef der Los Lobos aus Alnabru. Seinen Namen hatte er bekommen, nachdem Odin ihn einmal mit einem Koffer voller Drogengeld nach Italien geschickt hatte. Tutu sollte dort in einem öffentlichen Wettbüro alles auf ein getürktes Spiel setzen. Die Heimmannschaft sollte 2 : 0 gewinnen. Odin hatte Tutu beigebracht, wie man »two-nill« sagte, aber Tutu war so nervös, dass er an der Luke ins Stottern kam, so dass der Buchmacher tu-tu hörte und das auch so vermerkte. Zwei Minuten vor Schluss führte die Heimmannschaft 2 : 0, alles war ruhig, nur Tutu nicht, der gerade auf seinem Teil der Quittung entdeckt hatte, dass er 2 : 2 getippt hatte. Er wusste, dass Odin ihm ins Knie schießen würde. Was das anging, war der Los-Lobos-Chef richtiggehend besessen. Doch dann kam Wendepunkt zwei. Auf der Reservebank der Gästemannschaft saß ein neu eingekaufter polnischer Stürmer, dessen Italienisch ebenso schlecht war wie Tutus Englisch, so dass er nicht verstanden hatte, dass das Spiel abgekartet war. Und als der Trainer ihn einwechselte, tat er, was er für das Richtige hielt und wofür er, wie er glaubte, bezahlt wurde: Er traf ins Netz. Zweimal. Tutu war gerettet. Als Tutu aber am selben Abend in Oslo landete und direkt zu Odin fuhr, um ihm von seinem Riesenglück zu erzählen, war es mit seinem Glück auch schon wieder aus. Er begann nämlich mit den schlechten Neuigkeiten, dass er Scheiße gebaut und das Geld auf das falsche Ergebnis gesetzt habe. Er war dabei so erregt und kam derart ins Stottern, dass Odin die Geduld verlor, den Revolver zückte und – Wendepunkt drei – Tutu...


Frauenlob, Günther
Günther Frauenlob studierte Geografie und ist seit 1993 als freier Übersetzer tätig. Er übersetzt erzählende Literatur und Sachbücher aus dem Norwegischen und Dänischen, zu den von ihm ins Deutsche übertragenen Autoren gehören Jo Nesbø, Lars Mytting, Thomas Enger und Arnhild Lauveng. Er ist Mitglied im Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke, VdÜ, und lebt in Waldkirch.

Nesbø, Jo
Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo.


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