E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: BLV Jagdpraxis
Neitzel Jagd mit Schalldämpfer
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96747-049-9
Verlag: BLV ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Grundlagen, Technik und Praxis
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: BLV Jagdpraxis
ISBN: 978-3-96747-049-9
Verlag: BLV ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Christian Neitzel ist Jäger und Waffensachverständiger und schreibt als freier Journalist. Sein Schwerpunktthema Schalldämpfer hat neben einer Reihe an Veröffentlichungen in Jagdzeitschriften auch zu einer Vielzahl von durchgeführten Seminaren, Vorträgen und Workshops für Forstämter, Behörden und interessierte Jäger geführt. Dr. Neitzel ist Unfallchirurg und Sanitätsoffizier der Bundeswehr. Darüber hinaus ist er als Schießlehrer tätig.
Autoren/Hrsg.
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Impressum
Wichtiger Hinweis
Vorwort zu dieser Ausgabe
Geleitwort zu dieser Ausgabe
Kapitel 1: Jagen ohne Lärm
Kapitel 2: Lärm
Kapitel 3: Lärmschäden
Kapitel 4: Schusslärm
Kapitel 5: Der schallgedämpfte Schuss
Kapitel 6: Gehörschutz
Kapitel 7: Wirkungsprinzipien von Schalldämpfern
Kapitel 8: Konstruktionsprinzipien von Schalldämpfern
Kapitel 9: Vorteile von Schalldämpfern
Kapitel 10: Nachteile von Schalldämpfern
Kapitel 11: Mündungsgewinde
Kapitel 12: Pflege von Schalldämpfern
Kapitel 13: Schalldämpfer für Büchsen
Kapitel 14: Schalldämpfer für Selbstladebüchsen
Kapitel 15: Schallgedämpfte Flinten
Kapitel 16: Schalldämpfer für andere Waffen
Kapitel 17: Unterschallmunition
Kapitel 18: Jagdpraxis
Kapitel 19: Jagd mit Hund
Kapitel 20: Waffenrecht
Kapitel 21: Jagdrecht
Kapitel 22: Arbeitsschutzrecht
Kapitel 23: Graubereich
Kapitel 24: Messung von Schusslärm
Quellen
Über den Autor
Jagen ohne Lärm
»Die Rache der Rehe« nannte ein Förster einmal seinen ausgeprägten Gehörschaden. Die vielen ungeschützten Schüsse gehen leider nicht schadlos am Ohr vorbei.
Der beim Schießen mit schalenwildtauglichen Patronen entstehende Lärm erreicht am Ohr des Schützen regelmäßig Schalldruckpegel von über 150 Dezibel (dB). Der auf das Ohr einwirkende Schalldruck ist damit etwa 300-mal so hoch wie bei einem Presslufthammer in 1 m Entfernung! Weil das Geräusch nur von sehr kurzer Dauer ist und die Aufmerksamkeit auf das zu erlegende Stück fokussiert ist, wird die Lautstärke regelmäßig erheblich unterschätzt. Dieses Phänomen erklärt, warum der Schussknall bei der Jagdausübung als wenig störend empfunden wird, während auf dem Schießstand freiwillig Gehörschutz getragen wird. Der extreme Lärm ist in beiden Situationen jedoch gleich groß und schädigt unser Innenohr unausweichlich. Auch wenn ein einzelner Schuss nicht zur Ertaubung führt, werden jedes Mal Haarzellen des Innenohres zerstört. Diese sind für die Wahrnehmung von Geräuschen zuständig. Gehen sie zugrunde, kann der Körper sie nicht ersetzen.
Jeder einzelne Schuss ohne Gehörschutz leistet damit den bekanntesten Krankheiten des Jägers, Tinnitus und Schwerhörigkeit, einen erheblichen Vorschub.
Was lange Jahre völlig unterschätzt und belächelt worden ist, wurde glücklicherweise in den letzten Jahren zunehmend ernst genommen. Immer häufiger hat man daher vor der zunehmenden Verbreitung von Schall- dämpfern jede Art von Gehörschützern bei Jägern auch bei der Jagdausübung gesehen und nicht nur ausschließlich auf der Schießbahn – eine längst fällige und sehr positive Entwicklung! Leider bringt es eine Reihe von Nachteilen mit sich, eine Dämmschicht zwischen sein Hörorgan und die Umwelt zu legen. Der bedeutendste ist die deutlich verschlechterte Wahrnehmung von Geräuschen. Aber selbst fortschrittliche Produkte wie z. B. der Aktivgehörschutz schränken die Fähigkeit zur Geräuschortung ein und sind bei Pirsch oder Nachsuche nur sehr eingeschränkt brauchbar. Alle Gehörschutzarten können zudem nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie korrekt angelegt werden. Schlechter Sitz, Bart oder Brille bilden Lärmbrücken und verschlechtern die vom Hersteller angegebene Dämmwirkung. Und zu guter Letzt muss der Gehörschutz auch tatsächlich vor dem Schuss angelegt werden.
Was im ersten Moment nach einer zu belächelnden Binsenweisheit klingt, erlangt im Alltag schnell eine relevante Bedeutung. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber beim Arbeitsschutz die Prämisse erlassen, dass Gefahren für die körperliche Unversehrtheit immer an der Quelle zu bekämpfen sind, um sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Erst wenn alle technischen und organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, darf auf persönliche Schutzausrüstung ausgewichen werden. Dadurch wird die Gesundheitsgefährdung auch dann minimiert, wenn der Gehörschutz z. B. vergessen wurde oder verrutscht ist. Der Arbeitsschutz ist mit dieser gesetzlichen Vorgabe ganz nebenbei ein wesentlicher Motor dafür gewesen, Schalldämpfer in Deutschland salonfähig zu machen. Nachdem man 2012 darauf aufmerksam geworden war, dass die entsprechenden Lärmgrenzwerte bei Beschäftigten mit der Jagdausübung als Dienstaufgabe weit überschritten werden und damit eine technische Dämpfung an der Quelle notwendig machen, wurde in den folgenden Jahren eine bundesweite Diskussion zum Thema »Arbeitsschutz mit Schalldämpfern« angestoßen. Sie hat dazu geführt, dass quer durch die BRD eine große Anzahl von Förstern und Berufsjägern unter Berufung auf die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung ihre Ohren durch die Verwendung von Schalldämpfern schützen konnten. Dies machte Schalldämpfer in der Fläche bekannt und half erheblich dabei, Berührungsängste bei der Jägerschaft abzubauen. Dem wachsenden Interesse folgten dann mehrere Bundesländer: Bayern und Brandenburg, später auch Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erteilten eine generelle Freigabe von Schalldämpfern für alle Jäger. Mit der Novellierung des Waffengesetzes 2020 stellte der Gesetzgeber jetzt auf Bundesebene klar, dass der Erwerb von Schalldämpfern für Langwaffen durch Jäger grundsätzlich ohne weiteren Bedürfnisnachweis erlaubt ist. Ein absoluter Paradigmenwechsel innerhalb von nicht einmal zehn Jahren, denn vorher war die Genehmigungspraxis extrem restriktiv und Schalldämpfer in Jägerhand waren eine äußerst seltene Ausnahme!
Obwohl ich immer versucht habe, meine Ohren bei der Jagd konsequent zu schützen, war das nicht durchgehend erfolgreich. Bei Drückjagden mit Stand im dichten Bewuchs ist selbst ein Aktivgehörschutz oftmals ebenso störend wie bei Pirsch oder Nachsuche. Besonders ärgerlich sind aber Situationen, in denen der Schutz der Ohren schlichtweg vergessen wird. Ein mir schmerzhaft im Gedächtnis gebliebenes Erlebnis stellte der Ansitz auf einer Leiter an einer Feld-Wald-Kante in der Mark Brandenburg dar. Die seinerzeit von mir geführte Repetierbüchse in 8 x 68 S mit Mündungsbremse war nicht nur ausgesprochen präzise, sondern aufgrund des infernalischen Lärms auch ohne Gehörschutz nicht zu schießen. Um durch den immer wieder in Böen wehenden Wind nicht zu sehr irritiert zu werden, hatte ich den aktiven Kapselgehörschutz nur oberhalb der Ohren auf den Kopf gesetzt, um ihn dann bei Bedarf richtig positionieren zu können. Als ein Schmalreh keine 20 m entfernt vor der Leiter austrat, war es keine bewusste Entscheidung, zugunsten von möglichst wenig Bewegung auf die richtige Positionierung des Gehörschutzes zu verzichten. Es war vielmehr banales Jagdfieber, das jeden Gedanken an meine Ohren verdrängte. Im gleichen Moment, als das Stück im Feuer zusammenbrach, setzte schlagartig ein schmerzhaftes Pfeifen im linken Ohr ein, das eine gefühlte Ewigkeit lang anhielt. Dieser Vorfall sorgte bei mir für eine nachhaltige Sensibilität gegenüber dem Thema.
Als ich im Rahmen meiner dienstlichen Tätigkeit später das erste Mal Schalldämpfer in der Praxis erlebte, war mein technisches Interesse geweckt. Entgegen meiner Erwartung, kaum mehr als ein »Plopp« vom Schuss zu hören, blieb ein weithin hörbarer Knall bestehen. Das machte mich neugierig und führte zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema. Es stellte sich allerdings als unerwartet schwierig heraus, Fakten über Schalldämpfer zu sammeln. Die verfügbare Literatur beschränkte sich auf wenige Bücher, die teilweise vergriffen und nur selten aus zweiter Hand zu stolzen Preisen zu erwerben waren (? Abb. 1.1 >).
Es zeigte sich schnell, dass Schalldämpfer wenig mit dem gemein hatten, was man üblicherweise mit ihnen in Verbindung bringt. Die vermeintlichen »Flüstertüten« schafften es aber, den auf das Ohr des Schützen einwirkenden Lärm in einer Größenordnung von über 20 dB zu reduzieren. Damit ließ sich der Schalldruckpegel von über 150 dB am Ohr des Schützen deutlich verringern. Wirken Geräusche mit einem Schalldruckpegel von unter 140 dB nur sehr vereinzelt und mit kurzer Dauer auf das Gehör ein, wird keine massive Schädigung mehr erwartet. Dies machte schnell klar, dass Schalldämpfer ein ideales Hilfsmittel sind, um nicht nur die Gefahr von Gehörschäden bei der Jagdausübung zu verringern, sondern auch die natürliche Wahrnehmung der Umgebungsgeräusche in vollem Umfang erhalten zu können.
Abb. 1.1: Die wichtigsten Bücher über Schalldämpfer. »Mythos Schalldämpfer« und »Schalldämpfer. Geschichte, Technik, Modelle« sind leider nur noch antiquarisch zu erhalten.
Darüber hinaus bieten sie noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile: Sie reduzieren nicht nur den Rückstoß erheblich und schlucken das Mündungsfeuer fast vollständig, sondern verbessern auch die Prä-zision der Waffe spürbar.
Bis in die jüngste Vergangenheit gab es in Deutschland nur wenige Besitzer von Großkaliber-Schalldämpfern, von denen auch nur die wenigsten jagdliche Erfahrungen damit gemacht haben. Mangels Erfahrungswerten gab es daher traditionell große Zweifel, wie sich Schalldämpfer in der Jagdpraxis auswirken. Die Befürchtungen reichten vom Heimlichwerden des Wildes über den Einzug ungehemmten Schießertums bis hin zum chancenlosen Abschlachten ganzer Rudel, Rotten oder Sprünge, sprich: Man sah die Waidgerechtigkeit bedroht!
Bereits vor einem Jahrhundert räumte Generalstabshauptmann v. Dormándy bei einer schriftlichen Abhandlung über Schalldämpfer deren Akzeptanz in Jägerkreisen wenig Chancen ein:
»Bei der Jagd dürfte er nicht viel Aussicht auf Verbreitung haben. […] Der Konservatismus der Jägerwelt dürfte seiner Verbreitung auch nicht förderlich sein. Schließlich gehört der Knall des Gewehres mit zur Jagd.« [1]
Auch 100 Jahre später waren diese Zeilen nach wie vor aktuell. Noch 2009 konnte man in einer großen deutschen Jagdzeitschrift folgende Aussage eines LJV-Vertreters lesen: »Man darf selbstverständlich hören, wenn auf der Jagd geschossen wird. Wir haben schließlich nichts zu verbergen. […] Deswegen lehne ich Schalldämpfer bei der Jagd ab.« [2]
Aus diesen Zeilen lässt sich auch der Grund ableiten, warum Schalldämpfer in Deutschland einen festen Platz in der Schmuddelecke hatten: Wer Schalldämpfer nutzt, hat etwas zu verheimlichen. Einzig Wilderer, Auftragskiller und Geheimagenten können also Verwendung für sie haben, um ihren dunklen Machenschaften unerkannt nachgehen zu können (? Abb. 1.2 >). Der Deutsche Jagdschutzverband e. V. versuchte...