E-Book, Deutsch, 250 Seiten
Reihe: Piper Gefühlvoll
Nell Insta Love - Nur perfekt ist gut genug
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-98648-9
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 250 Seiten
Reihe: Piper Gefühlvoll
ISBN: 978-3-492-98648-9
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tine Nell lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in einem Dorf in der Nähe von Siegen, wo sie Tage und Nächte mit Schreiben und Lesen verbringt. Neben dem Schreiben von New Adult-Romanen begeistert sie die Poesie und so begann sie, ihre Poetry Slam-Texte auf regionalen Bühnen und ihrem Youtube-Kanal mit anderen zu teilen. Sie liebt Kaffee, die Stille, das Meer und wenn aus Gedanken eine Geschichte entsteht.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Sie glaubte, er wäre ihr Fels. Dabei war er nur der Wind, der sie streifte.
Debbi sieht mich mit diesem mitleidigen Blick an, der mir seit der Trennung von Dan zu oft geschenkt wird. Von meinen Modelkollegen aus der Agentur, von Mike, meinem Manager, und selbst von dem schmächtigen Typ, der vor ein paar Minuten die Kleiderständer mit den Bikinis in unseren Umkleidebereich geschoben hat.
Ich stöhne und schäle mich aus meinem Kleid.
Der Deckenventilator dreht sich im Akkord, dennoch bringt er bei gefühlten vierzig Grad Innentemperatur keine Abkühlung. Das Team des Labels hat sich Mühe gegeben, uns einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen. Neben Getränken, Obst und einigen Snacks liegen akkurat gefaltete Satin-Bademäntel für uns bereit.
»Wir sind in Miami. Wie kommt man auf die Idee, im Hochsommer seine Badekollektion in einer Fabrikhalle zu shooten?« Ich trete hinter Debbi an den Spiegel des Schminktisches und wische mir mit einem Kosmetiktuch den Schweißfilm von der Stirn. Fahrig reibe ich über mein restliches Gesicht, bis die Haut rot gereizt ist und der Visagist mir gleich mit Sicherheit eine extra Schicht Make-up auflegen wird. Das frustrierte Schnauben gibt es extra dazu. Ich weiß, wie undankbar ich mich verhalte. Dennoch gehen seit Wochen die Emotionen mit mir durch. Ich fühle mich wie fremdgesteuert. Bin nicht ich selbst.
»Wenn du mit dieser Laune gleich am Set auftauchst, dreht dir Mike den Hals um«, warnt mich Debbi. Unsere Blicke begegnen sich im Spiegel.
Debbis volle Lippen verziehen sich zu einem breiten Lächeln und endlich sieht mich meine beste Freundin nicht mehr so an, als wäre ich ein ausgesetztes Katzenbaby. Mit nur drei Beinen. Im strömenden Regen. »Außerdem ist es Indah, Süße. Das Label wird momentan total gehyped.« Sie lehnt sich im Stuhl zurück und schlägt ihre langen Beine übereinander. »Bei deiner ersten Fotostrecke auf Hawaii war es bestimmt tausendmal heißer. Wie hieß die Bucht? Hakuna Matata, oder so was?«
Ich wende mich abrupt von ihrem Spiegelbild ab und fummele an dem Verschluss meines Armbandes herum. Dan hat es mir zu meinem vierundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Er hat es extra anfertigen lassen und mit Sicherheit ein Vermögen dafür hingeblättert. Es ist schmalgliedrig und umfasst einen kleinen, türkisfarbenen Diamanten. Dan meinte, dass er für das Meer steht – unser Meer rund um Hawaii, wo wir uns bei diesem Shooting zum ersten Mal begegnet sind. Damals kannte ich Debbi noch nicht. Sie kann also nicht wissen, dass sie mit dem Namen der Bucht Erinnerungen heraufbeschwört, die ich nur noch vergessen möchte.
Das Armband ist eines der wenigen Dinge, die wir nicht mit der Welt geteilt haben. Ich weiß nicht, wie oft ich es die letzten Wochen über die Kloschüsseln irgendwelcher Hotels gehalten habe, um es doch wieder anzulegen und mich wie eine Versagerin zu fühlen.
»Jules?«
Ich verstaue das Armband sorgfältig in meiner Handtasche und lege sie zurück auf den Schminktisch. Ohne Debbis Blick zu erwidern, murmele ich: »Die Bucht heißt Hanauma.«
Meine Stimme klingt heiser und die letzte Silbe ist kaum zu hören. Es nervt, wie wenig ich meine Emotionen unter Kontrolle habe, sobald ich an ihn denke.
Debbi schlüpft in ihre Sandalen, steht auf und legt einen Arm um mich. Sie hat weiche Gesichtszüge, hohe Wangenknochen und dunkle, mandelförmige Augen. Sie ist ein ganzes Stück größer als ich, was bei meinen Eins fünfundsiebzig in meinem früheren Leben selten vorkam, in der Modelwelt aber ein Kinderspiel ist. Hier zähle ich zu den Zwergen, weshalb mich viele Kunden vor meinem großen Durchbruch abgelehnt haben. Seit dem gemeinsamen Shooting mit Dan kann ich mich vor Angeboten allerdings kaum retten. Ein weiterer Punkt, der mich wahnsinnig und es mir unmöglich macht, ihn zu vergessen.
Ohne Dan würde ich nicht als erfolgreiches Bikinimodel arbeiten.
Dabei war dies nie mein Plan gewesen. Wenn mich meine jüngere Schwester Elli nicht aus Spaß zu diesem Casting an unserem Strand in South Carolina geschleppt hätte, würde ich … tja. Keine Ahnung, wo ich jetzt wäre. Ich hatte damals angefangen, an unserem College Psychologie zu studieren, jedoch schnell gemerkt, dass es wider Erwarten nicht mein Fall war. Dieses Eingeständnis tat weh. Durch das Casting hatte sich eine Chance ergeben und mir eine neue Perspektive eröffnet. Es machte Spaß, in die Rolle der sexy Frau zu schlüpfen, auch wenn ich während der ersten Shootings keinen Schimmer hatte, was ich tat. Doch ich hatte Erfolg. Ein Agent wurde während eines Shootings auf mich aufmerksam und nahm mich unter Vertrag. So kam alles ins Rollen und mein neuer Traum war geboren. Aber ich lernte schnell, wie verdammt hart das Business war. Und wie viel schwerer, in einem Haufen von falschen Menschen gute Seelen zu finden. Debbi ist eine davon.
»Süße, das kann nicht so weitergehen mit dir. Sag mir, wie ich die alte Jules zurückhole.«
Ich lehne mich an ihre Schulter und versuche ein Seufzen zu unterdrücken. »Mir geht es gut.«
»Klar. Du bist das blühende Leben.« Sie streicht in einem beruhigenden Rhythmus über meinen Oberarm und ich wünschte für einen Moment, die Zeit anzuhalten. »Und dieser Mistkerl tut im Netz so, als wäre nichts passiert.«
Ich erstarre und hebe langsam den Kopf. Sofort erfasst mich ein beklemmendes Gefühl. »Hat … hat er etwas gepostet?«
Wie ertappt presst Debbi die Lippen aufeinander und klemmt sich ihre braunen Haare hinter die Ohren, die ihr seidig über die Schultern fallen. Sie hat einen ähnlich sonnengebräunten Teint wie ich und einen sportlichen Körper. Ansonsten sind wir vollkommen unterschiedlich. Und das nicht nur wegen meiner blonden Haare und blauen Augen. Auch charakterlich sind wir gegensätzlich. Debbi ist impulsiv und voller Power, ich die Ruhesuchende, die auch gerne schweigt. Vielleicht ist es gerade der Gegensatz, der uns so zusammenschweißt. Wir freuen uns jedes Mal wie kleine Mädchen, wenn wir gemeinsam gebucht werden. Normalerweise. Wenn ich nicht den sentimentalen Trauerkloß mime.
»Tut mir leid. Ist mir rausgerutscht«, flüstert meine Freundin, als würden mich laute Worte verletzen. »Du willst ja nichts mehr von ihm wissen und ich …«
Ich starre sie weiter an, hin- und hergerissen zwischen der schmerzenden Neugier und der Angst, Dinge zu erfahren, die mir den Rest geben. Die Entscheidung, Dan zu verlassen, war längst überfällig. Wir waren schon lange nicht mehr das Traumpaar, welches wir auf den Fotos darstellten. Die Einzige, die für unsere Beziehung gekämpft hat, war ich.
»Story oder Foto?«, frage ich schlicht und versuche, unbeeindruckt zu klingen. Ich will nicht mehr, dass die Gedanken an ihn Macht über mich ausüben.
Nach der Trennung waren die Reaktionen unserer Follower allerdings heftig. Es dauerte Tage, bis ich es wagte, einen Blick auf mein Profil zu werfen.
Alle waren geschockt, dass Dan und ich, das sexy Instagram-Traumpaar, welches um die Welt jettete und seinen aufregenden Lifestyle mit der Welt teilte, nicht länger existierte.
»Foto«, antwortet Debbi verzögert.
Ich schlucke schwer, aber dieser riesige Kloß, der in meinem Hals steckt, bewegt sich nicht vom Fleck.
»Mit ihr?« Die Worte brennen auf meiner Zunge wie pures Chilipulver.
Debbi nickt betreten. »Er ist ein Idiot, Jules.«
»Zeig es mir«, wiederhole ich und hebe entschlossen das Kinn.
»Ich glaube nicht, dass du dir das geben solltest«, gibt sie zu bedenken.
»Zeig es mir, Debbi.«
Sie seufzt, zerrt dann aber ihr Smartphone aus der Hosentasche ihrer knappen Jeansshorts.
Als sie es mir wortlos unter die Nase hält, schlägt mein Herz schnell und hart gegen meinen Brustkorb.
Es ist sechs Wochen her. Sechs Wochen, seit ich Dan verlassen habe. Und er postet ein Foto von sich und Mila. Es ist ein Schnappschuss, vermutlich auf einer Party geschossen. Dan grinst und hält sie im Arm, genauso, wie er mich immer gehalten hat. Als wäre es das Normalste der Welt – als hätte er mich nicht mit ihr, seiner Ex-Freundin, betrogen und mir mein Herz zermalmt.
»Sie sieht wie ein Flittchen aus«, höre ich Debbi sagen. »Dieses rote Kleid ist furchtbar und die Ohrringe sind geschmacklos.«
»Schon okay.« Ich räuspere mich mehrmals, in dem Versuch, die Fassung zu wahren. Es ist lieb von Debbi, dass sie mir beisteht, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Mila an Dans Seite fantastisch aussieht. Dans blonde Locken verhaken sich in ihren dunklen Strähnen, so dicht stehen sie beieinander.
»Ich komme damit klar«, erwidere ich emotionslos. Vielleicht kauft mir Debbi diese Lüge irgendwann ab.
Debbi seufzt, steckt das Smartphone zurück und nimmt mein Gesicht zwischen ihre Hände, die sich angenehm kühl auf meinen heißen Wangen anfühlen. »Vergiss den Typen endlich. Du hast etwas Besseres verdient.«
In dem Moment kommt eine rothaarige Frau ins Zimmer gepoltert. Unzählige goldene Ketten baumeln um ihren Hals. Eine ganze Mannschaft von Leuten folgt ihr, die mit Schminkkoffern, Lockenstäben und Haarspraydosen beladen sind. Sie ist klein und zierlich, besitzt aber eine Ausstrahlung, die sie wichtig wirken lässt. Ihre Augen scannen binnen Sekunden Debbi und mich, danach die provisorisch eingerichtete Umkleide und wieder mich. Auf ihrer Stirn bildet sich eine Falte. Mit Sicherheit fällt ihr auf, wie rot meine Haut und wie verquollen meine Augen sind.
»Oh mein Gott, ihr seht umwerfend aus«, ruft sie dennoch aus. Die Falte verschwindet, als sie uns ein Lächeln schenkt und flüchtige Wangenküsse an Debbi und mich verteilt. »Ich bin Lizzy und organisiere heute das Shooting.« Sie deutet auf die...