Nerciat Klassiker der Erotik 60: Die schöne Cauchoise
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944964-70-6
Verlag: Passion Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
oder die Memoiren einer berühmten Kurtisane
E-Book, Deutsch, Band 60, 74 Seiten
Reihe: Klassiker der Erotik
ISBN: 978-3-944964-70-6
Verlag: Passion Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"Schön wie die Sünde", seufzt der Kavalier, als er das hübsche Bauernmädchen im Salon seiner Tante sieht. Und bald liegt nicht nur er, sonder die Lebewelt von halb Paris zu Füßen der reizenden Couchoise. Sie erhört sie alle: die Herzöge, die Kardinäle, Offiziere, Anwälte - und auch die Kutscher und Lakaien. "Schön zu sein wie die Sünde verpflichtet zur Liebe", meint sie, die sich später Madame Dumoncey nennt und die fortan zu den großen Kurtisanen zählt.
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Einleitung
Das französische Original dieser Memoiren, die hier zum erstenmal ins Deutsche übersetzt vorliegen, erschien 1783. Wenngleich unter Anonymus veröffentlicht, so kann man doch mit großer Wahrscheinlichkeit Andrea de Nerciat als Verfasser annehmen. Das beweisen schon die Hinweise des Autors im Vorspann „An den Leser“, die sich nach unserem Kenntnisstand nur auf Andrea de Nerciat beziehen können. Andrea de Nerciat, geboren 1739, gestorben 1800, führte ein bewegtes Leben. So war er 1780 am Hofe des Landgrafen in Kassel als Theaterdichter und Bibliothekar angestellt. Im Jahre 1782 ist er als Baudirektor beim Prinzen von Hessen, Rheinfelden und Rothenburg tätig, doch war er zeitweise auch Polizeiagent. Später trat er in die Dienste der Stadt Neapel und wurde in Rom von den Franzosen verhaftet. Bald nach seiner Freilassung ist er gestorben. Der Memoiren-Roman „Die schöne Cauchoise“ erzählt den Lebensweg des Bauernmädchens Morantcour aus Caux bei Le Havre. Der Name „Cauchoise“ bedeutet eigentlich „das Mädchen aus Caux“. Später, als sie in Paris eine begehrte Lebedame war, nannte sie sich Dumoncey. Das Werk ist in einer Zeit entstanden, als die Lebewelt in Europa von einer neuen Welle der Syphilis heimgesucht wurde. Das Erlebnis dieser schrecklichen Seuche hat deshalb an vielen Stellen des Romans seine Spuren hinterlassen. Die Heldin wird das Opfer dieser Krankheit und infiziert absichtlich ihre Liebhaber. Ansteckung mit der Syphilis aus Rachsucht war damals in gewissen Kreisen üblich, wie wir aus zahlreichen zeitgenössischen Quellen wissen. Auch die meisten der eingestreuten Gedichte beschäftigen sich mit der Syphilis und deren Folgen. Es mag zunächst seltsam anmuten, daß man über einen solchen Stoff Gedichte schreibt. Aber diese „Syphilis-Gedichte“ haben eine lange literarische Tradition in Europa. Schon im 16. Jahrhundert, kurz nach dem ersten Auftreten dieser Seuche, haben sich in Italien, Frankreich und Deutschland die bedeutendsten Dichter dieses Themas angenommen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts reagierte der absolutistische Staat auf diese neue Welle der Krankheit mit scharfen Maßnahmen, die sich besonders gegen die Dirnen richteten. Nur so ist es verständlich, daß die schöne Cauchoise eine panische Angst hat, ins Hospital eingeliefert zu werden. Der Memoiren-Roman „Die schöne Cauchoise“ ist nicht zuletzt auch wegen der kultur-, sitten- und literaturgeschichtlichen Fakten ein wichtiges Werk der erotischen Literatur. Er beschreibt sehr genau den Zustand der Gesellschaft vor der französischen Revolution. Die Ausschweifungen und das verschwenderische Leben des Adels, der Geistlichkeit, der Finanziers und der reichen Steuerpächter werden durch einzelne Personen plastisch vor Augen geführt. Wenn man liest, daß das Volk den Adel immer mehr haßt, so sind das die Signale der kommenden Revolution. Wohl nur unter dem Schutz der Anonymität konnte der Autor es wagen, die Grausamkeit und Brutalität französischer Gardesoldaten anzuprangern. Sittengeschichtlich bedeutsam sind seine, Mitteilungen über Verbreitung und Ausübung der lesbischen Liebe und Homosexualität, die zusammen mit dem Analverkehr mit Frauen unter dem Begriff „Sodomie“ zusammengefaßt werden. So finden wir in diesem Werk Hinweise, daß man im Analverkehr nicht nur eine lüsterne Variante des Geschlechtsaktes sehen muß, sondern sich dieser Form bediente, um eine Ansteckung mit der Syphilis zu vermeiden. Man muß aber noch hinzufügen, daß der Analverkehr auch zur Empfängnisverhütung diente. Die drastisch-derbe Volksweisheit „Das Glied im Hintern erspart ein Kind“ ist in zahlreichen Variationen Thema französischer und italienischer Sprichwörter. Abgesehen von den Syphilis-Gedichten und der Beschreibung einer Bibliothek, wo eine Orgie stattfindet, ist für die Geschichte der erotischen Literatur auch das Vorwort wichtig. Modern ausgedrückt, könnte man es als eine Literatursoziologie der Erotik bezeichnen. Helmut Werner An den Leser!
Viele unter Euch wenden sich - zuweilen mit Recht - gegen die Schreibwut und die Vielzahl der Bücher. Ja, diese Sucht trieb noch nie solche Blüten. Wir sind tagtäglich ihre Zeugen und unglücklicherweise auch ihre Opfer. Es gibt heute niemanden, besonders nicht unter den jungen Leuten, der nicht Ruhm durch Schreiben erlangen möchte, was auch immer es kostet. Wie gewaltig ist die Zahl der Druckwerke aller Art! Oh, gütiger Gott! Welche Bücher werden jeden Tag gedruckt! Was Denken bedeutet, weiß man nicht! Aber vom Schreiben glaubt man etwas zu verstehen! Man will berühmt werden - aber man macht sich auf diese Weise nur lächerlich. Man gibt vor, seine Vorgänger übertreffen und die gelehrte Welt bereichern zu wollen. Tatsächlich aber macht man sie nur ärmer. Man glaubt ab und zu vielleicht, daß dieser oder jener Autor Talent, Geist und selbst Genie hat, doch zeitigt andererseits die Sucht, sein Geschreibsel drucken zu lassen, nicht verheerende Folgen in den Köpfen vieler junger Leute? Genügt es übrigens, für das Schreiben nur Verstand zu haben? Muß man zuvor nicht wenigstens sein Sprachgefühl bilden, Sinn und Bedeutung von Ausdrücken kennen, zu denken verstehen, Gedanken miteinander verbinden können und, was das Wichtigste ist, seinen Geschmack formen, reinigen und vervollkommnen? Nicht ohne Grund haben deshalb viele Autoren die Schande des Mißerfolges dadurch zu meiden versucht, daß sie ihre Werke unter Pseudonymen erscheinen ließen. Oder es gelang ihnen, ihre Fehler unter dem Schleier eines anderen Namens zu verbergen oder durch dieses Aushängeschild die Neugier der Leser zu wecken. Es wird von einem sehr gebildeten und glaubwürdigen Franzosen berichtet, daß ein deutscher Baron ihm auf seiner Reise im deutschen Reich die Ehre erwies, seine Bibliothek zu betrachten. Sie galt als eine der größten und erlesensten in diesem Land. Wird man mir glauben, daß sie fast ausschließlich aus französischen Büchern bestand, von denen dieser gebildete Mann kaum einen Titel kannte? Der Fremde konnte seine Überraschung nicht unterdrücken und der Besitzer dieser Schatzkammer sein Erstaunen nicht verbergen, denn er hielt den Franzosen schließlich für einen Ignoranten. Nun kann es sein, daß unser Franzose überhaupt nicht wußte, daß solche Bücher in Holland und selbst in Frankreich gedruckt werden, ohne daß man ein einziges Exemplar in Paris verkauft. In ganzen Stößen sieht man sie aber auf den Messen in Leipzig und Frankfurt. Dort hören die einheimischen Buchhändler, die ebenso geschickt wie die unsrigen sind, nicht auf, ihren Kunden zu erzählen, daß diese Werke bei uns sehr beliebt seien und einen großen Erfolg hätten. Dieses Gerede veranlaßt dann die ganze deutsche Nation, sie zu kaufen. Noch eine merkwürdige Tatsache muß ich anführen, die auch über jeden Zweifel erhaben ist. Ein Mann, hinter dem man niemals einen Autor vermutet hätte, erzählte eines Tages einem seiner Freunde unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß er von Zeit zu Zeit auf seine Kosten Romane drucken lasse, die er verfaßt habe. Aber er hüte sich, sie in Paris zu veröffentlichen, wo der Erfolg sehr unsicher sei und sie außerdem den Streichungen durch eine unbarmherzige Zensur ausgesetzt wären. Er habe aber einen einzigartigen Weg gefunden, um auf seine Kosten zu kommen, seinen Ehrgeiz zu befriedigen und sich vor der Armut und der Abhängigkeit eines mittelmäßigen Schriftstellers zu schützen. Man bat ihn inständig, sein Geheimnis mitzuteilen. „Mein lieber Freund“, antwortete er, „ich schicke die ganze Auflage meiner Romane in die Kolonien, so wie man dorthin ganze Ladungen von Waren hinschickt. Ich bekomme dafür Kaffee, Zucker, Kochenillen, Mousseline, Stoffe aus Indien - und das alles veräußere ich mit Gewinn weiter. Das geht so vor sich: Für ein kleines Buch, das mich hier insgesamt höchstens 40 Sou kostet, werden mir je nachdem 100 Sou und sogar 6 Francs bezahlt. Ja, das heiße ich bei einem Geschäft Gewinn machen.“ Unsere besten Schriftsteller mit all ihrem Genie kommen nicht in 100 Jahren auf so ein Geschäft! Und so wie man Bücher für fremde Länder und Kolonien herstellt, so werden solche auch für die verschiedenen Klassen der Leser verfaßt und an sie verkauft. Die Landpfarrer, Mönche, Beamten, Anwälte, Schüler, Kleinbürger, Küster, Arbeiter, Dienstmädchen, das Vorzimmerpersonal, die Köche, Stallknechte, Türsteher und die Dienerschaft - sie alle möchten lesen, sowohl um sich zu amüsieren, als auch, um sich zu bilden. Sie brauchen Bücher, die sie verstehen. Doch glücklicherweise haben wir viele Schriftsteller, die in der Lage sind, gerade nur so viel Geist zu gebrauchen, daß er...