E-Book, Deutsch, 388 Seiten
Reihe: Read! Sport! Love!
Nell Weightless Heart
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-492-98610-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 388 Seiten
Reihe: Read! Sport! Love!
ISBN: 978-3-492-98610-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Kapitel 2
Ich schließe den Reißverschluss meines Parkas und hake mich bei Anna unter, während wir die Sportanlage verlassen und mir der frische Oktoberwind meine Haarsträhnen aus dem Gesicht pustet.
Anna zieht ihre Strickmütze weiter über die Ohren und grüßt Big John, den Captain des Lacrosse-Teams mit einem verführerischen Lächeln.
»Du kannst aber auch von keinem Kerl deine Krallen lassen, oder?«, bemerke ich und muss mir das Lachen verkneifen, als Big John durch die Ablenkung fast gegen einen Laternenmast rennt.
Aus Annas süßem Lächeln wird ein breites Grinsen, gefolgt von einem Schulterzucken. »Ich finde ihn niedlich.«
»Klar. Ihn und Mr. Smith und Ryan und …«
»Und Alex Clark«, schließt sie und zieht aufgeregt an meinem Arm herum. »Er ist der heißeste Typ auf Erden. Unfassbar, dass wir diesen Hottie jetzt zweimal die Woche nur für uns haben.«
Ich seufze und befreie mich aus ihrem Griff, um meinen Geldbeutel aus meiner Sporttasche zu kramen. Nach dem Training halten wir stets beim Campuscafé, das, wie jedes Mal, proppenvoll ist und wir uns in einer langen Schlange anstellen müssen.
»Komm schon.« Anna beugt sich vor und dreht den Kopf so, dass ich ihrem penetranten Blick nicht länger ausweichen kann. »Verarsch mich nicht, Chloe. Du findest Clark genauso heiß wie ich.«
Zwei blonde Mädchen drehen sich mit einem schüchternen Lächeln zu uns um. Sofort tippe ich darauf, dass es Freshmen sind. So verunsichert wie sie wirken, erinnern sie mich daran, wie ich vor einem Jahr am Penfield College ankam. Alles war neu und aufregend und ich irrte den ersten Tag desorientiert über den Campus, der sich als eigene Kleinstadt entpuppte. Ich war heilfroh, als ich am Nachmittag Anna in meinem Zimmer antraf und wir uns auf Anhieb verstanden. Ihre selbstbewusste und gelassene Art beruhigte mich und machte mir den Einstieg in das Studentenleben viel leichter. Max, der gleich neben uns eingezogen war, lernten wir noch am selben Tag kennen. Angeblich hatte er sich in der Tür geirrt und war, ohne anzuklopfen, hineingeplatzt. Anna und ich vermuten bis heute, dass er uns abchecken wollte. Ich weiß noch, dass er irgendeinen dummen Witz riss, über den nur ich lachte und Anna die Augen verdrehte – was sie bis heute ständig macht, wenn wir mit ihm rumhängen. Dabei hat sie ihn, trotz seiner albernen Art, genauso ins Herz geschlossen wie ich.
»Redet ihr etwa von Alexander Clark?«, fragt die kleinere der Mädchen und klimpert so oft mit ihren falschen Wimpern, dass mir schwindelig wird.
»Allerdings. Alex Clark, meine Lieben. Der heiße kanadische Profischwimmer, dessen knackigen Hintern wir jetzt regelmäßig bewundern dürfen.« Anna grinst so triumphierend, als hätte sie einen der wichtigsten Preise der Menschheitsgeschichte gewonnen.
»Oh Gott«, quietscht die andere und beißt sich auf die Unterlippe. »Er studiert also wirklich hier!«
»Ich schwimme total gerne«, flötet ihre Freundin. »Also falls ihr noch Schwimmerinnen braucht, ich …«
»Tut mir leid. Die Mannschaft ist komplett«, unterbreche ich sie und gehe einfach an den Dreien vorbei, die vor lauter Hormonerbrechen nicht mitbekommen, dass sich die Warteschlange in Bewegung gesetzt hat. Es ist wirklich ein Phänomen, dass sich plötzlich so viele Studentinnen für einen Platz in unserem Team interessieren.
»Ah … Chloe. Meine wunderschöne Zimmernachbarin«, begrüßt mich Max, als ich die Theke erreiche. Mit seinem schwarzen Lockenkopf und der weißen Schürze sieht er wie ein französischer Bäckermeister aus.
»Hey, Max. was geht?«, sage ich, schiebe einen Geldschein auf den Tresen und stütze mich mit den Unterarmen auf.
»Viel los halt.« Er nimmt mit einer Zange einen belegten Bagel aus der Auslage und verfrachtet ihn gekonnt in eine braune Papiertüte. Seit Max neben dem Studium im Café ein paar Stunden die Woche jobbt, müssen Anna und ich nicht mal mehr unsere Bestellung aufgeben.
»Wie lief das Training?«
»Super«, murmele ich und weiß, wie wenig überzeugend das klingt.
Max lupft eine Augenbraue und stellt einen Pappbecher unter den Kaffeeautomaten.
»Das klingt ja nicht besonders begeistert. Lass mich raten. Clark, der Superschwimmer, ist ein Trottel?«
Ich seufze als Antwort, weil ich keine Lust mehr habe, über unseren neuen Trainer zu reden. Der Kerl hat mich mit seinen analytischen Blicken dermaßen aus dem Konzept gebracht, dass meine Knie auf dem Startblock weich wie warme Butter wurden und ich keinen Schwimmzug sauber ausführen konnte. Meine Zeit auf der Kurzstrecke war erbärmlich. Alex’ skeptischer Blick, als er von der Stoppuhr in meine Richtung sah, war eine echte Demütigung.
»Er ist kein Trottel, Max. Sondern ein gottähnliches Wesen«, verbessert ihn Anna, die es mir gleichtut und sich auf die Theke lehnt.
»Hallo, Anna, meine wunderschöne Zimmernachbarin«, säuselt Max und nimmt grinsend ihren Geldschein entgegen.
»Hey. Ich dachte, das bin ich?«
Max presst die Lippen aufeinander und macht ein verzweifeltes Gesicht. »Wie soll ich mich zwischen euch Schönheiten entscheiden?«
Anna zischt und inspiziert ihre Fingernägel. Ich verdrehe nur die Augen, weil es offensichtlich ist, für wen sich jeder Typ dieses Planeten entscheiden würde. Anna ist eine Augenweide. Blond, graue Augen, Schmollmund, lange Beine und eine Oberweite, die selbst in den engen Badeanzügen noch was hermacht. Ganz im Gegensatz zu mir, wobei ich mich eigentlich okay finde. Ich mag das dunkle Braun meiner Haare, meine großen Rehaugen und durch das Schwimmen bin ich gut in Form. Aber anders als Anna mache ich mir nicht viel aus Make-up oder trendigen Klamotten. Ich falle nicht gerne auf, mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen und auf Partys mit Kerlen zu flirten. So war es schon immer, auch vor meiner Collegezeit. Das war immer in Ordnung für mich. Aber aus irgendeinem Grund glaubte ich, mit dem Beginn meiner Studienzeit würde ein neues Leben starten. Ein neuer, aufregender Lebensabschnitt, den ich auskosten muss. Vielleicht war genau das der Grund, weshalb ich mich auf Owen eingelassen habe. Zu dem Zeitpunkt fühlte es sich unglaublich aufregend an. Dabei hätte ich wissen müssen, dass ich kein Typ für solche oberflächlichen Spielchen bin. Ich hätte ahnen müssen, wie es endet.
Seitdem halte ich noch mehr Abstand zu Männern als zuvor.
»Träum weiter, Maxwell« zischt Anna. »Ich stehe nicht zur Wahl. Auch nicht, wenn es um deine dreckigen Dreierfantasien geht.«
Max’ hoffnungsvoller Blick zuckt zu mir und ich kann nicht anders, als zu lachen. »Du bist ein Idiot.«
»Aber ein süßer, oder?«
»Taylor, hör auf mit den Ladys zu flirten und sieh zu! Ich will meinen Kaffee!«, schnauzt Steven, einer unserer Kommilitonen vom Ende der Warteschlange.
»Heute Abend wieder Pizza im Diner?«, frage ich, greife nach meinem Kaffee und sehe zwischen meinen Freunden hin und her.
»Klar. Wie immer.« Max lächelt schief. Er ist so ein netter Kerl. Ich kann mir keinen besseren Kumpel vorstellen und verstehe nicht, warum er keine Freundin hat. Er ist zielstrebig, lieb und er bringt einen zum Lachen. Soweit ich weiß, ist er nach den Dates mit Cindy Richeston mit niemandem mehr ausgegangen. Andererseits arbeitet er viel und muss in der wenigen Freizeit den ganzen Lernstoff aufholen.
»Aber nur unter der Bedingung, dass Max keine Pizza mit Meeresfrüchten bestellt.« Anna rümpft die Nase und schüttelt sich. »Da vergeht einem der Appetit. Welcher Mensch isst so was Ekelhaftes?«
Plötzlich steht Steven neben uns. Zwar brummeln und murmeln die Wartenden genervt, aber niemand traut sich, sich über sein Vordrängeln zu beschweren. Steven ist ein kantiger, einschüchternder Typ mit kurz geschorenen Haaren, Tattoos bis zum Hals und einem dreckigen Grinsen.
»Wenn du endlich mal mit mir ausgehen würdest, Anna, dann würde ich dich in ein ganz anderes Lokal ausführen als in das billige Campusdiner.«
»Danke, Steven. Kein Interesse«, gibt meine Freundin unbeeindruckt zurück, schnappt sich ebenfalls ihre Bestellung und geht mit einem aufreizenden Hüftschwung, der pures Selbstbewusstsein ausstrahlt.
»Fuck, ich liebe störrische Frauen«, murmelt Steven. Lüstern schaut er Anna hinterher.
»Macht’s gut, Leute.« Ich lächle Max noch schnell zu, bevor ich Anna nach draußen folge.
Wir laufen ein Stück geradeaus, am Supermarkt und Diner vorbei, welcher erst wieder am späten Nachmittag öffnet. Ein paar Schritte weiter biegen wir nach links zu unserem Wohnheim ab, das von großflächigen, kurz geschnitten Rasenflächen umgeben ist. Dort beginnen auch die schicken Apartmentblocks, die im Gegensatz zu der grau gemauerten Fassade unseres Wohnheimes eindeutig einladender wirken und den Studenten mit spendablen Eltern vorbehalten sind. Oder arroganten Ex-Profischwimmer …
»Hast du dir eigentlich überlegt, was du wegen des Remembrance Day machen willst?«, fragt Anna und beißt in ihren Bagel. Sie hält es nie aus, mit dem Essen zu warten, bis wir das Wohnheim erreichen.
»Ich denke, ich bleibe einfach hier, vertilge einen Haufen Fast Food und sehe von Freitag bis Montag Serien.«
»Du glaubst nicht, wie gerne ich das lieber täte, als zu meiner nervigen Familie zu fahren und im Klatschmohn-Look durch die Straßen zu ziehen«, meint sie und schenkt mir ein warmes Lächeln. »Du weißt, die Einladung steht. Meine Eltern würden sich freuen, dich mal kennenzulernen und du -«
»Es ist okay, Anna. Ich komme schon klar.« Ich lächle, obwohl ich weiß, dass dies gelogen ist. Natürlich würde ich das lange Wochenende lieber zu Hause verbringen. Der Remembrance Day oder auch Poppy Day wird am elften November gefeiert und ist ein wichtiger Feiertag...