Nerciat Klassiker der Erotik 62: Der Lebemann
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944964-74-4
Verlag: Passion Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
ungekürzt und unzensiert
E-Book, Deutsch, Band 62, 105 Seiten
Reihe: Klassiker der Erotik
ISBN: 978-3-944964-74-4
Verlag: Passion Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieser galante Roman schildert die Liebesabenteuer eines jungen Lebemannes in Paris. Dessen Wahlspruch heißt: liebe alle Frauen!
Und so erliegt eine nach der anderen seinen Verführungskünsten. Reiche Witwen und junge Ehefrauen, schüchterne Mädchen und raffinierte Mätressen sagen "nein" und flüstern "ja" - später im Alkoven. Denn der Lebemann à la mode bedient sich zweier unfehlbarer Methoden: entweder er geht so kühn und dreist vor, dass seine Opfer überrumpelt sind; oder sein Witz und sein Geist veranlassen eine Frau zuerst zum Erröten - und schließlich zur Aufgabe ihrer Sittsamkeit.
Der Autor, bekannt als Meister des erotisch-galanten Romans, zeichnet ein höchst pikantes und sehr treffendes Sittengemälde der französischen Gesellschaft des Ancien Regime.
Autoren/Hrsg.
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Band
1
Mein lieber Despras, was verlangst Du von mir? Weshalb möchtest Du, daß ich Dir in einem wahren Bericht all meine Liebesabenteuer und die stürmische Zeit meiner unbesonnenen Jugend schildere, die ich dazu benutzt habe, um diesem trügerischen und vergänglichen Zustand nachzujagen, den man Glück nennt und der mir immer nur in Spuren zuteil wurde? Wünschst Du, wie Du sagst, all meine Narreteien kennenzulernen? Ohne Zweifel ist es eine große Torheit, sie Dir zu erzählen. Aber Du wünschst es! Na schön! Lerne mich samt all diesen heftigen Leidenschaften und diesen wilden Begierden kennen, denen ich mich nicht widersetzen konnte. Wegen Dir nur greife ich zur Feder. Keineswegs will ich bei Dir mit meinen Vorfahren renommieren. Für Dich ist es unwichtig zu wissen, wer sie gewesen sind. Ich denke nicht so wie der größte Teil der Kavaliere, die zwar stolz sind auf eine große Ahnengalerie, aber an den zukünftigen Nachkommen weniger Interesse haben als an ihren Vorfahren. Ich habe immer geglaubt, daß es besser ist, sich durch eigene Verdienste hervorzuheben und diesen Ruhm auf seine Nachkommen zu übertragen, als ihn sich von seinen Eltern zu borgen. Mein Vater hatte eine führende Stellung in der Stadt XXX inne. Mein ältester Bruder lebte mit seiner Frau in unserem Elternhaus, ein anderer war Offizier im Regiment von XXX. Ein dritter diente bei der Kavallerie und eine Schwester stand vor der Heirat. Das waren die Mitglieder der Familie des Monsieur de Falton. So hieß mein Vater. Ich war sechzehn Jahre alt, als ich die Schule verließ, um nach XXX an die Universität zu gehen, um dort Mathematik zu studieren. Die Reden meiner Kameraden, die Begierden meines Alters, all das sagte mir, daß es auf der Welt ein Glück gab, das mir unbekannt war und das ich nur durch die köstlichste aller Erfahrungen kennenlernen konnte. Dies geschah mit Hilfe einiger Bücher, die man mir lieh. Durch sie erwarb ich mir gewisse Kenntnisse, die unendlich interessanter und mit der Natur mehr in Beziehung standen als das hochtrabende Geschwätz der Algebra, das ich Tag und Tag über mich ergehen lassen mußte. Eines Nachts, nach der Lektüre des Buches „Themidor“, träumte ich von „Rosette“, welche die Hauptfigur darin ist. Durch die schönste aller Illusionen - ich befand mich in den Armen des Gottes des Schlafes - genoß ich Freuden, die einem Liebhaber nur an der Brust seiner Geliebten zuteil werden. Die Erlebnisse eines Traumes sind noch lange danach zu spüren. Tatsächlich genoß ich nach meinem Traum die köstlichen Nachwirkungen der Wollust. Die Liebesfreuden hatten all meine Sinne erregt und riefen bei mir Unruhe und Lust hervor. Stelle Dir vor, ein kräftiger und schlanker Zuchthengst mit feurigem Blick und einem hocherhobenen Kopf, der vor Geilheit hochspringt, entflieht seinem Gestüt. Unter seinen Hufschlägen dröhnt die Erde und die Luft, die er durchschneidet, ist elektrisch geladen. Aus seinen Nüstern schnaubt er Feuer. Beinahe befand ich mich in einem solchen Zustand, als der Chevalier de Nanlo in diesem Augenblick zu mir kam. Nanlo war jener von meinen Kameraden, mit dem ich in sehr enger Freundschaft verbunden sein wollte. Er hatte Erfahrung. Sogleich bemerkte er meine Erregung und fragte mich nach deren Ursache. Ich gestand ihm meinen Traum ein. Er machte sich deshalb über mich lustig und ließ sich von der Meinung nicht abbringen, daß ich den Traum gewollt hatte und daß ich die Ursache dieses Stromes von Wollust, in dem ich auch jetzt noch zu schwimmen schien, keineswegs dem Gott des Schlafes verdankte. Aber die Art und die Naivität meiner Antworten überzeugten ihn schließlich doch, daß ich gar nicht zu dem fähig war, was er mir vorwarf. Dieser gute Kamerad hatte Mitleid mit meiner Unwissenheit und lehrte mich die Kunst, die Rechte der Ehe im voraus ohne Risiko in Anspruch zu nehmen und meinen Traum zu verwirklichen, ohne daß ich die Hilfe des Gottes des Schlafes benötigte. Nanlo war in eine Kostgängerin des Klosters von XXX verliebt und seine Leidenschaft war um vieles heftiger als die, die ihm seine Angebetete entgegenbrachte. Als er die Order erhielt, sich nach Paris zu begeben und dort ein Examen zu machen, war er gezwungen, mir seine Liebe anzuvertrauen und in meine Hände die Interessen seines Herzens zu legen. Er bat mich, seiner Geliebten die Briefe zu bringen, die er an mich für sie schickte und ihm die Briefe zuzuleiten, welche seine Geliebte für ihn schrieb. Von dieser Vereinbarung hatte er sie vorher in Kenntnis gesetzt, als er sie mir vorstellte. Beim Abschied drückte er sie so fest in seine Arme, wie das Klostergitter es erlaubte. Kaum war er in der nächsten Stadt angekommen, da hatte er nichts Eiligeres zu tun, als mir einen Brief für seine liebe Euphrosyne de Therfort zuzuschicken. Dies war der Name seiner Schönen. Da ich die Pflichten der Freundschaft und die Vereinbarung, die ich mit meinem Freund getroffen hatte, genauso erfüllen wollte, eilte ich zu dem Kloster. Nie hätte ich geahnt, daß ich ihm die Zuneigung seiner Freundin nehmen würde. Ja, ich behaupte sogar, daß ich damals keinen Augenblick gezögert hätte, mein Vergnügen seinem Glück zu opfern, wenn ich dies vorausgesehen hätte. Wir beide standen uns gegenüber. Es verschlug mir die Sprache. Auch sie sagte kein Wort. Unsere Augen drückten die Unruhe aus, die wir spürten. Da Schweigen im Sprechzimmer der Nonnen nicht so recht paßte, gab ich der schönen Kostgängerin das Schreiben meines Freundes. Dabei machte ich ihr ein Kompliment, das den Zustand meines Herzens ausdrückte. Ihre Antwort verriet ihre eigene Unruhe. Wenn sie sich auch einiger zärtlicher Worte bediente, als sie mit mir über Nanlo sprach, schienen ihre Augen mich doch zu der Annahme zu berechtigen, daß ihr Interesse nur mir galt. Sie bat mich, am nächsten Tag das Antwortschreiben abzuholen, das sie für den Chevalier abfassen wollte. Ich versprach es ihr und dachte im geheimen an die Liebe, die in mir geweckt wurde. Bald befand ich mich in einer sehr schlimmen Lage und wurde von schrecklichen inneren Kämpfen gequält. Mein Freundschaftsgefühl tadelte alles, was es an Verwerflichem bei meiner beginnenden Leidenschaft gab, doch die Zuneigung und die Reize Euphrosysnes ließen in mir kein Schuldgefühl entstehen. Sollte ich mich, sagte ich zu mir selbst, den Freuden der Liebe hingeben und dadurch das Vertrauen meines Kameraden verlieren? Konnte die Liebe Rechte auf mein Herz geltend machen, welche die Freundschaft hatte? Oh, Liebe hat immer ihre eigenen Rechte, auf die Amor und Venus nie verzichten werden. Sie können ein Herz in Beschlag nehmen und Gefühle der Zärtlichkeit für sich beanspruchen, mit denen die Natur unsere Seele geschmückt hat. Also war ich verliebt, wo doch die Freundschaftsgefühle mich zur Zurückhaltung hätten auf fordern müssen. Aber wir wollen aus unserem Herzen keine Mördergrube machen! Die Stimme der Vernunft ist nun einmal schwächer als der Wunsch nach Befriedigung unserer Leidenschaften. Nur wenige Männer haben sich so sehr unter Kontrolle, daß sie den Reizen einer schönen Frau widerstehen können. Verrät doch schon ein wohlwollender Blick von ihnen, welche Macht sie ausüben können. Ich hatte Mademoiselle de Therfort versprochen, daß ich das Antwortschreiben abholen würde, welches sie dem Chevalier schicken wollte. Diese Gelegenheit schien mir günstig. Ich zog mich besser als sonst an, parfümierte mich und verschönerte mehr als eine Stunde vor dem Spiegel mein attraktives Äußeres, mit dem ich vor dieser Person erscheinen wollte, in die ich mich zum erstenmal in meinem Leben verliebt hatte. In Windeseile führten mich die Sehnsucht und die Hoffnung in das Sprechzimmer. Euphrosyne ließ mich nicht warten. Auch sie hatte an diesem Tag all die Hilfsmittel ihrer Toilette zur Anwendung gebracht, weil sie beabsichtigte, meine Eroberung zu vollenden. Aber wir beide hatten es nicht nötig, uns solcher Hilfsmittel zu bedienen. Unsere Herzen waren zu sehr füreinander geschaffen, ja von Natur aus füreinander bestimmt. Es fehlte nur an einer Gelegenheit, um sie miteinander zu verbinden. Aber jetzt bot sie sich an, und Amor vereinigte sie noch mehr. Ich liebte sie und ich erklärte es ihr. Ich gefiel ihr, dies gestand sie mir ein. Eine zweite Zusammenkunft war deshalb selbstverständlich. Sie war den Interessen des Chevaliers so abträglich, daß er schließlich nach seiner Abreise keine Geliebte mehr hatte. Es war nun an der Zeit, irgendeinen glaubwürdigen Vorwand zu finden, um uns seiner lästigen Aufträge zu entledigen. In jedem seiner Briefe überhäufte er uns mit Lobsprüchen. Euphrosyne, die mehr Erfahrung als ich hatte, übernahm diese Aufgabe. Sie schrieb ihm, ihre Eltern wünschten, daß sie zu ihnen käme. Für ihre Abreise seien alle notwendigen Vorbereitungen schon getroffen worden. Sie schilderte ihm, wie sehr dieses Erlebnis ihre Wünsche durchkreuzte und wie schwer...